10.11.03
Fünf mal 9. November
Ein deutsches Datum mahnt
Von Ulrich Sander (Unsere Zeit vom 7.11.03)
Am 9. November 1923, vor 80 Jahren, putschte Naziführer Adolf Hitler gemeinsam mit dem führenden Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff gegen die Republik. Die "Schmach" des 9. November 1918, da Arbeiter und Soldaten mit Krieg, Kaiser und Ludendorffs Herrschaft ein Ende machten, sollte wiedergutgemacht werden. Der Putsch scheiterte, aber zehn Jahre später war Hitler dennoch an der Macht und er leitete am 9. November 1938 mit der "Reichskristallnacht" endgültig den Massenmord an den europäischen Juden und die auf den zweiten Weltkrieg gerichtete Politik der Vernichtung des "jüdisch-bolschewistischen Sowjetreiches" ein.
Jetzt, 80 Jahre später, wollten Nazis erneut ein Fanal setzen wie jenes vor der Feldherrnhalle in der bayerischen Metropole. Nur durch Zufall und nicht mittels der ominösen V-Mann-Wachsamkeit, die uns die Regierenden preisen, wurden die Terroristen gefasst, die am Jahrestag des Pogroms die Baustelle der Münchner Synagoge und die dort Anwesenden in die Luft sprengen wollten. Vor dem diesjährigen Jahrestag der Reichspogromnacht vergeht keine Woche, in der nicht irgendwo Naziterroristen festgenommen werden, wie jene Adolf Hitler verehrende Gruppe "Combat", oder - schlimmer noch, weil erst nach der Tat verhaftet, - jener Thomas Adolf, von der Gruppe "Deutsche Liga" kommend, der in Overath in einer Rechtsanwaltspraxis drei Menschen ermordete. Er haßte die Juristen dieses Staates. Im Fall Berger drei Jahre zuvor war es der Haß auf Polizisten und davor 1997 im Fall Lemke der Haß auf "Verräter" und Antifaschisten, die zu mörderischen nazistischen Trias im größten Bundesland NRW und zu über hundert rechten Mordtaten in der Republik führten.
In diesen Tagen vor dem 65. Jahrestag des gigantischen Novemberpogroms sind es nicht nur nazistische Gewalttäter, die uns tief besorgt machen müssen. Alarmierend ist, welche politisch-ideologischen Wegbereiter neuen Naziterrors sich da zu Wort melden. Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann (CDU) macht sogar Anleihen bei der Hetze Hitlers, der vom "jüdisch-bolschewistischen System" sprach. Hohmann spricht vom Tätervolk der Juden, die an der Revolution in Russland mitwirkten. Führende Antisemiten und Neonazis wie Horst Mahler und die Reps beglückwünschen den rechten CDU-Mann.
Seit der Maueröffnung vom 9. November 1989 überdeckt dieses Novemberdatum die Warnungen von 1923 und 1938. Die Veränderungen in Deutschland und Europa haben in vieler Hinsicht nicht nur die Verheißungen Wirklichkeit werden lassen, die Demonstranten in Ostdeutschland sich erträumten. Kriege in Europa und Kriege der Deutschen wurden wieder möglich. Deutscher Faschismus - in Stiefeln einerseits und mit CDU-Parteibuch andererseits - begibt sich ebenfalls wieder auf den Weg.
Sich querzulegen auf diesem Weg, ist die Antwort vieler Menschen - aber es sind noch nicht genug.
Gedenken alleine reicht nicht aus!
Flugblatt der Bundesvereinigung der VVN-BdA zum Jahrestag der antijüdischen Pogrome vom 9. November 1938
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