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Nazis raus aus dem Internet

 

16.11.03

Ein Treffen gegen den Frieden

Bericht der VVN-BdA Aachen vom Aachener "Tag der Heimat" am 14.9.03

Das jährliche Treffen der "Heimatvertriebenen", genauer des Bundes der Vertriebenen und seiner Landsmannschaften, fand in diesem Jahr vor dem Hintergrund großer Auseinandersetzungen um ein geplantes "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin und/oder Warschau statt. Wer die Schärfe dieser Auseinandersetzung und die handelnden Personen (eine Allparteienquerfront von Rechtsextremisten bis zu SPD Promis auf der einen, Regierungen und Bevölkerung benachbarter Länder auf der anderen Seite) kennt, wundert sich über die Rahmenbedingungen des Tags der Heimat. Etwa 130 Personen, überwiegend ältere Damen treffen sich zu Kaffee und Kuchen, lauschen den Tönen vom Klavier (sollte Beethoven sein) und erfreuen sich an mindestens 6 Tänzen, bei denen die Musik zum Glück kaum vernehmbar war, dafür das Genörgel der Tanzenden auf der Bühne über eingeschaltete Mikrofone im Saal verteilt wurde. Ab und zu brummte es gnädig aus den Lautsprechern. Das also ist die "Kulturarbeit" der Vertriebenen.

Wie können solche Bilder von gebrechlichen alten Menschen den Ruf der Vertriebenen als friedensgefährdende Truppe des ewigen kalten Krieges rechtfertigen? Es wäre zu einfach zu behaupten, diese Leute würden von ihren Funktionären missbraucht. Sie wollen es ja so und sie klatschen an den "richtigen" Stellen. Sie sind auch nicht "nur" Staffage für Brandreden. Das sind sie auch. Sie vertreten eine "deutsche Kultur", von der sie überzeugt sind, dass es erstrebenswert ist, sie zu erhalten, zu fördern und/oder wiederzuerwecken. Sie feiern ihre Mittelmäßigkeit und sind geblendet von Ignoranz, die sie für Heimatgefühl halten. Es ist jedermanns/fraus Recht, schlichte Kultur für wertvoll zu halten. Diese Kultur, nach der sich außer den Anwesenden niemand drängt, bietet jedoch die Grundlage für die aggressiven politischen Ambitionen der Vertriebenenfunktionäre, deren Interessen nicht zuletzt pekuniäre sind.

Der Hauptredner der Veranstalter, an dem sich eine politische Kritik überhaupt entzünden kann, war Jürgen Zauner vom Landesvorstand der Landsmannschaft der Ostpreußen in NRW. Er war für den erkrankten Ehrenfried Mathiak eingesprungen und las einen vorbereiteten Text mehr schlecht als recht ab.

Zauner begann mit einem Zitat von Siegfried Lenz, dass ein Land erst dann verloren sei, "wenn wir uns nicht mehr erinnern". Der Phantasie der ZuhörerInnen oblag der Schluss, dass Polen nicht verloren sei, weil und solange die Vertriebenen sich an "ihr" Land erinnern. Die Vertriebenen seien in erster Linie Opfer, Opfer von ethnischen Vertreibungen. Sie müssten die Hauptlast des Nationalsozialismus tragen, wobei er voraussetzte, dass NS-Herrschaft und Vertriebene unterschiedliche Personen meint, was historisch falsch wäre, waren doch die heutigen Vertriebenen zu hohen Prozentzahlen Mitglieder und Funktionäre der NSDAP und/oder des NS Herrschaftsapparates in den von Deutschland überfallenen Ländern.

Zauner machte im Gegensatz zu anderen Funktionären der Vertriebenen keinen Unterschied in seiner Politikerschelte und Politikeransprache. Zwar wurde mehrfach kritisch "die Regierung" benannt, ansonsten wurden CDU und FDP umstandslos in die Kritik an "der Politik" oder "den Politikern", die "den Vertriebenen" gegenübergestellt wurden, einbezogen.

Zauner bediente dann auch reichlich den Bedarf an Metaphern aus dem rechtsextremen Bereich. So beklagte er, dass vor der Zeit der "Masseneinwanderung" die Vertriebenen ca. 20 % der Bevölkerung ausgemacht hätten. Die Ausländer sind also Schuld am Bedeutungsverlust der Vertriebenenverbände. Er beklagte den "Niedergang der deutschen Sprache", in der er auch nicht sicher zu Hause war, als "heimtückischste Art der Umweltzerstörung", sprach von einem "gesunden Willen zur Selbstbehauptung" des deutschen Volkes.

Zauner ereiferte sich über einen "Genozid" an den Ostdeutschen, forderte, dass Deutsche zuerst über deutsche Tote trauern sollten, meinte, dass die Schoa und die Vertreibung der Deutschen doch gleichzusetzen sei, weil Mord und Vertreibung gleich schwere Verbrechen seien - hier Martin Walser zitierend - und plauderte dann ohne Quellenangabe aus dem REP-Programm, wonach die Sieger die Geschichte schreiben, aber niemand könne fordern, dass die Besiegten diese Version auch noch glauben sollten. Er beklagte die einmütige Erklärung des deutschen Bundestags zur Endgültigkeit der Westgrenze Polens und beschimpfte die Bundestagsabgeordneten als "Handlanger des Unrechts".

Zauner behauptete, der Nationalsozialismus sei auf dem "Unrechtssystem von Versaille" fußend und die Vertreiberstaaten seien keine Opfer des Nationalsozialismus, sondern "üble Täter" (rauschender Beifall).

Jetzt gehe es bei der Diskussion über das Zentrum gegen Vertreibungen um "die letzte Schlacht", um die "zweite Vertreibung der Deutschen aus der Geschichte".

Im Mittelteil der Rede versteckte Zauner seine eigenen Interessen. Er zitierte die Forderung von Johannes Rau nach Friede, Freiheit und Gerechtigkeit. Diese von Rau vor Juden (!) gemachte Äußerung bedürfe in Bezug auf die Gerechtigkeit der Präzisierung. Ohne Gerechtigkeit könne es keinen Frieden und keine Freiheit geben (Zauner gehört wohl der "lieber tot als rot"-Generation an), Gerechtigkeit sei aber nur herzustellen, wenn das Recht auf Heimat gewährleistet sei. Dieses sei ein elementares Menschenrecht und das war sein Anknüpfungspunkt an das Motto, unter dem der "Tag der Heimat" bundesweit in diesem Jahr stand: "Mit Menschenrechten Europa vollenden". Nicht ohne Hintergedanken sagte Zauner, dass ein Recht auf Heimat und die Frage der Gerechtigkeit aufs engste mit der Eigentumsfrage zusammenhinge. Und in der Tat gehört Herr Zauner zu den eifrigsten Befürwortern und Akteuren einer "Preußischen Treuhand GmbH&Co.KG auf Aktien". Zu den zentralen Aufgaben dieses Privatunternehmens, gegründet von verschiedenen Landsmannschaften, gehört "die Frage der Rückkehr zu Haus und Hof, insbesondere die damit verbundene Rückgabe des konfiszierten Eigentums". Die Treuhand der Vertriebenen soll treuhänderisch die individuellen Ansprüche noch lebender oder schon verstorbener Vertriebener wahren und gegen die Regierungen der Nachbarstaaten geltend machen. Im Gründungsdokument des Unternehmens, das vollständig den Nachsatz "Prussian Claims Society" im Namen führt heißt es in schlechtem Deutsch: Zweck sei die "Sicherung des Anspruchs bzw. Rückgabe des im Osten von den Vertreiberstaaten völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums".

Hier ist Schluss mit Lustig! Hier geht's nicht mehr um "Kultur", um "Heimat", um großes Gefühlskino, hier geht's handfeste individuelle Interessen deutscher Staatsangehöriger, um die geplante Vertreibung polnischer, tschechischer und russischer Menschen aus ihren Häusern, um die Erpressung ausländischer Regierungen. Die Wiederaneignung fremden Eigentums oder Wiedergutmachung für "entgangenes" Eigentum wird zu einem Menschenrecht erhoben und wer die Menschenrechte a la Zauner und Co nicht achtet, der "hat in Europa nichts verloren".

Da helfen auch ein paar Trachten nicht. Diese Vertriebenen sind eine Gefahr für den Frieden in Europa. Es darf für solche Organisationen keine öffentliche Förderung geben. Ihnen muss entgegengetreten werden, ihr Einfluss muss zurückgedrängt werden. Das ist eine Aufgabe für alle, die aus der Geschichte des deutschen Faschismus lernen wollen. Friedensbewegung und antifaschistische Bewegung dürfen diese Leute nicht einfach rechts liegen lassen.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Kreisverband Aachen

Kontakt: info-ac@vvn-bda.de