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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

19.03.2018

Schlüsselrolle oder Müssen Photographen dooph sein?

Jakop Heinn berichtet in DER METZGER Nr. 125, Januar 2018, Duisburger Kulturzeitschrift, über die sogenannten „Arbeiterfotografen“ und ähnliche Leute. „Wenn die Geschichte nicht so irrsinnig wäre, könnte man sie glatt für erfunden halten. In Berlin wurde im Dezember 2017 der Karlspreis verliehen." Weiter heißt es im METZGER in einem von diesem zu verantwortenden Artikel:

Nein, nicht in Aachen. Es gibt nämlich noch einen zweiten Europäischen Karlspreis. Und der wurde im Dezember 2017 in Berlin verliehen. Das heißt: Ob er wirklich verliehen wurde, weiß keiner so genau, auch nicht die, die bei der Verleihung anwesend waren. Fest steht nur der Name des Preisträgers, und die Institution, die ihn für preiswürdig hielt. Der Preis wird vergeben von der „Neuen Rheinischen Zeitung“. Das ist allerdings gar keine Zeitung, sondern ein Weblog im Internet, und mit dem offenbar verwendeten Vorbild, der von 1848 bis 1849 in Köln erschienenen Zeitung dieses Namens (Chefredakteur: Karl Marx) hat die Netz-Adaption nichts zu tun. Die „NRhZ“ wird betrieben und mit starkem Tobak befüllt von dem Kölner Alptraumpaar Anneliese Fikentscher und Alfred G. Neumann (nennt sich Andreas Neumann). Aufmerksamen Lesern werden die beiden bekannt vorkommen: Das sind dieselben, die sich auch den „Bundesverband Arbeiterfotografie“ unter den Nagel gerissen haben: zwei notorische Namensbenutzer (siehe DER METZGER 116). In ihren Medien verkünden sie, der Unfalltod des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider wäre in Wahrheit ein Attentat des israelischen Geheimdienstes Mossad gewesen, und einen Neofaschismus gäbe es in Deutschland gar nicht, das sei in Wahrheit ein von Geheimdiensten kolportiertes Täuschungsmanöver, um von den Kriegsplänen abzulenken.

Den „Karlspreis“ vergaben die beiden am Ken Jebsen. Darüber braucht man sich nicht zu wundern.

In dem „Milieu, das 2014 als in sich widersprüchliche Bewegung aus politischen Selbstvermarktern, getarnten Rechten und verirrten Friedensfreunden entstanden war“ (junge welt) spielt der ehemalige Rundfunkjournalist Jebsen eine Schlüsselrolle (siehe DER METZGER 114).

Die Sottisen des Querfront-Propheten Jebsen gegen die linke Presse, gegen die Pazifisten, gegen die Antifaschisten sind dermaßen fadenscheinig und offensichtlich blödsinnig, daß kein Mensch, der seine fünf Sinne beieinander hat, auf seine demagogischen Tiraden hereinfallen kann. Aber er agiert und agitiert im linken Milieu. Das hat sich mit der Zeit von einer intellektuellen Avantgarde in einen Käfig voller Narren verwandelt, wo jede noch so verschrobene Narretei Anhänger und Nachbeter findet. Sollte zum Beispiel morgen in der „NRhZ“ behauptet werden, daß die Erde eine Scheibe ist und daß die Kugelgestalt der Erde ein von langer Hand vorbereitetes Gerücht zionistischer Strippenzieher ist, damit wir auf die Kriegspropaganda der taz hereinfallen: Der Widerspruch gegen diesen Unsinn wäre in linken Kreisen nicht einhellig.

Dem „alternativen Journalisten“ Jebsen ist es gelungen, Verbündete im linken Milieu zu finden, und zwar in voller Breite, obwohl er lautstark die Linke angreift und überhaupt das „Links-rechts-Schema“ in Abrede stellt.

Im KenFM-Video „NachdenKEN über: ‚Der 3. Weltkrieg‘“ sagt er: „Es gibt kein ‚links‘ und kein ‚rechts‘. Die ganzen Kategorien ‚rechts‘ und ‚links‘ sind von den wenigen Besitzenden erfunden worden, damit man sich unten die Köpfe einschlägt, um uns hineinzutreiben in den Weltkrieg.“

Der Unterschied zwischen Faschisten und Antifaschisten ist demnach rein konstruiert, um „die Bevölkerung eines besetzten Landes – Deutschlands“ zu spalten. Denn auch die These vom „Vasallenstaat“ BRD findet sich bei Jebsen. Er verbreitete diese Formel ebenso wie sein Bruder im Geiste Jürgen Elsässer („Big Brother USA hält Deutschland besetzt“). Jebsen: „Mir geht es um Reichweite. Ich will, daß beide ‚Lager‘ (Linke und Rechte, Anm. d. Red.) erkennen, daß sie extreme Schnittmengen haben. Um miteinander zu arbeiten, nicht gegeneinander, und diese überschüssige Energie positiv nutzen können.“ (im Ken-FM-Video „Klarstellungen zu den Friedensmahnwachen“).

Die Querfront-Strategie ist ein tödliches Gift für die Linke, wird dort aber vielerorts für eine Arznei gehalten. Das idiotische Angebot an die Linke, sich von der Rechten aufsaugen zu lassen, unter der Bedingung, daß die Linke ihren Antifaschismus an der Garderobe abgibt, läßt nicht jeden hellhörig werden. Während Jebsen erklärte, der „Feind“ sei die „sogenannte linke Presse“, tönte es aus dem Munde des Vorsitzenden des Deutschen Freidenker Verbandes Klaus Hartmann: „Die junge Welt wurde immer wieder Teil einer breiten Medienfront gegen den neu entstandenen Teil der Friedensbewegung – angeführt von Schlachtschiffen des US-Imperialismus wie Spiegel, Welt und Taz.“

Im Freidenker-Verband regte sich Widerspruch. Volker Veeser trat als Mitglied des Landesvorstands NRW zurück: „Die Zusammenarbeit von ‚Freidenker‘-Funktionären und Gliederungen der ‚Freidenker‘ mit Ken Jebsen und der Musikgruppe ‚Die Bandbreite‘ ist nicht neu. Kritische Stimmen haben diese Zusammenarbeit nicht gelockert oder beendet, sondern das Gegenteil ist der Fall. Das gipfelt nun in dieser Preisverleihung. Mir reicht es jetzt!“

Es hat immer noch nicht allen gereicht, als Jebsen die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten in seiner Sendereihe „nachdenKEN“ so kommentierte: „Freunde, heute ist ein guter Tag. Als ich heute morgen das gehört habe, ich habe die halbe Nacht wach gelegen und sah, dass sich die Prognose so abzeichnete, wie ich mir das gewünscht habe, habe ich gedacht: ja! Endlich stehe ich mal hinter einem amerikanischen Präsidenten.“ Doch ist kein Unsinn dumm genug, daß er nicht Zustimmung findet. Im von absoluter Absolutheit geprägten Weltbild der sogenannten NRhZ galten die USA stets als das absolut Böse, und jeder noch so reaktionäre US-Gegner war absolut gut. Bis Trump kam. Für Neumann/Fikentscher ist Trump der „Hoffnungsschimmer für Amerika und die Welt“.

Mit der simplen Erkenntnis, daß vom Idiotenhügel sowieso nur wirres Zeug kommt, könnte man sich zufrieden geben. Doch hat der Wahnsinn stets Methode. Ausgerechnet in Trump einen Erlöser zu erblicken entspringt wohl einer banalen Vorstellung vom Funktionieren der US-Gesellschaft. Dort wären bisher Strippenzieher am Werk gewesen.

Der Vorwurf, Jebsen sei antisemitisch zumindest angehaucht, wird von seinen Befürwortern empört zurückgewiesen, als Manöver, den Kritiker mundtot zu machen, als „Rufmord“. Aber was sagte Jebsen in einem Audioclip vom Frühjahr 2012?

Die „Drahtzieher“ der imperialen Politik der USA sind gemäß Jebsens Auffassung „radikale Zionisten“, Menschen mit „jüdischen Roots“, „deren Hobby Israel ist“. „Sämtliche Machtzentren der USA“, die „führenden Massenmedien“ und „das Propagandamedium Film, sprich Hollywood“, würden von der „proisraelischen Lobby“ kontrolliert bzw. „von bekennenden Zionisten geführt“. Deren „Macht basiert auf der zur Perfektion geführten Disziplin der Manipulation der öffentlichen Meinung. Dazu benötigt man in unserem Wirtschaftssystem vor allem – Geld, viel Geld, wahnsinnig viel Geld.“ In seiner Rede steigerte er sich zu der Behauptung, der Mord an den Juden sei keineswegs das bisher größte Verbrechen gewesen, und was von Israel noch zu erwarten sei, würde die Verbrechen der Nazis übertreffen. Der Beitrag „Zionistischer Rassismus“ wurde von der KenFM-Seite entfernt. Er behauptet heute, das alles nie gesagt zu haben, und auch sein frohlockender Kommentar zu Trump sei nicht so gemeint gewesen.

In der Rubrik „Ken FM am Set“ wird ein Vortrag des in Israel geborenen und derzeit in England lebenden Jazzmusikers Gilad Atzmon unkommentiert gezeigt. Von dem stammt z.B. die Behauptung: „Die Todesmärsche der Nazis waren eigentlich human.“

Das alles ließ im Berlin der Vorweihnachtszeit einen heißen Donnerstag erwarten. Und so kam es dann auch.

Die Preisverleihung sollte im Kino Babylon stattfinden. Das Kino Babylon wird aus Mitteln des Berliner Senats gefördert. Da sagte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Partei Die Linke) sinngemäß: „Das geht aber nicht.“ Der Babylon-Geschäftsführer Timothy Grossmann sagte die Veranstaltung daraufhin ab. Durch eine Entscheidung des Amtsgerichts wurde das Verbot des Senators aufgehoben, die Preisverleihung konnte stattfinden.

Und nun waren sich die Linken nicht einig. Es ging um Meinungsfreiheit, politische Bündnisse, die Grenzen einer emanzipatorischen Weltanschauung und um Antisemitismus-, Querfront- und Verschwörungsideologie-Vorwürfe. Der Bundesvorstand der Linkspartei stellte sich nicht geschlossen hinter den Kultursenator. Prominente Parteivertreter wie Dieter Dehm und – wen wundert‘s – der Querfront-Handelsvertreter Wolfgang Gehrcke nahmen Partei für Jebsen und seine verschwörungsbekloppten Förderer.

Etwa 50 Gegendemonstranten vom „Bündnis gegen Querfront“ versammelten sich vor dem Kino Balylon am Rosa Luxemburg-Platz. Einige hatten sich Hüte aus Aluminiumfolie aufgesetzt – ein bekanntes Symbol, um Verschwörungstheoretiker zu verspotten. Die LINKEN-Abgeordnete Anne Helm besuchte die Versammlung und sprach den Teilnehmern im Namen ihrer Fraktion Dank aus: „Wir stehen an eurer Seite!“ Daniel Bache, Sprecher von „DIE LINKE.queer“, und Sarah Rambatz, Bundessprecherin der Linksjugend Solid, hatten sich zuvor ebenfalls öffentlich gegen Querfrontbestrebungen ausgesprochen.

Aber Gehrcke hatte zu einer Gegen-Gegen-Kundgebung aufgerufen, die auch vor das benachbarte Karl-Liebknecht-Haus der Linkspartei zog.

Unterdessen wurde bekannt, daß der Preisträger Jebsen seiner Preisverleihung fernblieb. Er gab dazu eine Erklärung ab, aus der allerdings nicht hervorging, warum er der Preisverleihung fernblieb.

Die Veranstaltung begann mit einer Ansprache des Geschäftsführers Grossmann, in der er die Veranstalter scharf kritisierte. Insbesondere griff er den besagten Jazzmusiker Gilad Atzmon an. Den Jebsen-Verehrern gefiel das nicht.

Die Laudatio auf den abwesenden Preisträger sollte der taz-Mitarbeiter Mathias Bröckers halten. Der war aber ebenfalls nicht anwesend. Die Rede wurde verlesen. Bröckers, der die offizielle Version über die Anschläge des 11. September 2001 „anzweifelt“, erklärte: „9/11 ist der Lackmustest für echten Journalismus.“ Freidenker-Verband-Hartmann erklärte in seinem Beitrag, daß er sich das Wort „Lügenpresse“ – ein Schlagwort aus dem Pegida-Vokabular – nicht verbieten lassen will.

Den Abschluss machte Wojna, Sänger der Band Die Bandbreite. An Babylon-Chef Grossmann und weitere Kritiker richtete er die Worte: „Irgendwann kommen auch eure Nürnberger Prozesse, überlegt euch, auf welcher Seite der Anklagebank ihr sitzen wollt.“ Die Anspielung ist ein beliebtes Motiv unter Rechtsradikalen.

P.S.: Einige Tage vor dem heißen Donnerstag meldete sich Oskar Lafontaine zu Wort: „Wen hat Ken Jebsen umgebracht?“ Weshalb, fragt der ehemalige Parteivorsitzende, solidarisiert sich der Vorstand der Linken mehrheitlich mit Lederers Kritik an Jebsen, der doch offenkundig kein Schwerverbrecher oder dergleichen ist? „Das ist eine bedenkliche Entwicklung“, so Lafontaine.

Dem müßte man sagen: Lieber Herr Lafontaine! Wenn Sie sich nützlich machen können, dann machen Sie sich nützlich. Aber wenn Sie nur noch größeren Schaden anrichten können, dann richten Sie nicht noch größeren Schaden an.

P.P.S.: Der wie immer nichtsahnenden DKP möchte man doch gern beibringen, daß eine nochmalige Teilnahme des sogenannten Bundesverbandes Arbeiterfotografie beim bevorstehenden UZ-Pressefest unpassend wäre.

Aber dann müßte man fürchten, daß der Parteivorstand meldet, es wäre eine Morddrohung von den Antideutschen eingegangen.