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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

10.01.2018

Über des Wesen des Faschismus und über seine mögliche Verhinderung

Ein immer noch aktueller Vortrag von Reinhard Opitz nach 46 Jahren  wieder vorgelegt

Dr. Reinhard Opitz (1934-1986) war ein herausragender Forscher, der wesentliches zur Antifaschismusdiskussion der 68er beitrug. Den folgenden Vortrag hielt er 1971 bei der VVN. Entstehung des Faschismus und seine Überwindung gehörten zu den Themen, die ebenso wie das Klassenwesen der NS-Bewegung und Restauration sowie Formierung der Rechtskräfte von Opitz analysiert wurden. In einer Zeit, da in der CSU eine „Konservative Revolution“ gefordert wird, um das Rad der Geschichte bis in die 50er, ja in die 20er Jahre zurückzudrehen, sind die Ausführungen von Reinhard Opitz von brennender Aktualität. Hier der Wortlaut:

Reinhard Opitz*: Wie bekämpft man den Faschismus? Thesen über antifaschistische Politik

Antifaschistische Politik darf ihre zentrale Aufgabe nicht erst in der Bekämpfung eines bereits etablierten Faschismus sehen, sondern muß sich zum Ziel setzen, die Etablierung des Faschismus zu verhindern. Da der Faschismus nicht über Nacht aus dem Nichts kommt, bedeutet Verhinderung des Faschismus hier und heute die Bekämpfung und Blockierung jedweder Entwicklungen zum Faschismus.

Die Beantwortung der Frage: Wie bekämpft man den Faschismus am wirksamsten?, erfordert möglichst umfangreiche und abgesicherte Erkenntnisse über Entstehung und Wesen des Faschismus. Man muß die Gefahr erkannt haben, um sie wirksam bekämpfen zu können. Deshalb ist es notwendig, hier noch einmal — zusammengerafft — die wichtigsten Erkenntnisse über die Faschismusentstehung zu referieren.

I. Wesen des Faschismus

Wesensmerkmale des Faschismus sind — in der zusammenfassenden und nach wie vor gültigen Definition Dimitroffs — „die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“.

Faschismus bedeutet Ablösung der bürgerlich-formaldemokratischen Staatsform durch ein Gewalt- und Willkürregime zur terroristischen Durchsetzung der innen- und außenpolitischen Interessen und Ziele der führenden Kreise des Monopolkapitals; bedeutet insbesondere die Unterdrückung und Zerschlagung jeglicher Opposition, vor allem der Arbeiterbewegung, bis hin zur physischen Vernichtung ihrer Kader.

Faschismus als etabliertes Herrschaftssystem — so wurde in den „Thesen über den Faschismusbegriff“ zusammengefaßt[1] — ist eine — und zwar die gewalttätigste — Form der politischen Herrschaft des Monopolkapitals, die dann aktuell wird, wenn die bisherigen Herrschaftsmechanismen für das Monopolkapital versagen oder zu versagen drohen.

Faschismus als Instrument zur terroristischen Durchsetzung der innen- und außenpolitischen Ziele des Monopolkapitals bedeutet, daß die faschistische Herrschaftsform hauptursächlich nicht (bzw. nicht nur) eine Re-aktion auf das Versagen bisheriger Herrschaftsformen, sondern primär eine Aktion des Monopolkapitals ist. Mit dem Faschismus setzt das Monopolkapital seine Interessen und Ziele am „reinsten“ durch, während es bei formaldemokratisch verfaßten Herrschaftsformen ständig unter dem Druck steht, Zugeständnisse und Abstriche machen zu müssen.

II. Hauptformen des Faschismus

Im allgemeinen haben wir es mit zwei Haupterscheinungsformen des Faschismus zu tun: Erstens mit dem auf eine politische Massenbewegung gestützten Faschismus, der seine Diktatur mittels einer faschistischen Bewegung errichtet, und zweitens mit dem sich auf einen Militärapparat stützenden Faschismus, der sich der Armee oder Polizei des eigenen Landes (oder einer verbündeten imperialistischen Macht) bedient.

Vorbeugende, das heißt, rechtzeitig wirksam werdende Faschismusbekämpfung muß die Möglichkeiten beider Formen im Blick haben. Sie muß die Mechanismen erkennen, aufgrund derer die monopolkapitalistische Gesellschaft die eine wie die andere Form des Faschismus aus sich hervorbringt. Sie muß die unterschiedlichen Bedingungen, aus denen sich die Verschiedenartigkeiten beider Formen erklären, und zugleich die Einheitlichkeit ihrer Ursachen erkennen, um zu einer realistischen Gegenstrategie zu kommen.

Die unterschiedlichen Erscheinungsformen resultieren nicht etwa aus unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungsetappen, so wie der Faschismus insgesamt nicht die politische Erscheinung nur einer bestimmten Phase der monopolkapitalistischen Ökonomie ist. Nicht Rezession oder offene Krise „verursachen“ den Faschismus. Seit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz in den Monopolkapitalismus kann der Faschismus in der einen oder anderen Form vielmehr in allen Entwicklungsstufen auftreten. Der Monopolkapitalismus ist lediglich die allgemeine Grundbedingung des Faschismus, ohne die er nicht möglich wäre, weil keine andere gesellschaftliche Kraft an einem faschistischen Regime objektiv interessiert ist.[2]

Die konkreten Formen, in denen sich der Faschismus realisiert und damit seine konkreten Realisationsmöglichkeiten überhaupt, ergeben sich aus der konkreten politischen Kräftekonstellation des jeweiligen Landes. Das heißt, wesentlich bestimmend sowohl für Entstehung oder Nichtentstehung als auch für die konkreten Erscheinungsformen des Faschismus sind Ausmaß und Wirkung des zu politischen Fronten oder Blöcken zusammengefaßten politischen Bewußtseins der verschiedenen Kräfte der Gesellschaft und die Kräfteverteilung zwischen ihnen; konkret: die Stärke oder Schwäche der demokratischen Kräfte.

Die gesellschaftlichen Klassen definieren sich durch ihre objektive Stellung im Produktionsprozeß. Das quantitative Verhältnis der Klassen zueinander verändert sich dementsprechend nur im Zuge und aufgrund der objektiven ökonomischen Entwicklung. Politische Parteien und Bewegungen hingegen sind Zusammenfassungen des politischen Bewußtseins. Dieses wiederum ist ein der ständigen Beeinflussung ausgesetzter und dadurch veränderbarer Faktor, der sich bei gleicher Stellung im Produktionsprozeß (trotz der von dieser Stellung ausgehenden primären Einflüsse) unterschiedlich entwickeln kann.

Politisches Bewußtsein läßt sich also in unterschiedliche Richtungen bewegen, so daß auch die quantitative Verteilung der politischen Kräfte veränderbar ist. Dies geschieht durch Einflußnahme auf das subjektive Bewußtsein mittels vielfältiger — ökonomischer, politischer und ideologischer — Hebel.

III. Das monopolkapitalistische Integrationsproblem

Für das Monopolkapital ist. die Veränderbarkeit des subjektiven Bewußtseins von außerordentlicher Bedeutung. Das kapitalistische Herrschafts- und Profitsystem läßt sich unbehindert nur aufrechterhalten, solange die Mehrheit der Bevölkerung sich ausbeuten läßt und die von der kapitalistischen Klasse über sie errichtete politische Herrschaft duldet. Vor diesem Problem der Herrschaftssicherung stand schon die liberale kapitalistische Gesellschaft. Vor allem durch zwei historische Entwicklungen hat das Problem der Herrschaftssicherung für den Monopolkapitalismus jedoch zusätzliche Zuspitzungen erfahren.

Die erste dieser objektiven Entwicklungen ist die mit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Monopolkapitalismus immer stärker hervortretende vergesellschaftende Wirkung des Kapitals. Die Eigengesetzlichkeit des Monopolkapitalismus bewirkt eine immer engere Verflechtung von monopolistischer Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, und erfordert in zunehmendem Maße deren funktionelles Ineinandergreifen auf der Basis des monopolkapitalistischen Gesamtinteresses. Im Zuge der zunehmenden Herausbildung staatsmonopolistischer Herrschafts- und Regulierungsformen kommt es immer mehr zur faktischen Überhebung der dem Monopolkapital zuverlässig ergebenen (weil direkt oder indirekt von ihm abhängigen) Exekutiven über die nicht in gleicher Geschlossenheit zuverlässigen (weil „Außeneinflüssen“ ausgesetzten) Parlamente. Der Besitz an Informationen, „Sachwissen“ und „Übersicht“, über den die Ministerialbürokratie verfügt, macht deren Vormachtstellung gegenüber den von diesem Besitz weitgehend abgeschnittenen Parlamentariern deutlich.

Der von den Produktivkräften erzwungene, rein formal- organisatorische Fortschritt auf die Einheit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hin, führt in der monopolkapitalistischen Gesellschaft notwendig zur fortschreitenden Aussperrung der nicht- und antimonopolistischen Kräfte[3] aus den staatlichen Entscheidungsinstanzen, zur Herausbildung einer ausschließlich am objektiven Interesse des Monopolkapitals orientierten, in ihrem Inhalt von ihm normierten staatlichen Politik. Der Staatsapparat tritt stärker und umfassender denn je als Herrschaftsinstrument der ökonomisch Mächtigsten in Erscheinung. Gleichzeitig ist der notwendigerweise breit gefächerte Staats- und Verwaltungsapparat — anders als die hierarchischen Kommandozentralen der Konzerne und Monopole — vielfältigen „Außeneinflüssen“ ausgesetzt. Dies führt wiederum zu weiteren Reibungsverlusten und neuen Widersprüchen.

Die zweite historische Entwicklung besteht darin, daß — gleichzeitig mit dem Beginn dieser, den Staat in die monopolkapitalistische Ökonomie als eigenen Faktor einbeziehenden Entwicklung — die quantitativ gewachsene und zu einer politischen Kraft gewordene Arbeiterklasse die Ausdehnung des anfangs nur auf vermögende Schichten beschränkten Wahlrechts auf alle — d. h die Einführung des allgemeinen Wahlrechts — erzwingt. Damit bietet sich der Arbeiterklasse als Majorität im Verein mit anderen nichtkapitalistischen Schichten die Möglichkeit, das Majoritätsprinzip der bürgerlichen Demokratie, das ursprünglich als Instrument zur Entscheidungsfindung innerhalb der besitzenden Schichten konzipiert war, für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Zumindest potentiell besteht dadurch für das Großkapital als zahlenmäßig extrem kleine Minderheit jederzeit die Gefahr, von der Majorität überstimmt zu werden.

Seitdem lautet das innenpolitische Grundproblem für den Monopolkapitalismus: Wie gelingt es, daß eine ausschließlich an den objektiven Klasseninteressen der monopolkapitalistischen Minderheit orientierte Politik, die immer größere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens regulieren muß, die subjektive Zustimmung der zur Wahl zugelassenen nichtmonopolistischen Majorität findet und somit im Rahmen eines formaldemokratischen Herrschaftssystems durchgeführt werden kann?

Die gängige Antwort besteht in dem Versuch, eben unter Ausnutzung der Veränderbarkeit des subjektiven Bewußtseins sich aller zur Verfügung stehenden Hebel zu bedienen, um das subjektive Bewußtsein der nichtmonopolistischen Schichten so weitgehend wie nur möglich von der Einsicht in ihre objektiven Interessen abzuziehen, mit dem Ziel, ihnen die dem Monopolkapital dienende jeweilige Politik als Ausdruck ihres eigenen Interesses erscheinen zu lassen. Dabei kommt dem Monopolkapital zustatten, daß schon die gesellschaftliche Wirklichkeit selbst das Bewußtsein verfälscht: Die kapitalistische Wirklichkeit fördert zuallererst kapitalistisches Denken.

Die Mittel der Überführung des Bewußtseins der nichtmonopolistischen Schichten in einen Zustand, in dem diesen die monopolkapitalistische Politik als eine den eigenen Interessen entsprechende erscheint und sie ihr in einem scheinbar freiwilligen- Wahlakt ihre Zustimmung geben, sind keineswegs nur ideologische Mittel. Es sind einmal die unmittelbaren Gegebenheiten der Klassengesellschaft und ihrer objektiven Strukturen selbst, zum anderen die bewußt zum Zwecke der Bewußtseinsbeeinflussung eingesetzten ökonomischem Mittel und die sich auf die gesellschaftliche Stellung und den Lebensstandard des einzelnen auswirkenden administrativen sozialen Sanktionen. Zu einem erheblichen Teil sind es aber auch rein ideologische Instrumente. Einen der wichtigsten Wege zur Überführung der (dem monopolkapitalistischen Interesse entgegenstehenden) Formationen des politischen Bewußtseins, der Parteien und Verbänden also, auf den Boden der monopolkapitalistischen Politik ist deren allmähliche, zunächst oft unmerkliche Einbeziehung in die praktische Gefolgschaft für diese Politik über die Führungsspitzen solcher Parteien und Verbände. Hier sind es überwiegend ideologische Hebel, die mindestens in bezug auf das Gros der Mitgliedschaft diese Integration einleiten und stabilisieren. Die dabei wirksam werdenden Integrations- und Formierungshebel sind der Chauvinismus, der Antikommunismus, die Partnerschaftsideologie, die individualistische, gegen die Klassensolidarität gerichtete Aufstiegs- und Erwerbsideologie und ähnliches mehr. Sie alle bezwecken die Veränderung des Bewußtseins in Richtung auf Solidarisierung mit zumindest einem oder mehreren Aspekten der monopolkapitalistischen Interessenpolitik. Ausgehend davon, erfolgt eine Anpassung auch an die übrigen Aspekte dieser Politik.

Diese Integration gelingt allerdings nie vollständig, und sie gelingt in den einzelnen Ländern nur in sehr verschiedenem Umfang und auch in Richtung auf die einzelnen gesellschaftlichen und politischen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß. Sie muß aber auch gar nicht vollständig gelingen, um ihren Zweck zu erfüllen. Es genügt, wenn sie so weit gelingt, daß die monopolkapitalistische Politik in der Form, in der sie dem Monopolkapital wünschenswert erscheint, die formale Legitimation durch die Mehrheit erhält, wie immer die Parteien auch heißen mögen, die sich ihren Inhalt zu eigen gemacht haben und sie durchführen — oder von der Oppositionsbank her stützen.

Dabei gibt es verschiedene Integrationsmodelle. Die Verschiedenheit wird bestimmt durch die Unterschiedlichkeit der Integrationshebel und durch den unterschiedlichen Grad der Integration, das heißt davon, welche Schichten sie erreicht und welche nicht. Daraus resultieren wiederum unterschiedliche politische Strukturen der einzelnen monopolkapitalistischen Staaten. Sie können von einer sozialstaatlich-sozialliberal gefärbten parlamentarischen Demokratie über die verschiedensten rechtsliberal bis konservativ getönten Schattierungen hinweg bis zu autoritären Kabinetts- und Präsidialregimen, wenn nicht gar bis zu bestimmten Formen der Militärdiktatur reichen.[4] Was aber geschieht, wenn die Herrschaftssicherung durch Integration nicht gelingt?

Angesichts des veränderten (und sich weiter verändernden) internationalen Kräfteverhältnisses wird deutlich, daß die „Notwendigkeit“ der monopolkapitalistischen Integration auf einem höchst explosiven Hintergrund gelöst sein will. Denn dazu gehört beispielsweise auch die Organisierung von Massenzustimmung zu imperialistischen Kriegen.

In der Realität erweisen sich etwaige Vorstellungen von einer vollständigen und auf Dauer verläßlichen Integration aller nichtmonopolistischen Schichten sehr schnell als Illusion. Die Eigendynamik des Monopolkapitalismus mit seinen immer stärker auftretenden Widersprüchen führt zur fortwährenden Labilität und Gefährdung des zeitweilig erreichten Integrationsgrades. Prinzipiell ist überall und jederzeit die Möglichkeit gegeben, daß der subjektive Reflex, den die dynamische Widersprüchlichkeit des Monopolkapitalismus in den Massen auslöst, der manipulativen Kontrolle entgleitet und in eine Situation führt, in der die nichtmonopolistischen Schichten in ihrer Mehrheit der monopolkapitalistischen Politik die Legitimation und damit die Gefolgschaft versagen.

Es gibt vor allem zwei voneinander verschiedene Möglichkeiten des Dahinschwindens der monopolkapitalistisch bestimmten Mehrheitsbasis. Die eine ist die, daß die permanente und in einer bestimmten Situation besonders zunehmende Verletzung der Interessen der nichtmonopolistischen Mehrheit diese zur Annäherung an ihre objektiven Interessen führt. Mit der Schließung dieser Schere werden sie sich in zunehmendem Maße ihrer antimonopolistischen Interessen bewußt. In diesem Fall richtet sich ihre Haltung, möglicherweise sogar schon ihre politische Aktivität gegen das Monopolkapital und seine politischen Vertreter. (In der Regel erfordert eine solche Entwicklung jedoch einige Vorbedingungen, auf die noch eingegangen werden soll, weil sie für eine antifaschistische Politik bestimmend sind.)

Die andere Möglichkeit hingegen ist die, daß das subjektive Bewußtsein dieser Schichten, trotz heftig empfundenen Unbehagens bis Protestes über die gegebene Wirklichkeit und die eigene Lage, in den Verstrickungen der monopolkapitalistischen Propaganda gefangen bleibt. Dann drängt dieser Unmut — dem objektive Interessenverletzungen zugrunde liegen, deren Ursachen aber wegen der Befangenheit in der monopolkapitalistischen Ideologie nicht durchschaut werden — zu einer aggressiven Wendung gegen diejenigen, die die monopolkapitalistische Ideologie täglich als „die Feinde der Nation“, als die Hauptschuldigen an allen Mißständen hingestellt hat: „die Intellektuellen“, „die Linken“, „die Roten“, „die Kommunisten“, „die Russen“ usw.

Diejenigen, auf die dann Protest und Angriff der Unzufriedenen gelenkt werden, sind außerhalb der Grenzen der jeweilige äußere „Hauptfeind“ und im Innern des Landes stets die demokratischen Kräfte (die dadurch als demokratisch definiert sind, daß sie die objektiven Interessen der nichtmonopolistischen Mehrheit zum Ausdruck bringen). Da nun aber der monopolkapitalistische Staat den Kampf gegen diese demokratischen Kräfte bereits permanent führt und sich auch mit seinen äußeren Gegnern ohnehin ständig auseinandersetzt, kann sich der Wunsch der in Unruhe geratenen nichtmonopolistischen Schichten nach radikaler Veränderung nur im Drängen nach noch schärferem Vorgehen gegen diese — ihnen von der imperialistischen Politik vorgegaukelten — inneren und äußeren „Feinde“ zum Ausdruck bringen. Das heißt, an die Stelle bloßer Behinderung der progressiven Kräfte und der diplomatischen und ökonomischen Bekämpfung des äußeren „Feindes“ tritt der Ruf nach totaler Vernichtung und Zerstörung. In der Zuspitzung heißt das offener Terror und Krieg zur Durchsetzung aggressiver Ziele des Monopolkapitals, die fälschlicherweise als — in Wirklichkeit herbeimanipulierter und fremdbestimmter — „Willen“ von Volksmassen dargestellt werden.

Unbehagen und Protest schlagen so aufgrund des monopolkapitalistisch verfälschten Bewußtseins in faschistische Mentalität um. Auf diese Weise werden faschistische Massenbewegungen erzeugt.

IV. Entstehung der Hauptformen des Faschismus

Wenn die traditionellen monopolkapitalistischen Parteien keine Mehrheitsbasis mehr finden und die formal-demokratische Integrationsmechanismen versagen, nimmt das Monopolkapital — vorausgesetzt, es wird von der militantesten und aggressivsten Fraktion beherrscht, der sich im „Gesamtinteresse“ auch die anderen Kapitalsfraktionen unterordnen — Kurs auf den Übergang in den Faschismus, um seine Ziele zu erreichen.

In welcher Form es diesen Übergang vollzieht — und ob es ihm überhaupt gelingt, ihn zu vollziehen —, hängt nunmehr davon ab, in welchem Grade und Verhältnis sich die nichtmonopolistischen Schichten zu demokratischen Potentialen einerseits und zu faschistischen „Oppositions“-Potentialen andererseits formiert haben.

Einige unterschiedliche Möglichkeiten seien hier als „Modellbeispiele“ angeführt:

Möglichkeit A: Demokratisches und faschistisches Potential sind annähernd gleich stark, umfassen also etwa gleich große Teile der nichtmonopolistischen Schichten. In diesem Fall versucht das Monopolkapital, das faschistische Potential zur terroristischen Unterdrückung bis Vernichtung des demokratischen Potentials zu benutzen. Bei annähernd gleich starken Kräften ist der Ausgang des Kampfes theoretisch zwar offen, es muß aber einkalkuliert werden, daß in der Regel staatliche Machtmittel zugunsten der Rechtskräfte eingesetzt werden.

Dasselbe gilt noch stärker für den Fall eines von vornherein kleineren und unterlegenen demokratischen Potentials. Denn die Errichtung einer faschistischen Diktatur ist in keinem Fall an die Voraussetzung einer stark entwickelten und mit der effektiven Machtübernahme „drohenden“ sozialistischen Bewegung geknüpft. Faschismus wird nicht von einer sozialistischen Bewegung, sondern von der inneren Widersprüchlichkeit des Monopolkapitalismus und deren Folgen provoziert.

In der faschistischen Partei oder Bewegung besitzt das Monopolkapital fortan eine neue Massenlegitimation und sein neues politisches Instrument, denn die faschistische Bewegung ist konstitutionell und prinzipiell unfähig, eine andere als monopolistische Politik zu betreiben. Dies resultiert vor allem daraus, daß es zum Monopolkapitalismus keine andere Alternative als die des Sozialismus gibt.

Jeder Versuch etwa zur Realisierung eines mittelständisch orientierten Ständestaates würde dazu führen, daß der industrielle Produktionsapparat hinter sein schon erreichtes Niveau zurückfällt. Da faschistische Parteien und Bewegungen aber gerade auf imperialistische Machtsteigerung fixiert sind, also auf keinen Fall eine De-Industrialisierung gebrauchen können, und ihr konstitutioneller Antisozialismus sie an jeder sozialistischen Lösung hindert, bleiben sie mangels einer Alternative zum monopolkapitalistischen Wirtschaftssystem auch zwangsläufig den ökonomisch herrschenden Kräften untergeordnet. Ihre Politik wird nach der Machtergreifung ausschließlich von deren Interessen normiert. Daraus folgt gesetzmäßig die Liquidierung jener Kräfte in der faschistischen Bewegung, die bis zur Machtergreifung an die trügerische Möglichkeit eines „antimonopolistischen“ Faschismus geglaubt haben.

Möglichkeit B: Die faschistische Bewegung ist schwach, die demokratische und sozialistische hingegen stark entwickelt. In diesem Fall ist eine Zerschlagung des demokratischen Potentials mit Hilfe einer faschistischen Massenbewegung nicht möglich. Dem Monopolkapital steht dazu nur noch der militärische und polizeiliche Machtapparat zur Verfügung. Es wird also versuchen, eine faschistische Diktatur auf militärischer Basis zu errichten.

Möglichkeit C: Die demokratische und sozialistische Bewegung ist so übermächtig entwickelt und hat bereits so starken Anhang und Einfluß in allen Gruppen und Einrichtungen der Gesellschaft (bis hinein in die Armee), daß auch die Errichtung einer faschistischen Militärdiktatur nahezu unmöglich wird. In diesem Fall muß sich das Monopolkapital — wenn imperialistische „Hilfe“ von außen ausbleibt — gezwungenermaßen auf den Weg fortschreitender politischer Kompromisse an die demokratischen Kräfte und somit auf den Weg fortschreitender Demokratisierung der Gesellschaft begeben.

V. Antifaschistische Strategie

Aus den hier aufgezeigten Möglichkeitsformen der Faschismus- Entstehung ergeben sich bereits die wichtigsten Schlußfolgerungen für Strategie und Praxis des antifaschistischen Kampfes.

Die Strategie der Faschismusverhinderung muß sowohl von der Gefahr einer faschistischen Massenbewegung als auch von der einer faschistischen Militärdiktatur ausgehen. Der antifaschistische Kampf muß also unter einem doppelten strategischen Ziel geführt werden: einmal der Entstehung faschistischer Massenmentalität entgegenzuwirken und damit dem Monopolkapital die Möglichkeit der Errichtung des Faschismus auf Massenbasis zu nehmen, zum anderen gleichzeitig den Weg zur Errichtung einer faschistischen Militärdiktatur abzuschneiden.

Die Verhinderung des Heranwachsens faschistischer Massenpotentiale muß zunächst von der Einsicht in die Natur dieser Potentiale ausgehen und dieser Einsicht entsprechend angelegt sein.

Wenn sich aus den nichtmonopolistischen Schichten faschistische Massenbewegungen rekrutieren, dann geschieht dies — wie eingangs beschrieben — vor allem wegen des verfälschten Interessenbewußtseins, das in bestimmten Situationen in faschistische Mentalität umgemünzt werden kann. Die wichtigste Sperre gegen das Aufkommen und Anwachsen faschistischer Massenbewegungen liegt deshalb in der Objektivierung des Interessenbewußtseins der nichtmonopolistischen Schichten, damit diese soweit als irgendmöglich zu einem bewußt demokratischen Potential herangebildet und damit dem Rekrutierungsreservoir des Faschismus entzogen werden. Das heißt, antifaschistische Aufklärung und Politik muß dazu beitragen, daß die nichtmonopolistischen Schichten ihre objektiven Interessen erkennen und sich dementsprechend — d. h. ablehnend gegenüber Monopolkapital und Faschismus — verhalten.

Es gibt kaum eine nichtmonopolistische Gruppierung, die von vornherein gegen Anfälligkeit für den Faschismus gefeit und daher für ihn uninteressant wäre. Es gibt somit auch keine, um deren Bewußtsein zu kämpfen sich die Antifaschisten aus irgendwelchen Gründen ersparen könnten.

Gerade diejenigen Schichten und Gruppen, bei denen ein Umschlagen ihres falschen Bewußtseins in faschistische Mentalität am ehesten zu befürchten ist, dürfen am wenigsten als Adressat der antifaschistischen Arbeit vernachlässigt werden. Ihnen muß besonders eindringlich und unermüdlich an konkreten Beispielen und Erfahrungen die Unvereinbarkeit des Faschismus mit ihren eigenen Interessen nachgewiesen werden. Dazu gehört sowohl die Vermittlung der Erfahrungen mit dem bereits stattgefundenen Faschismus (der Periode von 1933 bis 1945) als auch die enthüllende Darstellung der tatsächlichen faschistischen Praktiken und Ziele, die sich hinter sozial- und nationaldemagogischen Parolen verbergen.

Wer etwa nur die organisierte Arbeiterbewegung oder gar nur diejenigen, die bereits sozialistisches Bewußtsein besitzen, für allein ansprechbar hält und ausschließlich sie einer antifaschistischen Bündnisfront zuzuführen sucht, verkennt die strategische Aufgabe des antifaschistischen Kampfes. Sie besteht vor allem darin, gerade die faschismusanfälligen Bevölkerungsteile aus ihrem gefährlich weit verfälschten Bewußtseinszustand, der sie faschismusanfällig macht, herauszuführen.

Gerade weil in solchen Schichten das verfälschte Bewußtsein besonders tief verankert ist, wäre es ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, diese faschismusanfälligen Schichten etwa durch sozialistische Zielsetzungen zu antifaschistischer Abwehrbereitschaft bringen zu wollen. Ihr verfälschtes Bewußtsein ist ja gerade von völliger Verständnislosigkeit oder sogar Feindschaft gegenüber sozialistischen Formen und Zielen gekennzeichnet.

Die notwendige rechtzeitige Verhinderung des Faschismus läßt den Antifaschisten nicht die Zeit, solange zu warten, bis diese Schichten in einem langen Lernprozeß die Gesamtheit ihrer objektiven Interessen vollständig erkannt haben. Eine Strategie, die von den Menschen den dritten und vierten Schritt vor dem ersten und zweiten verlangt, wäre angesichts der noch nicht existenten und noch nicht gesicherten antifaschistischen Front höchst gefährlich.

Um dem Monopolkapital den Übergang in den Faschismus auf dem Wege der Massenbewegung unmöglich zu machen, bedarf es — als erstem Schritt — der Vermittlung der Einsicht möglichst großer Teile der nichtmonopolistischen Schichten in die absolute Unvereinbarkeit der faschistischen Diktatur mit ihren eigenen Interessen, damit diese Schichten bereit sind, einen solchen Übergang mit allen Mitteln zu verhindern.

Die Einsicht in die Unvereinbarkeit des Faschismus mit den eigenen Interessen stellt den ersten Schritt des Prozesses der politischen Bewußtwerdung dar. Sie leitet ihn ein, lange bevor der Monopolkapitalismus selbst zum Gegenstand kritischen Nachdenkens wird. Der Weg, auf dem sich verfälschtes Bewußtsein in objektives Interessenbewußtsein umwandelt, ist notwendigerweise ein langwieriger, aus vielen Schritten bestehender Prozeß. Er ist nicht mit einem einzigen Sprung zurückzulegen. Eine solche sprunghafte Entwicklung kann allenfalls in außergewöhnlichen Situationen eintreten. Wegen der Unwägbarkeit und der Gefahr des Umschlagens in entgegengesetzte Richtung aber kann die Erwartung eines solchen „Sprunges“ nicht zur Grundlage einer antifaschistischen Strategie gemacht werden. Nur die allgemein antifaschistische Sammlungsplattform macht eine optimale antifaschistische Abwehrfront aller nichtmonopolistischen Schichten möglich. Der antifaschistische Kampf muß daher auf dieses Ziel einer die Mehrheit der Bevölkerung umfassenden antifaschistischen Front gerichtet sein. Daraus ergibt sich, daß seine Sammlungsplattform nicht sozialistisch sein kann, sondern allgemein antifaschistisch bestimmt sein muß.

Die Konfrontation mit den vorhandenen faschistischen Tendenzen führt die nichtmonopolistischen Schichten in praktische Auseinandersetzungen mit dem Monopolkapital. Und nur, indem sie in diese konkreten Auseinandersetzungen eintreten und dabei ihre eigenen Erfahrungen machen und neue Einsichten gewinnen, kann sich ihr politisches Bewußtsein weiterentwickeln. Dagegen würde eine sozialistische Sammlungsplattform von vornherein nur eine Minderheit der nichtmonopolistischen Schichten zu einer antifaschistischen Kampffront vereinen. Die noch in antisozialistischen Vorstellungen befangenen Teile der nichtmonopolistischen Schichten würden mit Sicherheit von der Teilnahme an diesem Kampf abgehalten, wenn nicht sogar dem Faschismus in die Arme getrieben werden.

In einer krisenhaft zugespitzten Situation, in der die bis dahin nicht für den Sozialismus gewonnene Mehrheit der nichtmonopolistischen Schichten zwar die als unerträglich empfundenen Verhältnisse ändern möchte, aber den Weg ins Unbekannte einer neuen Gesellschaftsordnung scheut und unter dem Eindruck der monopolkapitalistischen Propaganda nach wie vor geradezu panische Angst vor dem Sozialismus empfindet, wird sie sich — wenn ihr die antifaschistische Linke als Alternative ausschließlich den Sozialismus anbietet — eher denen zuwenden, die ihr auf dem Boden der bekannten Ordnung ein Regime „der starken Hand“ zwecks angeblicher Beseitigung aller unmittelbar drückenden Mißstände versprechen.

Es ist in einer derartigen Situation — und nicht minder vorher, in einer Phase relativer politischer und wirtschaftlicher Stabilität — schon schwer genug, der Mehrheit verständlich und einsehbar zu machen, daß und weshalb alle von rechts kommenden Parolen und Versprechungen prinzipiell betrügerisch sind und daß diese stets nur Köder sind, mit denen die Mehrheit in einen Zustand gelockt werden soll, in dem sie schutzlos der rücksichtslosen Verletzung aller ihrer Interessen unterworfen ist.

Den nichtsozialistischen und auch den zunächst sogar noch aktiv antisozialistisch eingestellten nichtmonopolistischen Bevölkerungsteilen — gegen ihre antisozialistischen und antikommunistischen Ressentiments — die Notwendigkeit des Zusammengehens mit Sozialisten als das Grundfordernis wirksamer Faschismusverhinderung begreiflich zu machen, weil es einen wirksamen Schutz gegen den Faschismus nur im gemeinsamen Kampf der nichtsozialistischen und der sozialistischen Kräfte gegen jedwede faschistische Regung gibt, stellt die eigentliche Schwierigkeit und damit eine Kernaufgabe der antifaschistischen Arbeit dar.

Diese Aufgabe läßt sich nicht dadurch lösen, daß man diejenigen Schichten, die dem Sozialismus mit Vorbehalten oder mit Ablehnung gegenüberstehen und die sich auch für den einen oder anderen Wesenszug der kapitalistischen Ordnung aktiv engagieren, wortgewaltig als „faschistisch“ oder „profaschistisch“ beschimpft.

Diese Schichten lassen sich nur dadurch für ein antifaschistisches Bündnis gewinnen, daß man ihnen unermüdlich den Widerspruch zwischen ihren eigenen nächstliegenden Interessen und den tatsächlichen Ambitionen eines faschistischen Regimes nachweist, bis ihnen die Identität ihrer Interessen mit den Interessen der Sozialisten an der Verhinderung des Faschismus einsichtig wird.

Man löst diese Aufgabe auch nicht dadurch, daß man den qualitativen Unterschied zwischen der noch gegebenen nichtfaschistischen und einer faschistischen Ordnung leugnet oder unterschlägt. Der gravierende Unterschied zwischen einer bürgerlich-demokratisch verfaßten und einer faschistischen Herrschaftsform des Monopolkapitals braucht nach den konkreten Erfahrungen mit dem Hitlerregime wohl nicht noch eingehender begründet zu werden.

Die sozialistische und kommunistische Bewegung hat bitterstes Lehrgeld dafür bezahlen müssen, daß sie in der seinerzeit entscheidenden geschichtlichen Phase eine Zeitlang den oben beschriebenen Versuchungen erlegen war. Da sich auch heute wieder ein großer Teil solcher kurzschlüssigen Neigungen in verschiedenen Strömungen innerhalb der Linken bemerkbar macht, sei hier das Studium jenes Diskussions- und Lernprozesses empfohlen, den die seinerzeit in der Kommunistischen Internationale zusammengeschlossenen Parteien auf ihrem VII. Weltkongreß zum Abschluß brachten.[5]

Die eingehende Beschäftigung mit den Bedingungen und Mechanismen der Entwicklung des subjektiven Bewußtseins der nichtmonopolistischen Schichten bestätigt die damals vom VII. Weltkongreß der KI zum erstenmal programmatisch formulierte Einsicht, daß man den drohenden Faschismus nicht mit der Gegenlosung der sozialistischen Revolution, sondern nur mit einer die Mehrheit der nichtmonopolistischen Schichten umfassenden — und auch die Widersprüche im Monopolkapital selbst ausnutzenden und damit die aggressivsten Kreise isolierenden — antifaschistischen Einheitsfront verhindern kann.[6]

Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für denjenigen Teil der gesellschaftlichen Kräfte, dessen politisches Bewußtsein am weitesten voranentwickelt, also schon so weit objektiviert ist, daß er nicht nur den Faschismus als Gefahr, sondern bereits den Monopolkapitalismus als dessen Quelle und Ursache erkannt hat. Dadurch, daß sein Bewußtsein am weitesten entwickelt und seine Einsicht in die Zusammenhänge folglich am gründlichsten ist, fällt ihm im antifaschistischen Kampf meistens die Initiative und in gewissem Umfang eine führende Rolle zu.

Wenn Kommunisten und Sozialisten überall in der Welt zum motorischen Kern der antifaschistischen Bewegungen gehören, dann ist dies objektiv dadurch bedingt, daß das Proletariat die gesellschaftliche Hauptkraft im Kampf gegen den Kapitalismus ist und demzufolge die politisch bewußtesten — in sozialistischen Parteien organisierten — Teile des Proletariats auch die konsequentesten Gegner des Faschismus sind. Es hat dies also nichts mit einem subjektiven Führungsanspruch zu tun.

Doch der natürliche führende Anteil der Sozialisten an den antifaschistischen Bewegungen darf diese niemals dazu verleiten, das eigene sozialistische Bewußtsein irrtümlich als allgemein verbreitet anzusehen und es zur Sammlungsplattform des antifaschistischen Kampfes erheben zu wollen.

VI. Entwicklung demokratischer Gegenmacht

Die Erkenntnisse und Schlußfolgerungen für die Verhinderung faschistischer Massenbewegungen gelten im Kern auch für die Verhinderung eines faschistischen Putsches.

Grundsätzlich gibt es gegen die Gefahr einer vom Monopolkapital errichteten faschistischen Militärdiktatur keinen anderen Schutz als den, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, daß die bewußt demokratischen Kräfte in der Gesamtgesellschaft einen nicht zu überwindenden Machtfaktor darstellen. Das setzt voraus, daß sie in den entscheidenden Machtzentren, von denen aus ein solcher Staatsstreich ins Werk gesetzt und vollzogen werden kann, bereits stark genug vertreten sind, um ihn unmöglich zu machen. Die dazu erforderliche unmittelbare Anwesenheit in den innersten Machtzentren des monopolkapitalistischen Staates — also in Wirtschaft, Armee, Regierung und Verwaltung — und deren Beeinflussung sind im Prinzip die einzige Garantie gegen die Möglichkeit einer mittels des Militär-  und Machtapparates errichteten faschistischen Diktatur.

Dabei gilt im Grundsatz dasselbe wie bei der Herstellung eines antifaschistischen Bewußtseins in möglichst allen Schichten der Bevölkerung. Der Kampf um das Eindringen in die Machtzentren des formaldemokratisch verfaßten Staates und seiner Wirtschaft — geführt unter dem Ziel der Demokratisierung — setzt, wenn dieser Kampf wirksam, also als Massenkampf geführt werden soll, ebenfalls ein weitverbreitetes antimonopolistisches Bewußtsein voraus.

Wenn wir davon ausgehen, daß es aus naheliegenden Gründen immer am schwersten ist, die Armeeführung aus der Loyalität zur herrschenden Klasse zu lösen beziehungsweise den demokratischen Kräften führende Positionen in der Armee zu erobern, so bleiben — obwohl es wichtig ist, auch in der Armee für demokratische Strukturen und demokratisches Bewußtsein zu kämpfen — in der Hauptsache zwei große Machtzentren übrig, in die „einzudringen“ die vordringliche Aufgabe der antifaschistischen Kräfte ist: die monopolkapitalistische Wirtschaft, in der die Unternehmermacht durch gewerkschaftliche Gegenmacht eingedämmt und gebrochen werden muß, und die Organe des monopolkapitalistischen Staates, in dem die Macht der monopolkapitalistischen Parteien durch die Macht der progressiven Kräfte eingedämmt und gebrochen werden muß.

Das eine ist am ehesten erreichbar durch den Kampf für weitestgehende Mitbestimmung in der Wirtschaft, das andere durch offensive Auseinandersetzung mit den monopolkapitalistisch beherrschten Parteien und ihrer Politik, also durch den Kampf um die öffentliche Meinung, um die Wähler und damit um die politische Macht.

Das heißt — zusammengenommen — nichts anderes, als daß der antifaschistische Kampf mit dem allgemeinen Kampf der demokratischen Kräfte um die Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals zusammenfließt.

Unter diesem Gesichtspunkt wird übrigens auch deutlich, daß es politischer Unfug ist, den Kampf um die Mitbestimmung als „reformistisch“ oder „systemstabilisierend“ abzutun und den heutigen Zustand der Gewerkschaften so zu beklagen, daß daraus eine antigewerkschaftliche Position entsteht.

Natürlich würde selbst der größte formelle Einbruch der Gewerkschaften in die Entscheidungsgremien des Großkapitals auch im antifaschistischen Sinne wenig nützen, wenn die Gewerkschaften ihre neugewonnenen Machtpositionen letztlich nur als „Ordnungsfaktor“ im Sinne des Großkapitals gebrauchen würden. Auf der anderen Seite aber ist die heutige formelle Größe und relative Geschlossenheit der Gewerkschaften eine unerläßliche äußere Voraussetzung für die Möglichkeit eines solchen Machteinbruchs. Deshalb kann es nicht um eine Schwächung oder gar Zerstörung des schon vorhandenen gewerkschaftlichen Machtkörpers gehen, sondern nur darum, daß sich in diesem Körper das erforderliche Interessenbewußtsein heranbildet, so daß aus der formalen Macht der Gewerkschaften eine bewußt antifaschistische und antimonopolistische Macht wird. An dieser Aufgabenstellung wird zugleich deutlich, daß bei der Verbindung von antifaschistischem und antimonopolistischem Kampf der antifaschistische Gesichtspunkt nicht etwa verschwindet; er erweist sich vielmehr als ein notwendiger eigener Aspekt des antimonopolistischen Kampfes.

Wer aus antifaschistischer Motivierung, also aus Gründen der Faschismusverhinderung, einen Machteinbruch der Gewerkschaften in die Wirtschaft fördert, der fördert zugleich die antimonopolistische Demokratisierung im allgemeinen. Und wer, etwa aus sozialpolitischen oder allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen, für die antimonopolistische Demokratisierung kämpft, der wirkt damit gleichzeitig der Faschismusgefahr entgegen. Dieses Wechselverhältnis gilt für alle Bereiche des antifaschistischen und des antimonopolistischen Kampfes.

Dafür sei als weiteres Beispiel der Kampf für internationale Entspannung, Friedenssicherung und Koexistenz genannt. Er hat sein primäres Motiv im subjektiven wie objektiven Interesse der nichtmonopolistischen Schichten am Frieden. Er ist zugleich ein antimonopolistischer Kampf, weil er sich bei konsequenter Durchführung praktisch gegen Rüstungs-, Militarisierungs- und imperialistische Ziele des Monopolkapitals richtet.

Mit dem Kampf gegen aggressive außenpolitische Konzeptionen des Monopolkapitals und für die Einbeziehung monopolkapitalistischer Staaten in Friedenssicherungs-Systeme wird der Spielraum für etwaige Spekulationen auf kriegerische Lösungen erheblich eingeengt. In dem Maße, in dem sich dadurch außenpolitische Situationen nicht mehr willkürlich zuspitzen und sich im Innern des Landes militaristische und kriegerische Stimmungen nicht mehr ohne weiteres erzeugen lassen, wird dem Monopolkapital auch der Übergang in faschistische Herrschaftsformen erschwert. Beide Gesichtspunkte widerspiegeln den objektiv antifaschistischen und antimonopolistischen Inhalt des Friedenskampfes. Beide Aspekte sind wiederum nicht zu trennen von dem Kampf um zunehmende politische Macht der demokratischen Kräfte auf allen Ebenen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, also vom Kampf um demokratischen Fortschritt, um den Weg zur Friedenssicherung zu stabilisieren.

Damit könnte nun die Frage gestellt werden: Wozu dann das ganze Reden von einem speziell antifaschistischen Kampf, wenn am Ende doch alles zusammenfließt? Weshalb die Unterscheidungen zwischen antifaschistischem, antimonopolistischem und sozialistischem — also grundsätzlich antikapitalistischem — Kampf, wenn der antifaschistische Kampf letztlich doch nur, wenn auch unter besonderem Aspekt, als antimonopolistischer Kampf und der sozialistische — unter Berücksichtigung der konkreten Situation — heute ebenfalls nur als antimonopolistischer Kampf geführt werden kann, wenn sich also doch alles schließlich auf ein und derselben aktuellen strategischen Linie trifft?

Eine solche Frage kommt jedoch nicht aus der Praxis, sondern aus kategorisierendem Denken. In der Praxis faltet sich das in der Sache Zusammengehörende und objektiv eine Einheit Bildende in seine verschiedenen Aspekte auseinander. Die einzelnen nichtmonopolistischen Schichten verfügen nicht über ein gleichmäßiges Bewußtsein von ihren objektiven Gesamtinteressen, weil es in der Praxis zahlreiche Abstufungen des subjektiven Bewußtseinszustandes gibt.

Wenn es anders wäre, dann wäre der Zusammenschluß und Zusammenhalt aller nichtmonopolistischen Schichten schon erreicht, das subjektive Bewußtsein würde den objektiven Interessen und Möglichkeiten entsprechen — und die faschistische Gefahr wäre bereits überwunden. Dahin müssen wir aber erst kommen. Das anzustrebende realistische (objektivierte) Interessenbewußtsein darf nicht mit dem derzeit gegebenen Ausgangsbewußtsein verwechselt werden.

Anmerkungen:

* Aufgrund des gleichnamigen Referats von Reinhard Opitz auf einer Tagung der Arbeitskreise Junger Antifaschisten zusammengestellt von P. C. Walther.

1) Siehe dazu: Reinhard Opitz: Thesen über den Faschismusbegriff in: Neofaschismus in der BRD. Antifaschistisches Arbeitsheft Nr. 1, Röderberg-Verlag Frankfurt a. M., 1971.

2) Der in monopolkapitalistisch noch unterentwickelte Länder „exportierte“ Faschismus steht dazu nicht im Widerspruch; seine Haupttriebkraft und Hauptstütze liegen bei den „Exporteuren“, also wiederum beim Monopolkapital, ohne die er nicht lebensfähig wäre, so wie etwa die Existenz der faschistischen Militärdiktatur in Griechenland ohne NATO und USA auf längere Dauer nicht möglich wäre.

3) Nichtmonopolistische Schichten und Mehrheit verstanden als die Gesamtheit der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz, der Bauern, Handwerker, Handels- und Kaufleute, der kulturell Tätigen, des sogenannten Mittelstandes bis hin zu nichtmonopolistischen Kapitalisten.

4) Die insgesamt möglichen monopolkapitalistischen Integrationsmodelle und die sich aus ihnen ergebenden Varianten der nichtfaschistischen Herrschaftsformen des Monopolkapitals sind längst noch nicht genügend untersucht und systematisiert worden.

5) s. Der VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt a. M., 1971.

6) An dieser Frage muß selbstverständlich theoretisch und praktisch weitergearbeitet werden. Sicher ist jedoch, daß der Kampf um die Verhinderung des Heranwachsens faschistischer Massenpotentiale nur erfolgreich geführt werden kann, wenn er dieser strategischen Grundlinie folgt.