10.01.2018
Über des Wesen des
Faschismus und über seine mögliche Verhinderung
Ein
immer noch aktueller Vortrag von Reinhard Opitz nach 46
Jahren wieder vorgelegt
Dr. Reinhard Opitz (1934-1986)
war ein herausragender Forscher, der wesentliches zur
Antifaschismusdiskussion der 68er beitrug. Den folgenden Vortrag hielt
er 1971 bei der VVN. Entstehung des Faschismus und seine
Überwindung gehörten zu den Themen, die ebenso wie
das Klassenwesen der NS-Bewegung und Restauration sowie Formierung der
Rechtskräfte von Opitz analysiert wurden. In einer Zeit, da in
der CSU eine „Konservative Revolution“ gefordert
wird, um das Rad der Geschichte bis in die 50er, ja in die 20er Jahre
zurückzudrehen, sind die Ausführungen von Reinhard
Opitz von brennender Aktualität. Hier der Wortlaut:
Reinhard
Opitz*: Wie bekämpft man den Faschismus? Thesen über
antifaschistische Politik
Antifaschistische Politik darf ihre zentrale
Aufgabe nicht erst in der Bekämpfung eines bereits etablierten
Faschismus sehen, sondern muß sich zum Ziel setzen, die
Etablierung des Faschismus zu verhindern. Da der Faschismus nicht
über Nacht aus dem Nichts kommt, bedeutet Verhinderung des
Faschismus hier und heute die Bekämpfung und Blockierung
jedweder Entwicklungen zum Faschismus.
Die Beantwortung der Frage: Wie bekämpft
man den Faschismus am wirksamsten?, erfordert möglichst
umfangreiche und abgesicherte Erkenntnisse über Entstehung und
Wesen des Faschismus. Man muß die Gefahr erkannt haben, um
sie wirksam bekämpfen zu können. Deshalb ist es
notwendig, hier noch einmal — zusammengerafft — die
wichtigsten Erkenntnisse über die Faschismusentstehung zu
referieren.
I. Wesen des Faschismus
Wesensmerkmale des Faschismus sind — in
der zusammenfassenden und nach wie vor gültigen Definition
Dimitroffs — „die offene terroristische Diktatur
der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten
imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“.
Faschismus bedeutet Ablösung der
bürgerlich-formaldemokratischen Staatsform durch ein Gewalt-
und Willkürregime zur terroristischen Durchsetzung der innen-
und außenpolitischen Interessen und Ziele der führenden Kreise
des Monopolkapitals; bedeutet insbesondere die Unterdrückung
und Zerschlagung jeglicher Opposition, vor allem der Arbeiterbewegung,
bis hin zur physischen Vernichtung ihrer Kader.
Faschismus als etabliertes Herrschaftssystem
— so wurde in den „Thesen über den
Faschismusbegriff“ zusammengefaßt[1] —
ist eine — und zwar die gewalttätigste —
Form der politischen Herrschaft des Monopolkapitals, die dann aktuell
wird, wenn die bisherigen Herrschaftsmechanismen für das
Monopolkapital versagen oder zu versagen drohen.
Faschismus als Instrument zur terroristischen
Durchsetzung der innen- und außenpolitischen Ziele des
Monopolkapitals bedeutet, daß die faschistische
Herrschaftsform hauptursächlich nicht (bzw. nicht nur) eine
Re-aktion auf das Versagen bisheriger Herrschaftsformen, sondern
primär eine Aktion des Monopolkapitals ist. Mit dem Faschismus
setzt das Monopolkapital seine Interessen und Ziele am
„reinsten“ durch, während es bei
formaldemokratisch verfaßten Herrschaftsformen
ständig unter dem Druck steht, Zugeständnisse und
Abstriche machen zu müssen.
II. Hauptformen des Faschismus
Im allgemeinen haben wir es mit zwei
Haupterscheinungsformen des Faschismus zu tun: Erstens mit dem auf eine
politische Massenbewegung gestützten Faschismus, der seine
Diktatur mittels einer faschistischen Bewegung errichtet, und zweitens
mit dem sich auf einen Militärapparat stützenden
Faschismus, der sich der Armee oder Polizei des eigenen Landes (oder
einer verbündeten imperialistischen Macht) bedient.
Vorbeugende, das heißt, rechtzeitig
wirksam werdende Faschismusbekämpfung muß die
Möglichkeiten beider Formen im Blick haben. Sie muß
die Mechanismen erkennen, aufgrund derer die monopolkapitalistische
Gesellschaft die eine wie die andere Form des Faschismus aus sich
hervorbringt. Sie muß die unterschiedlichen Bedingungen, aus
denen sich die Verschiedenartigkeiten beider Formen erklären,
und zugleich die Einheitlichkeit ihrer Ursachen erkennen, um zu einer
realistischen Gegenstrategie zu kommen.
Die unterschiedlichen Erscheinungsformen
resultieren nicht etwa aus unterschiedlichen ökonomischen
Entwicklungsetappen, so wie der Faschismus insgesamt nicht die
politische Erscheinung nur einer bestimmten Phase der
monopolkapitalistischen Ökonomie ist. Nicht Rezession oder
offene Krise „verursachen“ den Faschismus. Seit dem
Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz in den
Monopolkapitalismus kann der Faschismus in der einen oder anderen Form
vielmehr in allen Entwicklungsstufen auftreten. Der Monopolkapitalismus
ist lediglich die allgemeine Grundbedingung des Faschismus, ohne die er
nicht möglich wäre, weil keine andere
gesellschaftliche Kraft an einem faschistischen Regime objektiv
interessiert ist.[2]
Die konkreten Formen, in denen sich der Faschismus
realisiert und damit seine konkreten Realisationsmöglichkeiten
überhaupt, ergeben sich aus der konkreten politischen
Kräftekonstellation des jeweiligen Landes. Das
heißt, wesentlich bestimmend sowohl für Entstehung
oder Nichtentstehung als auch für die konkreten
Erscheinungsformen des Faschismus sind Ausmaß und Wirkung des
zu politischen Fronten oder Blöcken zusammengefaßten
politischen Bewußtseins der verschiedenen Kräfte der
Gesellschaft und die Kräfteverteilung zwischen ihnen; konkret:
die Stärke oder Schwäche der demokratischen
Kräfte.
Die gesellschaftlichen Klassen definieren sich
durch ihre objektive Stellung im Produktionsprozeß. Das
quantitative Verhältnis der Klassen zueinander
verändert sich dementsprechend nur im Zuge und aufgrund der
objektiven ökonomischen Entwicklung. Politische Parteien und
Bewegungen hingegen sind Zusammenfassungen des politischen
Bewußtseins. Dieses wiederum ist ein der ständigen
Beeinflussung ausgesetzter und dadurch veränderbarer Faktor,
der sich bei gleicher Stellung im Produktionsprozeß (trotz
der von dieser Stellung ausgehenden primären
Einflüsse) unterschiedlich entwickeln kann.
Politisches Bewußtsein
läßt sich also in unterschiedliche Richtungen
bewegen, so daß auch die quantitative Verteilung der
politischen Kräfte veränderbar ist. Dies geschieht
durch Einflußnahme auf das subjektive Bewußtsein
mittels vielfältiger — ökonomischer,
politischer und ideologischer — Hebel.
III. Das monopolkapitalistische Integrationsproblem
Für das Monopolkapital ist. die
Veränderbarkeit des subjektiven Bewußtseins von
außerordentlicher Bedeutung. Das kapitalistische Herrschafts-
und Profitsystem läßt sich unbehindert nur
aufrechterhalten, solange die Mehrheit der Bevölkerung sich
ausbeuten läßt und die von der kapitalistischen
Klasse über sie errichtete politische Herrschaft duldet. Vor
diesem Problem der Herrschaftssicherung stand schon die liberale
kapitalistische Gesellschaft. Vor allem durch zwei historische
Entwicklungen hat das Problem der Herrschaftssicherung für den
Monopolkapitalismus jedoch zusätzliche Zuspitzungen erfahren.
Die erste dieser objektiven Entwicklungen ist die
mit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz zum
Monopolkapitalismus immer stärker hervortretende
vergesellschaftende Wirkung des Kapitals. Die Eigengesetzlichkeit des
Monopolkapitalismus bewirkt eine immer engere Verflechtung von
monopolistischer Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, und erfordert in
zunehmendem Maße deren funktionelles Ineinandergreifen auf
der Basis des monopolkapitalistischen Gesamtinteresses. Im Zuge der
zunehmenden Herausbildung staatsmonopolistischer Herrschafts- und
Regulierungsformen kommt es immer mehr zur faktischen
Überhebung der dem Monopolkapital zuverlässig
ergebenen (weil direkt oder indirekt von ihm abhängigen)
Exekutiven über die nicht in gleicher Geschlossenheit
zuverlässigen (weil
„Außeneinflüssen“ ausgesetzten)
Parlamente. Der Besitz an Informationen,
„Sachwissen“ und
„Übersicht“, über den die
Ministerialbürokratie verfügt, macht deren
Vormachtstellung gegenüber den von diesem Besitz weitgehend
abgeschnittenen Parlamentariern deutlich.
Der von den Produktivkräften erzwungene,
rein formal- organisatorische Fortschritt auf die Einheit von Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft hin, führt in der
monopolkapitalistischen Gesellschaft notwendig zur fortschreitenden
Aussperrung der nicht- und antimonopolistischen Kräfte[3] aus
den staatlichen Entscheidungsinstanzen, zur Herausbildung einer
ausschließlich am objektiven Interesse des Monopolkapitals
orientierten, in ihrem Inhalt von ihm normierten staatlichen Politik.
Der Staatsapparat tritt stärker und umfassender denn je als
Herrschaftsinstrument der ökonomisch Mächtigsten in
Erscheinung. Gleichzeitig ist der notwendigerweise breit
gefächerte Staats- und Verwaltungsapparat — anders
als die hierarchischen Kommandozentralen der Konzerne und Monopole
— vielfältigen
„Außeneinflüssen“ ausgesetzt.
Dies führt wiederum zu weiteren Reibungsverlusten und neuen
Widersprüchen.
Die zweite historische Entwicklung besteht darin,
daß — gleichzeitig mit dem Beginn dieser, den Staat
in die monopolkapitalistische Ökonomie als eigenen Faktor
einbeziehenden Entwicklung — die quantitativ gewachsene und
zu einer politischen Kraft gewordene Arbeiterklasse die Ausdehnung des
anfangs nur auf vermögende Schichten beschränkten
Wahlrechts auf alle — d. h die Einführung des
allgemeinen Wahlrechts — erzwingt. Damit bietet sich der
Arbeiterklasse als Majorität im Verein mit anderen
nichtkapitalistischen Schichten die Möglichkeit, das
Majoritätsprinzip der bürgerlichen Demokratie, das
ursprünglich als Instrument zur Entscheidungsfindung innerhalb
der besitzenden Schichten konzipiert war, für sich selbst in
Anspruch zu nehmen. Zumindest potentiell besteht dadurch für
das Großkapital als zahlenmäßig extrem
kleine Minderheit jederzeit die Gefahr, von der Majorität
überstimmt zu werden.
Seitdem lautet das innenpolitische Grundproblem
für den Monopolkapitalismus: Wie gelingt es, daß
eine ausschließlich an den objektiven Klasseninteressen der
monopolkapitalistischen Minderheit orientierte Politik, die immer
größere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens
regulieren muß, die subjektive Zustimmung der zur Wahl
zugelassenen nichtmonopolistischen Majorität findet und somit
im Rahmen eines formaldemokratischen Herrschaftssystems
durchgeführt werden kann?
Die gängige Antwort besteht in dem
Versuch, eben unter Ausnutzung der Veränderbarkeit des
subjektiven Bewußtseins sich aller zur Verfügung
stehenden Hebel zu bedienen, um das subjektive Bewußtsein der
nichtmonopolistischen Schichten so weitgehend wie nur möglich
von der Einsicht in ihre objektiven Interessen abzuziehen, mit dem
Ziel, ihnen die dem Monopolkapital dienende jeweilige Politik als
Ausdruck ihres eigenen Interesses erscheinen zu lassen. Dabei kommt dem
Monopolkapital zustatten, daß schon die gesellschaftliche
Wirklichkeit selbst das Bewußtsein verfälscht: Die
kapitalistische Wirklichkeit fördert zuallererst
kapitalistisches Denken.
Die Mittel der Überführung des
Bewußtseins der nichtmonopolistischen Schichten in einen
Zustand, in dem diesen die monopolkapitalistische Politik als eine den
eigenen Interessen entsprechende erscheint und sie ihr in einem
scheinbar freiwilligen- Wahlakt ihre Zustimmung geben, sind keineswegs
nur ideologische Mittel. Es sind einmal die unmittelbaren Gegebenheiten
der Klassengesellschaft und ihrer objektiven Strukturen selbst, zum
anderen die bewußt zum Zwecke der
Bewußtseinsbeeinflussung eingesetzten ökonomischem
Mittel und die sich auf die gesellschaftliche Stellung und den
Lebensstandard des einzelnen auswirkenden administrativen sozialen
Sanktionen. Zu einem erheblichen Teil sind es aber auch rein
ideologische Instrumente. Einen der wichtigsten Wege zur
Überführung der (dem monopolkapitalistischen
Interesse entgegenstehenden) Formationen des politischen
Bewußtseins, der Parteien und Verbänden also, auf
den Boden der monopolkapitalistischen Politik ist deren
allmähliche, zunächst oft unmerkliche Einbeziehung in
die praktische Gefolgschaft für diese Politik über
die Führungsspitzen solcher Parteien und Verbände.
Hier sind es überwiegend ideologische Hebel, die mindestens in
bezug auf das Gros der Mitgliedschaft diese Integration einleiten und
stabilisieren. Die dabei wirksam werdenden Integrations- und
Formierungshebel sind der Chauvinismus, der Antikommunismus, die
Partnerschaftsideologie, die individualistische, gegen die
Klassensolidarität gerichtete Aufstiegs- und Erwerbsideologie
und ähnliches mehr. Sie alle bezwecken die
Veränderung des Bewußtseins in Richtung auf
Solidarisierung mit zumindest einem oder mehreren Aspekten der
monopolkapitalistischen Interessenpolitik. Ausgehend davon, erfolgt
eine Anpassung auch an die übrigen Aspekte dieser Politik.
Diese Integration gelingt allerdings nie
vollständig, und sie gelingt in den einzelnen Ländern
nur in sehr verschiedenem Umfang und auch in Richtung auf die einzelnen
gesellschaftlichen und politischen Gruppen in unterschiedlichem
Ausmaß. Sie muß aber auch gar nicht
vollständig gelingen, um ihren Zweck zu erfüllen. Es
genügt, wenn sie so weit gelingt, daß die
monopolkapitalistische Politik in der Form, in der sie dem
Monopolkapital wünschenswert erscheint, die formale
Legitimation durch die Mehrheit erhält, wie immer die Parteien
auch heißen mögen, die sich ihren Inhalt zu eigen
gemacht haben und sie durchführen — oder von der
Oppositionsbank her stützen.
Dabei gibt es verschiedene Integrationsmodelle.
Die Verschiedenheit wird bestimmt durch die Unterschiedlichkeit der
Integrationshebel und durch den unterschiedlichen Grad der Integration,
das heißt davon, welche Schichten sie erreicht und welche
nicht. Daraus resultieren wiederum unterschiedliche politische
Strukturen der einzelnen monopolkapitalistischen Staaten. Sie
können von einer sozialstaatlich-sozialliberal
gefärbten parlamentarischen Demokratie über die
verschiedensten rechtsliberal bis konservativ getönten
Schattierungen hinweg bis zu autoritären Kabinetts- und
Präsidialregimen, wenn nicht gar bis zu bestimmten Formen der
Militärdiktatur reichen.[4] Was aber geschieht, wenn die
Herrschaftssicherung durch Integration nicht gelingt?
Angesichts des veränderten (und sich
weiter verändernden) internationalen
Kräfteverhältnisses wird deutlich, daß die
„Notwendigkeit“ der monopolkapitalistischen
Integration auf einem höchst explosiven Hintergrund
gelöst sein will. Denn dazu gehört beispielsweise
auch die Organisierung von Massenzustimmung zu imperialistischen
Kriegen.
In der Realität erweisen sich etwaige
Vorstellungen von einer vollständigen und auf Dauer
verläßlichen Integration aller nichtmonopolistischen
Schichten sehr schnell als Illusion. Die Eigendynamik des
Monopolkapitalismus mit seinen immer stärker auftretenden
Widersprüchen führt zur fortwährenden
Labilität und Gefährdung des zeitweilig erreichten
Integrationsgrades. Prinzipiell ist überall und jederzeit die
Möglichkeit gegeben, daß der subjektive Reflex, den
die dynamische Widersprüchlichkeit des Monopolkapitalismus in
den Massen auslöst, der manipulativen Kontrolle entgleitet und
in eine Situation führt, in der die nichtmonopolistischen
Schichten in ihrer Mehrheit der monopolkapitalistischen Politik die
Legitimation und damit die Gefolgschaft versagen.
Es gibt vor allem zwei voneinander verschiedene
Möglichkeiten des Dahinschwindens der monopolkapitalistisch
bestimmten Mehrheitsbasis. Die eine ist die, daß die
permanente und in einer bestimmten Situation besonders zunehmende
Verletzung der Interessen der nichtmonopolistischen Mehrheit diese zur
Annäherung an ihre objektiven Interessen führt. Mit
der Schließung dieser Schere werden sie sich in zunehmendem
Maße ihrer antimonopolistischen Interessen bewußt.
In diesem Fall richtet sich ihre Haltung, möglicherweise sogar
schon ihre politische Aktivität gegen das Monopolkapital und
seine politischen Vertreter. (In der Regel erfordert eine solche
Entwicklung jedoch einige Vorbedingungen, auf die noch eingegangen
werden soll, weil sie für eine antifaschistische Politik
bestimmend sind.)
Die andere Möglichkeit hingegen ist die,
daß das subjektive Bewußtsein dieser Schichten,
trotz heftig empfundenen Unbehagens bis Protestes über die
gegebene Wirklichkeit und die eigene Lage, in den Verstrickungen der
monopolkapitalistischen Propaganda gefangen bleibt. Dann
drängt dieser Unmut — dem objektive
Interessenverletzungen zugrunde liegen, deren Ursachen aber wegen der
Befangenheit in der monopolkapitalistischen Ideologie nicht durchschaut
werden — zu einer aggressiven Wendung gegen diejenigen, die
die monopolkapitalistische Ideologie täglich als
„die Feinde der Nation“, als die Hauptschuldigen an
allen Mißständen hingestellt hat: „die
Intellektuellen“, „die Linken“,
„die Roten“, „die Kommunisten“,
„die Russen“ usw.
Diejenigen, auf die dann Protest und Angriff der
Unzufriedenen gelenkt werden, sind außerhalb der Grenzen der
jeweilige äußere „Hauptfeind“
und im Innern des Landes stets die demokratischen Kräfte (die
dadurch als demokratisch definiert sind, daß sie die
objektiven Interessen der nichtmonopolistischen Mehrheit zum Ausdruck
bringen). Da nun aber der monopolkapitalistische Staat den Kampf gegen
diese demokratischen Kräfte bereits permanent führt
und sich auch mit seinen äußeren Gegnern ohnehin
ständig auseinandersetzt, kann sich der Wunsch der in Unruhe
geratenen nichtmonopolistischen Schichten nach radikaler
Veränderung nur im Drängen nach noch
schärferem Vorgehen gegen diese — ihnen von der
imperialistischen Politik vorgegaukelten — inneren und
äußeren „Feinde“ zum Ausdruck
bringen. Das heißt, an die Stelle bloßer
Behinderung der progressiven Kräfte und der diplomatischen und
ökonomischen Bekämpfung des
äußeren „Feindes“ tritt der Ruf
nach totaler Vernichtung und Zerstörung. In der Zuspitzung
heißt das offener Terror und Krieg zur Durchsetzung
aggressiver Ziele des Monopolkapitals, die fälschlicherweise
als — in Wirklichkeit herbeimanipulierter und fremdbestimmter
— „Willen“ von Volksmassen dargestellt
werden.
Unbehagen und Protest schlagen so aufgrund des
monopolkapitalistisch verfälschten Bewußtseins in
faschistische Mentalität um. Auf diese Weise werden
faschistische Massenbewegungen erzeugt.
IV. Entstehung der Hauptformen des Faschismus
Wenn die traditionellen monopolkapitalistischen
Parteien keine Mehrheitsbasis mehr finden und die formal-demokratische
Integrationsmechanismen versagen, nimmt das Monopolkapital —
vorausgesetzt, es wird von der militantesten und aggressivsten Fraktion
beherrscht, der sich im „Gesamtinteresse“ auch die
anderen Kapitalsfraktionen unterordnen — Kurs auf den
Übergang in den Faschismus, um seine Ziele zu erreichen.
In welcher Form es diesen Übergang
vollzieht — und ob es ihm überhaupt gelingt, ihn zu
vollziehen —, hängt nunmehr davon ab, in welchem
Grade und Verhältnis sich die nichtmonopolistischen Schichten
zu demokratischen Potentialen einerseits und zu faschistischen
„Oppositions“-Potentialen andererseits formiert
haben.
Einige unterschiedliche Möglichkeiten
seien hier als „Modellbeispiele“ angeführt:
Möglichkeit A: Demokratisches und
faschistisches Potential sind annähernd gleich stark, umfassen
also etwa gleich große Teile der nichtmonopolistischen
Schichten. In diesem Fall versucht das Monopolkapital, das
faschistische Potential zur terroristischen Unterdrückung bis
Vernichtung des demokratischen Potentials zu benutzen. Bei
annähernd gleich starken Kräften ist der Ausgang des
Kampfes theoretisch zwar offen, es muß aber einkalkuliert
werden, daß in der Regel staatliche Machtmittel zugunsten der
Rechtskräfte eingesetzt werden.
Dasselbe gilt noch stärker für
den Fall eines von vornherein kleineren und unterlegenen demokratischen
Potentials. Denn die Errichtung einer faschistischen Diktatur ist in
keinem Fall an die Voraussetzung einer stark entwickelten und mit der
effektiven Machtübernahme „drohenden“
sozialistischen Bewegung geknüpft. Faschismus wird nicht von
einer sozialistischen Bewegung, sondern von der inneren
Widersprüchlichkeit des Monopolkapitalismus und deren Folgen
provoziert.
In der faschistischen Partei oder Bewegung besitzt
das Monopolkapital fortan eine neue Massenlegitimation und sein neues
politisches Instrument, denn die faschistische Bewegung ist
konstitutionell und prinzipiell unfähig, eine andere als
monopolistische Politik zu betreiben. Dies resultiert vor allem daraus,
daß es zum Monopolkapitalismus keine andere Alternative als
die des Sozialismus gibt.
Jeder Versuch etwa zur Realisierung eines
mittelständisch orientierten Ständestaates
würde dazu führen, daß der industrielle
Produktionsapparat hinter sein schon erreichtes Niveau
zurückfällt. Da faschistische Parteien und Bewegungen
aber gerade auf imperialistische Machtsteigerung fixiert sind, also auf
keinen Fall eine De-Industrialisierung gebrauchen können, und
ihr konstitutioneller Antisozialismus sie an jeder sozialistischen
Lösung hindert, bleiben sie mangels einer Alternative zum
monopolkapitalistischen Wirtschaftssystem auch zwangsläufig
den ökonomisch herrschenden Kräften untergeordnet.
Ihre Politik wird nach der Machtergreifung ausschließlich von
deren Interessen normiert. Daraus folgt gesetzmäßig
die Liquidierung jener Kräfte in der faschistischen Bewegung,
die bis zur Machtergreifung an die trügerische
Möglichkeit eines „antimonopolistischen“
Faschismus geglaubt haben.
Möglichkeit B: Die faschistische Bewegung
ist schwach, die demokratische und sozialistische hingegen stark
entwickelt. In diesem Fall ist eine Zerschlagung des demokratischen
Potentials mit Hilfe einer faschistischen Massenbewegung nicht
möglich. Dem Monopolkapital steht dazu nur noch der
militärische und polizeiliche Machtapparat zur
Verfügung. Es wird also versuchen, eine faschistische Diktatur
auf militärischer Basis zu errichten.
Möglichkeit C: Die demokratische und
sozialistische Bewegung ist so übermächtig entwickelt
und hat bereits so starken Anhang und Einfluß in allen
Gruppen und Einrichtungen der Gesellschaft (bis hinein in die Armee),
daß auch die Errichtung einer faschistischen
Militärdiktatur nahezu unmöglich wird. In diesem Fall
muß sich das Monopolkapital — wenn imperialistische
„Hilfe“ von außen ausbleibt —
gezwungenermaßen auf den Weg fortschreitender politischer
Kompromisse an die demokratischen Kräfte und somit auf den Weg
fortschreitender Demokratisierung der Gesellschaft begeben.
V. Antifaschistische Strategie
Aus den hier aufgezeigten
Möglichkeitsformen der Faschismus- Entstehung ergeben sich
bereits die wichtigsten Schlußfolgerungen für
Strategie und Praxis des antifaschistischen Kampfes.
Die Strategie der Faschismusverhinderung
muß sowohl von der Gefahr einer faschistischen Massenbewegung
als auch von der einer faschistischen Militärdiktatur
ausgehen. Der antifaschistische Kampf muß also unter einem
doppelten strategischen Ziel geführt werden: einmal der
Entstehung faschistischer Massenmentalität entgegenzuwirken
und damit dem Monopolkapital die Möglichkeit der Errichtung
des Faschismus auf Massenbasis zu nehmen, zum anderen gleichzeitig den
Weg zur Errichtung einer faschistischen Militärdiktatur
abzuschneiden.
Die Verhinderung des Heranwachsens faschistischer
Massenpotentiale muß zunächst von der Einsicht in
die Natur dieser Potentiale ausgehen und dieser Einsicht entsprechend
angelegt sein.
Wenn sich aus den nichtmonopolistischen Schichten
faschistische Massenbewegungen rekrutieren, dann geschieht dies
— wie eingangs beschrieben — vor allem wegen des
verfälschten Interessenbewußtseins, das in
bestimmten Situationen in faschistische Mentalität
umgemünzt werden kann. Die wichtigste Sperre gegen das
Aufkommen und Anwachsen faschistischer Massenbewegungen liegt deshalb
in der Objektivierung des Interessenbewußtseins der
nichtmonopolistischen Schichten, damit diese soweit als
irgendmöglich zu einem bewußt demokratischen
Potential herangebildet und damit dem Rekrutierungsreservoir des
Faschismus entzogen werden. Das heißt, antifaschistische
Aufklärung und Politik muß dazu beitragen,
daß die nichtmonopolistischen Schichten ihre objektiven
Interessen erkennen und sich dementsprechend — d. h.
ablehnend gegenüber Monopolkapital und Faschismus —
verhalten.
Es gibt kaum eine nichtmonopolistische
Gruppierung, die von vornherein gegen Anfälligkeit
für den Faschismus gefeit und daher für ihn
uninteressant wäre. Es gibt somit auch keine, um deren
Bewußtsein zu kämpfen sich die Antifaschisten aus
irgendwelchen Gründen ersparen könnten.
Gerade diejenigen Schichten und Gruppen, bei denen
ein Umschlagen ihres falschen Bewußtseins in faschistische
Mentalität am ehesten zu befürchten ist,
dürfen am wenigsten als Adressat der antifaschistischen Arbeit
vernachlässigt werden. Ihnen muß besonders
eindringlich und unermüdlich an konkreten Beispielen und
Erfahrungen die Unvereinbarkeit des Faschismus mit ihren eigenen
Interessen nachgewiesen werden. Dazu gehört sowohl die
Vermittlung der Erfahrungen mit dem bereits stattgefundenen Faschismus
(der Periode von 1933 bis 1945) als auch die enthüllende
Darstellung der tatsächlichen faschistischen Praktiken und
Ziele, die sich hinter sozial- und nationaldemagogischen Parolen
verbergen.
Wer etwa nur die organisierte Arbeiterbewegung
oder gar nur diejenigen, die bereits sozialistisches
Bewußtsein besitzen, für allein ansprechbar
hält und ausschließlich sie einer antifaschistischen
Bündnisfront zuzuführen sucht, verkennt die
strategische Aufgabe des antifaschistischen Kampfes. Sie besteht vor
allem darin, gerade die faschismusanfälligen
Bevölkerungsteile aus ihrem gefährlich weit
verfälschten Bewußtseinszustand, der sie
faschismusanfällig macht, herauszuführen.
Gerade weil in solchen Schichten das
verfälschte Bewußtsein besonders tief verankert ist,
wäre es ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes
Unterfangen, diese faschismusanfälligen Schichten etwa durch
sozialistische Zielsetzungen zu antifaschistischer Abwehrbereitschaft
bringen zu wollen. Ihr verfälschtes Bewußtsein ist
ja gerade von völliger Verständnislosigkeit oder
sogar Feindschaft gegenüber sozialistischen Formen und Zielen
gekennzeichnet.
Die notwendige rechtzeitige Verhinderung des
Faschismus läßt den Antifaschisten nicht die Zeit,
solange zu warten, bis diese Schichten in einem langen
Lernprozeß die Gesamtheit ihrer objektiven Interessen
vollständig erkannt haben. Eine Strategie, die von den
Menschen den dritten und vierten Schritt vor dem ersten und zweiten
verlangt, wäre angesichts der noch nicht existenten und noch
nicht gesicherten antifaschistischen Front höchst
gefährlich.
Um dem Monopolkapital den Übergang in den
Faschismus auf dem Wege der Massenbewegung unmöglich zu
machen, bedarf es — als erstem Schritt — der
Vermittlung der Einsicht möglichst großer Teile der
nichtmonopolistischen Schichten in die absolute Unvereinbarkeit der
faschistischen Diktatur mit ihren eigenen Interessen, damit diese
Schichten bereit sind, einen solchen Übergang mit allen
Mitteln zu verhindern.
Die Einsicht in die Unvereinbarkeit des Faschismus
mit den eigenen Interessen stellt den ersten Schritt des Prozesses der
politischen Bewußtwerdung dar. Sie leitet ihn ein, lange
bevor der Monopolkapitalismus selbst zum Gegenstand kritischen
Nachdenkens wird. Der Weg, auf dem sich verfälschtes
Bewußtsein in objektives Interessenbewußtsein
umwandelt, ist notwendigerweise ein langwieriger, aus vielen Schritten
bestehender Prozeß. Er ist nicht mit einem einzigen Sprung
zurückzulegen. Eine solche sprunghafte Entwicklung kann
allenfalls in außergewöhnlichen Situationen
eintreten. Wegen der Unwägbarkeit und der Gefahr des
Umschlagens in entgegengesetzte Richtung aber kann die Erwartung eines
solchen „Sprunges“ nicht zur Grundlage einer
antifaschistischen Strategie gemacht werden. Nur die allgemein
antifaschistische Sammlungsplattform macht eine optimale
antifaschistische Abwehrfront aller nichtmonopolistischen Schichten
möglich. Der antifaschistische Kampf muß daher auf
dieses Ziel einer die Mehrheit der Bevölkerung umfassenden
antifaschistischen Front gerichtet sein. Daraus ergibt sich,
daß seine Sammlungsplattform nicht sozialistisch sein kann,
sondern allgemein antifaschistisch bestimmt sein muß.
Die Konfrontation mit den vorhandenen
faschistischen Tendenzen führt die nichtmonopolistischen
Schichten in praktische Auseinandersetzungen mit dem Monopolkapital.
Und nur, indem sie in diese konkreten Auseinandersetzungen eintreten
und dabei ihre eigenen Erfahrungen machen und neue Einsichten gewinnen,
kann sich ihr politisches Bewußtsein weiterentwickeln.
Dagegen würde eine sozialistische Sammlungsplattform von
vornherein nur eine Minderheit der nichtmonopolistischen Schichten zu
einer antifaschistischen Kampffront vereinen. Die noch in
antisozialistischen Vorstellungen befangenen Teile der
nichtmonopolistischen Schichten würden mit Sicherheit von der
Teilnahme an diesem Kampf abgehalten, wenn nicht sogar dem Faschismus
in die Arme getrieben werden.
In einer krisenhaft zugespitzten Situation, in der
die bis dahin nicht für den Sozialismus gewonnene Mehrheit der
nichtmonopolistischen Schichten zwar die als unerträglich
empfundenen Verhältnisse ändern möchte, aber
den Weg ins Unbekannte einer neuen Gesellschaftsordnung scheut und
unter dem Eindruck der monopolkapitalistischen Propaganda nach wie vor
geradezu panische Angst vor dem Sozialismus empfindet, wird sie sich
— wenn ihr die antifaschistische Linke als Alternative
ausschließlich den Sozialismus anbietet — eher
denen zuwenden, die ihr auf dem Boden der bekannten Ordnung ein Regime
„der starken Hand“ zwecks angeblicher Beseitigung
aller unmittelbar drückenden Mißstände
versprechen.
Es ist in einer derartigen Situation —
und nicht minder vorher, in einer Phase relativer politischer und
wirtschaftlicher Stabilität — schon schwer genug,
der Mehrheit verständlich und einsehbar zu machen,
daß und weshalb alle von rechts kommenden Parolen und
Versprechungen prinzipiell betrügerisch sind und daß
diese stets nur Köder sind, mit denen die Mehrheit in einen
Zustand gelockt werden soll, in dem sie schutzlos der
rücksichtslosen Verletzung aller ihrer Interessen unterworfen
ist.
Den nichtsozialistischen und auch den
zunächst sogar noch aktiv antisozialistisch eingestellten
nichtmonopolistischen Bevölkerungsteilen — gegen
ihre antisozialistischen und antikommunistischen Ressentiments
— die Notwendigkeit des Zusammengehens mit Sozialisten als
das Grundfordernis wirksamer Faschismusverhinderung begreiflich zu
machen, weil es einen wirksamen Schutz gegen den Faschismus nur im
gemeinsamen Kampf der nichtsozialistischen und der sozialistischen
Kräfte gegen jedwede faschistische Regung gibt, stellt die
eigentliche Schwierigkeit und damit eine Kernaufgabe der
antifaschistischen Arbeit dar.
Diese Aufgabe läßt sich nicht
dadurch lösen, daß man diejenigen Schichten, die dem
Sozialismus mit Vorbehalten oder mit Ablehnung gegenüberstehen
und die sich auch für den einen oder anderen Wesenszug der
kapitalistischen Ordnung aktiv engagieren, wortgewaltig als
„faschistisch“ oder
„profaschistisch“ beschimpft.
Diese Schichten lassen sich nur dadurch
für ein antifaschistisches Bündnis gewinnen,
daß man ihnen unermüdlich den Widerspruch zwischen
ihren eigenen nächstliegenden Interessen und den
tatsächlichen Ambitionen eines faschistischen Regimes
nachweist, bis ihnen die Identität ihrer Interessen mit den
Interessen der Sozialisten an der Verhinderung des Faschismus
einsichtig wird.
Man löst diese Aufgabe auch nicht
dadurch, daß man den qualitativen Unterschied zwischen der
noch gegebenen nichtfaschistischen und einer faschistischen Ordnung
leugnet oder unterschlägt. Der gravierende Unterschied
zwischen einer bürgerlich-demokratisch verfaßten und
einer faschistischen Herrschaftsform des Monopolkapitals braucht nach
den konkreten Erfahrungen mit dem Hitlerregime wohl nicht noch
eingehender begründet zu werden.
Die sozialistische und kommunistische Bewegung hat
bitterstes Lehrgeld dafür bezahlen müssen,
daß sie in der seinerzeit entscheidenden geschichtlichen
Phase eine Zeitlang den oben beschriebenen Versuchungen erlegen war. Da
sich auch heute wieder ein großer Teil solcher
kurzschlüssigen Neigungen in verschiedenen Strömungen
innerhalb der Linken bemerkbar macht, sei hier das Studium jenes
Diskussions- und Lernprozesses empfohlen, den die seinerzeit in der
Kommunistischen Internationale zusammengeschlossenen Parteien auf ihrem
VII. Weltkongreß zum Abschluß brachten.[5]
Die eingehende Beschäftigung mit den
Bedingungen und Mechanismen der Entwicklung des subjektiven
Bewußtseins der nichtmonopolistischen Schichten
bestätigt die damals vom VII. Weltkongreß der KI zum
erstenmal programmatisch formulierte Einsicht, daß man den
drohenden Faschismus nicht mit der Gegenlosung der sozialistischen
Revolution, sondern nur mit einer die Mehrheit der
nichtmonopolistischen Schichten umfassenden — und auch die
Widersprüche im Monopolkapital selbst ausnutzenden und damit
die aggressivsten Kreise isolierenden — antifaschistischen
Einheitsfront verhindern kann.[6]
Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung
für denjenigen Teil der gesellschaftlichen Kräfte,
dessen politisches Bewußtsein am weitesten voranentwickelt,
also schon so weit objektiviert ist, daß er nicht nur den
Faschismus als Gefahr, sondern bereits den Monopolkapitalismus als
dessen Quelle und Ursache erkannt hat. Dadurch, daß sein
Bewußtsein am weitesten entwickelt und seine Einsicht in die
Zusammenhänge folglich am gründlichsten ist,
fällt ihm im antifaschistischen Kampf meistens die Initiative
und in gewissem Umfang eine führende Rolle zu.
Wenn Kommunisten und Sozialisten überall
in der Welt zum motorischen Kern der antifaschistischen Bewegungen
gehören, dann ist dies objektiv dadurch bedingt, daß
das Proletariat die gesellschaftliche Hauptkraft im Kampf gegen den
Kapitalismus ist und demzufolge die politisch bewußtesten
— in sozialistischen Parteien organisierten — Teile
des Proletariats auch die konsequentesten Gegner des Faschismus sind.
Es hat dies also nichts mit einem subjektiven Führungsanspruch
zu tun.
Doch der natürliche führende
Anteil der Sozialisten an den antifaschistischen Bewegungen darf diese
niemals dazu verleiten, das eigene sozialistische Bewußtsein
irrtümlich als allgemein verbreitet anzusehen und es zur
Sammlungsplattform des antifaschistischen Kampfes erheben zu wollen.
VI. Entwicklung demokratischer Gegenmacht
Die Erkenntnisse und Schlußfolgerungen
für die Verhinderung faschistischer Massenbewegungen gelten im
Kern auch für die Verhinderung eines faschistischen Putsches.
Grundsätzlich gibt es gegen die Gefahr
einer vom Monopolkapital errichteten faschistischen
Militärdiktatur keinen anderen Schutz als den, mit allen
Mitteln dafür zu sorgen, daß die bewußt
demokratischen Kräfte in der Gesamtgesellschaft einen nicht zu
überwindenden Machtfaktor darstellen. Das setzt voraus,
daß sie in den entscheidenden Machtzentren, von denen aus ein
solcher Staatsstreich ins Werk gesetzt und vollzogen werden kann,
bereits stark genug vertreten sind, um ihn unmöglich zu
machen. Die dazu erforderliche unmittelbare Anwesenheit in den
innersten Machtzentren des monopolkapitalistischen Staates —
also in Wirtschaft, Armee, Regierung und Verwaltung — und
deren Beeinflussung sind im Prinzip die einzige Garantie gegen die
Möglichkeit einer mittels des Militär- und
Machtapparates errichteten faschistischen Diktatur.
Dabei gilt im Grundsatz dasselbe wie bei der
Herstellung eines antifaschistischen Bewußtseins in
möglichst allen Schichten der Bevölkerung. Der Kampf
um das Eindringen in die Machtzentren des formaldemokratisch
verfaßten Staates und seiner Wirtschaft —
geführt unter dem Ziel der Demokratisierung — setzt,
wenn dieser Kampf wirksam, also als Massenkampf geführt werden
soll, ebenfalls ein weitverbreitetes antimonopolistisches
Bewußtsein voraus.
Wenn wir davon ausgehen, daß es aus
naheliegenden Gründen immer am schwersten ist, die
Armeeführung aus der Loyalität zur herrschenden
Klasse zu lösen beziehungsweise den demokratischen
Kräften führende Positionen in der Armee zu erobern,
so bleiben — obwohl es wichtig ist, auch in der Armee
für demokratische Strukturen und demokratisches
Bewußtsein zu kämpfen — in der Hauptsache
zwei große Machtzentren übrig, in die
„einzudringen“ die vordringliche Aufgabe der
antifaschistischen Kräfte ist: die monopolkapitalistische
Wirtschaft, in der die Unternehmermacht durch gewerkschaftliche
Gegenmacht eingedämmt und gebrochen werden muß, und
die Organe des monopolkapitalistischen Staates, in dem die Macht der
monopolkapitalistischen Parteien durch die Macht der progressiven
Kräfte eingedämmt und gebrochen werden muß.
Das eine ist am ehesten erreichbar durch den Kampf
für weitestgehende Mitbestimmung in der Wirtschaft, das andere
durch offensive Auseinandersetzung mit den monopolkapitalistisch
beherrschten Parteien und ihrer Politik, also durch den Kampf um die
öffentliche Meinung, um die Wähler und damit um die
politische Macht.
Das heißt — zusammengenommen
— nichts anderes, als daß der antifaschistische
Kampf mit dem allgemeinen Kampf der demokratischen Kräfte um
die Zurückdrängung der Macht des Monopolkapitals
zusammenfließt.
Unter diesem Gesichtspunkt wird übrigens
auch deutlich, daß es politischer Unfug ist, den Kampf um die
Mitbestimmung als „reformistisch“ oder
„systemstabilisierend“ abzutun und den heutigen
Zustand der Gewerkschaften so zu beklagen, daß daraus eine
antigewerkschaftliche Position entsteht.
Natürlich würde selbst der
größte formelle Einbruch der Gewerkschaften in die
Entscheidungsgremien des Großkapitals auch im antifaschistischen Sinne wenig
nützen, wenn die Gewerkschaften ihre neugewonnenen
Machtpositionen letztlich nur als „Ordnungsfaktor“
im Sinne des Großkapitals gebrauchen würden. Auf der
anderen Seite aber ist die heutige formelle Größe
und relative Geschlossenheit der Gewerkschaften eine
unerläßliche äußere Voraussetzung
für die Möglichkeit eines solchen Machteinbruchs.
Deshalb kann es nicht um eine Schwächung oder gar
Zerstörung des schon vorhandenen gewerkschaftlichen
Machtkörpers gehen, sondern nur darum, daß sich in
diesem Körper das erforderliche Interessenbewußtsein
heranbildet, so daß aus der formalen Macht der Gewerkschaften
eine bewußt antifaschistische und antimonopolistische Macht
wird. An dieser Aufgabenstellung wird zugleich deutlich, daß
bei der Verbindung von antifaschistischem und antimonopolistischem
Kampf der antifaschistische Gesichtspunkt nicht etwa verschwindet; er
erweist sich vielmehr als ein notwendiger eigener Aspekt des
antimonopolistischen Kampfes.
Wer aus antifaschistischer Motivierung, also aus
Gründen der Faschismusverhinderung, einen Machteinbruch der
Gewerkschaften in die Wirtschaft fördert, der fördert
zugleich die antimonopolistische Demokratisierung im allgemeinen. Und
wer, etwa aus sozialpolitischen oder allgemeinen
Gerechtigkeitserwägungen, für die antimonopolistische
Demokratisierung kämpft, der wirkt damit gleichzeitig der
Faschismusgefahr entgegen. Dieses Wechselverhältnis gilt
für alle Bereiche des antifaschistischen und des
antimonopolistischen Kampfes.
Dafür sei als weiteres Beispiel der Kampf
für internationale Entspannung, Friedenssicherung und
Koexistenz genannt. Er hat sein primäres Motiv im subjektiven
wie objektiven Interesse der nichtmonopolistischen Schichten am
Frieden. Er ist zugleich ein antimonopolistischer Kampf, weil er sich
bei konsequenter Durchführung praktisch gegen
Rüstungs-, Militarisierungs- und imperialistische Ziele des
Monopolkapitals richtet.
Mit dem Kampf gegen aggressive
außenpolitische Konzeptionen des Monopolkapitals und
für die Einbeziehung monopolkapitalistischer Staaten in
Friedenssicherungs-Systeme wird der Spielraum für etwaige
Spekulationen auf kriegerische Lösungen erheblich eingeengt.
In dem Maße, in dem sich dadurch außenpolitische
Situationen nicht mehr willkürlich zuspitzen und sich im
Innern des Landes militaristische und kriegerische Stimmungen nicht mehr ohne weiteres erzeugen lassen, wird dem
Monopolkapital auch der Übergang in faschistische
Herrschaftsformen erschwert. Beide Gesichtspunkte widerspiegeln den
objektiv antifaschistischen und antimonopolistischen Inhalt des
Friedenskampfes. Beide Aspekte sind wiederum nicht zu trennen von dem
Kampf um zunehmende politische Macht der demokratischen Kräfte
auf allen Ebenen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, also vom Kampf
um demokratischen Fortschritt, um den Weg zur Friedenssicherung zu
stabilisieren.
Damit könnte nun die Frage gestellt
werden: Wozu dann das ganze Reden von einem speziell antifaschistischen
Kampf, wenn am Ende doch alles zusammenfließt? Weshalb die
Unterscheidungen zwischen antifaschistischem, antimonopolistischem und
sozialistischem — also grundsätzlich
antikapitalistischem — Kampf, wenn der antifaschistische
Kampf letztlich doch nur, wenn auch unter besonderem Aspekt, als
antimonopolistischer Kampf und der sozialistische — unter
Berücksichtigung der konkreten Situation — heute
ebenfalls nur als antimonopolistischer Kampf geführt werden
kann, wenn sich also doch alles schließlich auf ein und
derselben aktuellen strategischen Linie trifft?
Eine solche Frage kommt jedoch nicht aus der
Praxis, sondern aus kategorisierendem Denken. In der Praxis faltet sich
das in der Sache Zusammengehörende und objektiv eine Einheit
Bildende in seine verschiedenen Aspekte auseinander. Die einzelnen
nichtmonopolistischen Schichten verfügen nicht über
ein gleichmäßiges Bewußtsein von ihren
objektiven Gesamtinteressen, weil es in der Praxis zahlreiche
Abstufungen des subjektiven Bewußtseinszustandes gibt.
Wenn es anders wäre, dann wäre
der Zusammenschluß und Zusammenhalt aller
nichtmonopolistischen Schichten schon erreicht, das subjektive
Bewußtsein würde den objektiven Interessen und
Möglichkeiten entsprechen — und die faschistische
Gefahr wäre bereits überwunden. Dahin müssen
wir aber erst kommen. Das anzustrebende realistische (objektivierte)
Interessenbewußtsein darf nicht mit dem derzeit gegebenen
Ausgangsbewußtsein verwechselt werden.
Anmerkungen:
* Aufgrund des gleichnamigen Referats von Reinhard
Opitz auf einer Tagung der Arbeitskreise Junger Antifaschisten
zusammengestellt von P. C. Walther.
1) Siehe dazu: Reinhard Opitz: Thesen
über den Faschismusbegriff in: Neofaschismus in der BRD.
Antifaschistisches Arbeitsheft Nr. 1, Röderberg-Verlag
Frankfurt a. M., 1971.
2) Der in monopolkapitalistisch noch
unterentwickelte Länder „exportierte“
Faschismus steht dazu nicht im Widerspruch; seine Haupttriebkraft und
Hauptstütze liegen bei den „Exporteuren“,
also wiederum beim Monopolkapital, ohne die er nicht
lebensfähig wäre, so wie etwa die Existenz der
faschistischen Militärdiktatur in Griechenland ohne NATO und
USA auf längere Dauer nicht möglich wäre.
3) Nichtmonopolistische Schichten und Mehrheit
verstanden als die Gesamtheit der Arbeiter, Angestellten und Beamten,
der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz, der Bauern,
Handwerker, Handels- und Kaufleute, der kulturell Tätigen, des
sogenannten Mittelstandes bis hin zu nichtmonopolistischen Kapitalisten.
4) Die insgesamt möglichen
monopolkapitalistischen Integrationsmodelle und die sich aus ihnen
ergebenden Varianten der nichtfaschistischen Herrschaftsformen des
Monopolkapitals sind längst noch nicht genügend
untersucht und systematisiert worden.
5) s. Der VII. Weltkongreß der
Kommunistischen Internationale. Verlag Marxistische Blätter,
Frankfurt a. M., 1971.
6) An dieser Frage muß
selbstverständlich theoretisch und praktisch weitergearbeitet
werden. Sicher ist jedoch, daß der Kampf um die Verhinderung
des Heranwachsens faschistischer Massenpotentiale nur erfolgreich
geführt werden kann, wenn er dieser strategischen Grundlinie
folgt.
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