15. Februar 2002
Brief an den Innenminister
Für Einhaltung der gegen rechts ausgesprochenen
Organisationsverbote – „Gegen links hat es doch stets
funktioniert“
Kürzlich bekamen wir eine erstaunliche Bitte unterbreitet. Das
Innenministerium des Landes NRW bat die VVN-BdA, ihre Forderung
nach Verbot der neonazistischen Aufmärsche, die sie als
Fortsetzung verbotener Organisationen und Aktivitäten bewertet,
mit gerichtsverwertbaren Informationen zu belegen.
Selbstverständlich haben wir solche Belege vorgelegt.
Erstaunt waren wir über die Bitte aus Düsseldorf, weil wir
unsere Munition auch aus Verfassungsschutzberichten bezogen, die
aber bisher offenbar vom Ministerium bei der Beweislast
vernachlässigt wurden. „Hält das Innenministerium etwa
Verfassungsschutzberichte von Bund und Land nicht für
gerichtsverwertbar?“ So fragten wir in einem Brief an den
Minister.
Verwiesen wurde von uns auf die polit-kriminellen Biographien
etwa der Herren Busse, Worch, Borchardt und Konsorten, „die
früher führend bei jetzt verbotenen Organisationen tätig waren
und jetzt ihre Tätigkeit nur schwach getarnt in freien
Kameradschaften und freien Nationalisten-Gruppen fortsetzen“.
Verwiesen wurde auf eine Veröffentlichung aus der Naziszene, die
kürzlich den Beleg dafür erbrachte, daß der Naziführer
Christian Worch sich als Nachfolger Michael Kühnens versteht, des
verstorbenen Führers der verbotenen Szene. (Informationsdienst
„Blick nach Rechts“ vom 29. November 2001)
Zudem wurde von uns auf den terroristischen Charakter dieser
Leute und ihrer Vereinigungen hingewiesen: Seit Jahren werden
Bürger von NRW durch die terroristische AntiAntifa bedroht, ohne
daß die Behörden etwas dagegen unternehmen. „Das erstaunt und
beunruhigt uns um so mehr, als die Neonazis den Terror eines Bin
Laden gegen die USA heftig begrüßt und schon seit Jahren auf
ihren Internetseiten Selbstmordattentate mit antisemitischen
Absichten propagiert haben.“ Die Neonazigruppen, denen vom
Bundesverfassungsgericht das Demonstrieren ihrer lediglich als „missliebige
Meinung“ eingestuften Ideologie zugestanden wurde, hätten zur
allgemeinen Lynchjustiz und zur “endgültigen Ausschaltung der
politischen Gegner” aufgerufen“ („Einblick“). Weit über
hundert Menschen fielen in Deutschland seit 1990 diesem Terror zum
Opfer.
Während Justiz und Sicherheitsbehörden angeblich keine
Handhabe hätten, gegen die Neonazis vorzugehen, sei es den
Behörden stets leicht gefallen, gegen linke Antifaschisten
einzuschreiten. „Als die KPD verboten wurde und rund 10.000
Menschen wegen ihrer kommunistischen Gesinnung eingesperrt wurden,
da waren auch Mitglieder unserer Organisation unter den Opfern
dieser Verfolgungen. Darunter Lore Junge aus Dortmund, die
Kinderferienfahrten in die DDR organisierte, was ihr als
Fortsetzung der illegalen KPD ausgelegt wurde. Sie wurde bestraft.
Jahrelang unter Hitler, aber auch unter Adenauer war unser
langjähriger verstorbener Landesvorsitzender Karl Schabrod
inhaftiert. Ihm wurde die Kandidatur für den Bundestag und
NRW-Landtag als Einzelperson und die Herausgabe einer kleinen
Zeitung als Fortsetzung der KPD-Tätigkeit ausgelegt. Er wurde
wiederum eingesperrt, musste sogar seine
Entschädigungsleistungen, die er wegen der Leiden als
NS-Verfolgter erhalten hatte, zurückzahlen.“
Zur V-Mann-Affäre des Verfassungsschutzes von NRW stellten wir
in unserem Brief schließlich fest: „Da fällt uns manches ein:
z.B. die Zeugen vom Hörensagen, die gegen Kommunisten in
Prozessen zu Zeiten des Kalten Krieges, eingesetzt wurden. Das
waren doch auch V-Leute, aber ihr Wort galt in den Prozessen. Sie
haben mit ihren Lügen, gegen die sich niemand wehren konnte,
Tausende Menschen ins Unglück gestoßen. Jetzt aber erhalten die
Nazis Schutz, weil es ihnen gelang, so viele V-Männer in ihren
Reihen zu haben.“
Schließlich appellierten wir an den Innenminister: „Tun sie
Ihre Pflicht: Helfen Sie, die NPD zu verbieten und die bereits
ausgesprochenen Organisationsverbote gegen Nazigruppen nachhaltig
durchzuführen. Verbieten Sie die Naziaufmärsche – zum Beispiel
die bevorstehenden in Bielefeld.“ Dort will Worch am 2. März
mit seinem Anhang aufmarschieren.
Ulrich Sander, Dortmund
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