14.03.2018
„Das nehmen wir
nicht hin!“
Gedanken
zum Schwur von Buchenwald und zur Fälschung des
Verfassungsschutzes
Günter Pappenheim ist
Vorsitzender der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora und Erster
Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und
Kommandos. Der folgende Beitrag aus der Mitgliederzeitschrift antifa
ist eine gekürzte Fassung der Rede, die er am 17. Februar auf
der Mitgliederversammlung der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora
zur Rechenschaftslegung und Neuwahl des Vorstands hielt.
Seit einiger Zeit ist festzustellen, dass der
Schwur von Buchenwald unerträglichen Angriffen ausgesetzt ist.
Zugleich werden Versuche unternommen, ihn zu verfälschen und
zu interpretieren.
Ich habe darauf anlässlich meiner
Ernennung zum Kommandeur der Ehrenlegion Frankreichs im Januar 2017 und
auf der Gedenkkundgebung des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora
und Kommandos im April 2017 auf dem ehemaligen Appellplatz in
Buchenwald hingewiesen.
Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass die
»Deklaration« der befreiten Häftlinge des
Konzentrationslagers Buchenwald vom 19. April 1945 unter den
komplizierten Bedingungen des Lagers entstand, die Zustimmung aller am
Internationalen Lagerkomitee beteiligten Nationen erhielt und ein von
21.000 Überlebenden beschworenes historisches
Dokument wurde, das keiner Deutung bedarf.
Jegliche Diskreditierung dieses Schwurs ist
eine einundzwanzigtausendfache Beleidigung der
Überlebenden und zugleich eine Schändung der 56.000
Opfer von Buchenwald.
Die »Deklaration« ist als
Schwur von Buchenwald in die Geschichte eingegangen und sehr viele, die
von den deutschen Faschisten in Gefängnissen,
Zuchthäusern, Konzentrationslagern gemartert wurden, die
Zwangsarbeit leisten, die emigrieren mussten, die der Verfolgung
ausgesetzt waren, die in Spanien oder in den alliierten
Streitkräften gegen die Nazis gekämpft hatten,
machten sich die Grundaussagen dieses Schwurs zu eigen und sie lebten
dafür, dass er eines Tages Wirklichkeit werde. Der Schwur
wurde zum Fanal des Neuanfangs und wirkte auf nachfolgende Generationen.
Die von hoher politischer Verantwortung getragene
Aussage, dass der Kampf erst einzustellen sei, wenn »auch der
letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht«,
dass »die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln unsere
Losung (ist)« und der » Aufbau einer neuen Welt des
Friedens und der Freiheit (…) unser Ziel« ist so
beschworen worden. Das befreite Aufatmen nach zwölf bitteren
Jahren Faschismus war alternativlos und es gibt bis heute nichts
Vernünftigeres als eine Welt ohne Faschismus und Krieg. Da
weder der Faschismus vernichtet, noch der Frieden gesichert ist,
besitzt der Schwur höchste Aktualität.
Deshalb haben wir Überlebende im April
2017 in Buchenwald unser Vermächtnis in die Hände
nachfolgender Generationen gegeben und wir sind überzeugt,
dass das Richtige getan wird, um die Gedanken des Schwurs Wirklichkeit
werden zu lassen. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass der zu gehende
Weg steinig ist. Mit der Zuversicht, dass Vernunft sich durchsetzen
wird, lohnt es sich, diesen Weg zu gehen.
Jenen, die heute in bequemen Sesseln an hessischen
Verfassungschutzschreibtischen Steuergelder vergeuden und es
unternehmen, pseudowissenschaftlich zu begründen, dass der
Schwur von Buchenwald »kommunistische
Faschismustheorie« stütze und damit die Prinzipien
der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Frage stelle, sei ins
Stammbuch geschrieben:
Sie sind folgsame Schüler ihrer Lehrer
geworden, jener, die uns einsperrten und folterten. Nach unserer
Befreiung taten sie eine Zeit lang, als hätten sie von nichts
gewusst. Nachdem sie sich unter den Schwingen des
Bundesadlers sicher fühlten, bekleideten sie wieder ihre
Ämter. Das blinde rechte Auge blieb blind und im Kalten
Bürgerkrieg lebten sie auf.
In seiner ersten
Regierungserklärung erklärte Bundeskanzler Adenauer,
die Bundesregierung sei entschlossen, »dort, wo es ihr
vertretbar erscheint, Vergangenes vergangen sein zu lassen, in der
Überzeugung, dass Viele für subjektiv nicht
schwerwiegende Schuld gebüßt haben.
»Die Arme zur Integration ehemaliger
NSDAP-Mitglieder, NS-Eliten und NS-Täter wurden weit
geöffnet.
Heute reiben sich manche die Augen über
Anmaßungen der AfD in den Landesparlamenten und im Bundestag.
Geflissentlich übersehen wird, dass die Führenden
bereits in der CDU dienten. Gaulands Gaunerstück als
Staatssekretär und Chef der hessischen Staatskanzlei ist doch
nicht vergessen. Seit 1964 gibt es in der Bundesrepublik Deutschland
eine mit Steuergeldern finanzierte neofaschistische und,
gerichtsnotorisch festgestellt, verfassungsfeindliche NPD, die zu
verbieten und ihr die Legalität zu nehmen politisch nicht
gewollt ist. Inzwischen sind funktionierende Ersatzorganisationen
entstanden wie die Identitären. Sie sind ungehindert die
Fußtruppen der AfD geworden. Ein Nationalsozialistischer
Untergrund konnte sieben Jahre unerkannt morden. Eine
gefährliche, zum Teil bewaffnete so genannte
Reichsbürgerbewegung wird seit Jahren geduldet. Hass, Aufrufe
zu Gewalt wabern im Internet.
Was ich hier nur andeutungsweise erwähne,
scheint mir ein ertragreiches Betätigungsfeld für
Verfassungsschützer.
Wir haben uns darauf einzustellen, dass wir unsere
antifaschistischen Positionen sachlich und konsequent verteidigen
müssen. Die Angriffe auf den Schwur von Buchenwald nehmen wir
nicht hin, von niemandem!
Diese nationale Schande ist in hohem Grade
unwürdig. Das zu benennen, bleibt unsere Pflicht –
auch gegenüber den noch Lebenden anderer Nationen und ihnen
Nachfolgenden.
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