23.01.2018
„NSU Watch
NRW“ fordert Untersuchungsausschuss zum Wehrhahn-Anschlag
Am 25. Januar 2018 beginnt vor
dem Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen den
mutmaßlichen Täter des Bombenanschlags am
Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn vom 27. Juli 2000, bei dem
zehn Menschen zum Teil schwer verletzt wurden und eine Frau ihr
ungeborenes Kind verlor. Die Initiative „NSU Watch
NRW“ fordert in einer Pressemitteilung vom 19. Januar 2018
vom Gericht, die Hintergründe der Tat umfassend
aufzuklären, insbesondere hinsichtlich möglicher
Mittäter_innen bzw. Helfer_innen des angeklagten Ralf S.
„NSU Watch NRW“ dokumentierte
zuvor die Arbeit des Untersuchungsausschusses des NRW-Landtags, ist
Teil eines bundesweiten Netzwerks, das die Aufarbeitung des
NSU-Komplexes begleitet und wird vor diesem Hintergrund auch
über den Wehrhahn-Prozess berichten. Nach Ansicht der
Initiative muss ein weiterer Untersuchungsausschuss des Landtag die
Ermittlungsfehler der Polizei und die Geheimdienstverstrickungen
untersuchen, die dazu geführt haben, dass erst nach
über 17 Jahren Anklage erhoben werden konnte. Allein der
Strafprozess gegen Ralf S. könne dies nicht leisten.
„NSU Watch NRW“ kritisiert auf
das Schärfste den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des
Landtags NRW, der sich trotz seines expliziten Auftrags nur
rudimentär mit dem Wehrhahn-Anschlag befasst und lediglich den
leitenden Oberstaatsanwalt sowie zwei Ermittlungsleiter der Polizei
vernommen hatte. „Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat
bei der Aufklärung eines möglichen
behördlichen Fehlverhaltens im Zusammenhang mit dem
Wehrhahn-Anschlag auf ganzer Linie versagt. Die Abgeordneten weigerten
sich, weitere Zeuginnen und Zeugen zu vernehmen, der Vorsitzende Sven
Wolf unterband Fragen zur Rolle des Verfassungsschutzes und dessen
V-Leuten“, kritisiert Maria Breczinski, Sprecherin von
„NSU Watch NRW“.
Durch Medienberichte wurde bekannt, dass der
nordrhein-westfälische Verfassungsschutz im Jahr 2000 einen
V-Mann mit dem Decknamen „Apollo“ führte,
der eng mit Ralf S. bekannt war und zeitweise sogar für dessen
Firma arbeitete. Der Ermittlungskommission der Polizei wurde die
Existenz dieses V-Manns, der sich auch im Kreis der neonazistischen
„Kameradschaft Düsseldorf“ bewegte,
über Jahre verheimlicht. Erst 2012 legte der Verfassungsschutz
gegenüber der Polizei die V-Mann-Tätigkeit von
„Apollo“ offen und präsentierte
gleichzeitig dessen Alibi für den Zeitpunkt des
Bombenanschlags. Obwohl der Verfassungsschutz die Zusammenarbeit mit
„Apollo“ bereits zwei Monate vor dem Anschlag
beendet haben will, soll sich der V-Mann zur Tatzeit mit einem
Verfassungsschutzagenten getroffen haben. Die Umstände dieses
Alibis bewertet „NSU Watch NRW“ als wenig glaubhaft.
„Die naheliegende Frage ist doch: Was
wusste der Verfassungsschutz über die Hintergründe
des Wehrhahn-Anschlags und warum hat er die Polizei nie informiert?
Welche Aufträge hat ‚Apollo‘ im Jahr 2000
erhalten, als er über einen direkten Zugang zum bereits damals
Hauptverdächtigen Ralf S. verfügte? Bekannt ist, dass
‚Apollo‘ im September 2000 das Gespräch
mit dem Verfassungsschutz über den Wehrhahn-Anschlag suchte.
Doch der Inhalt dieses Gesprächs liegt im Dunkeln“,
so Breczinski. Außerdem soll „Apollo“ im
Jahr 2004 geäußert haben, dass der Anschlag von
Rechten aus dem Osten unter Abdeckung durch die hiesige rechte Szene
verübt worden sei.
Maria Breczinski von NSU Watch NRW kritisiert:
„Der Untersuchungsausschuss hat sich geweigert, auf eine
Beantwortung dieser Fragen nach der Verstrickung des Geheimdienstes
hinzuwirken. Dabei lagen bereits seit Juli 2016 einstimmig gefasste
Beweisbeschlüsse vor, den V-Mann ‚Apollo‘,
dessen V-Mann-Führer vom Verfassungsschutz sowie mehrere
Polizisten als Zeugen zu vernehmen. Diese Beweisbeschlüsse hat
der Ausschuss ohne Begründung wieder kassiert. Damit hat er
sich zum Erfüllungsgehilfen der Vernebelungstaktik des
Verfassungsschutzes degradiert.“
Weitere
Informationen sind hier zu finden:
Zeugenvernehmungen der Polizeiermittler
Wixfort und Moll vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags NRW
Zeugenvernehmungen des Staatsanwalts
Herrenbrück vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags NRW
Artikel zum Stand der
Wehrhahn-Aufklärung nach der Verhaftung von Ralf S.
Artikel über den Schlussbericht des
Untersuchungsausschusses
Mobile
Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk
Düsseldorf wird den Prozess beobachten
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im
Regierungsbezirk Düsseldorf wird den Prozessverlauf
über den gesamten Zeitraum verfolgen und
regelmäßig auf diesem Blog darüber
berichten. Angesetzt sind 37 Prozesstage. Der unter anderem des
Mordversuchs angeklagte Ralf S. streitet ab, die Tat begangen zu haben.
https://www.mobile-beratung-nrw.de/wehrhahn-prozess/
Siehe auch:
Wehrhahn-Attentat: 17 Jahre Warten auf den Prozess
Düsseldorf. Am kommenden Donnerstag beginnt die Verhandlung gegen
den mutmaßlichen Wehrhahn-Bomber Ralf S. Der 51-Jährige muss
sich wegen zwölffachen versuchten Mordes verantworten.
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/17-jahre-warten-auf-den-prozess-aid-1.7334235
Prozess: "Kanaken weggesprengt": Prozess gegen mutmaßlichen Wehrhahn-Bomber
Ein Gefangener prahlte vor vier Jahren, er habe "an einem Bahnhof
Kanaken weggesprengt". Das brachte ein riesiges Ermittlungsverfahren um
den weltweit beachteten Bombenanschlag auf jüdische Zuwanderer in
Düsseldorf in Gang.
http://www.wz.de/lokales/duesseldorf/kanaken-weggesprengt-prozess-gegen-mutmasslichen-wehrhahn-bomber-1.2601086
Zwölffacher Mordversuch vor Gericht
Am Donnerstag startet vor dem Landgericht Düsseldorf der Prozess
gegen den mutmaßlichen Bombenleger Ralf S. Der Angeklagte wird
beschuldigt, mit einem selbst gefertigten Sprengstoff im Juli 2000 am
Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn gezielt Menschen angegriffen und
zum Teil schwer verletzt zu haben.
https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/zw-lffacher-mordversuch-vor-gericht
Hintergrund:
Anschlag in Düsseldorf
Im Februar 2017 nahm die Polizei den mutmaßlichen Täter des
Düsseldorfer Rohrbombenanschlags aus dem Jahr 2000 fest. Trotzdem
bleiben mehr Fragen als Antworten – unter anderem nach dem Wissen
eines Spitzels im Umfeld des Verdächtigen.
http://www.der-rechte-rand.de/archive/2397/drr-165-anschlag-duesseldorf/
Der Düsseldorfer Wehrhahn-Anschlag
Ein Rück- und Ausblick (fast) 15 Jahre danach
https://nrw.nsu-watch.info/der-duesseldorfer-wehrhahn-anschlag/
Sprengstoffanschlag in Düsseldorf
https://de.wikipedia.org/wiki/Sprengstoffanschlag_in_D%C3%BCsseldorf
Bombenexplosion in Düsseldorf: Der
Wehrhahn-Anschlag und die Folgen
Exklusive Einblicke in die Perspektiven von Opfern, Helfern und
Ermittlern
https://reportage.wdr.de/wehrhahn-anschlag#12474
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