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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

29.12.2017

Die Mahnung Kurt Bachmanns beachten

Rede von Silvia Rölle auf der Bezirkskonferenz der DKP Ruhr-Westfalen am 18.11.2017 in Bottrop sowie auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der DKP Rheinland-Westfalen am 15. Dezember 2017 in Köln

Der Rechtsentwicklung muss entschieden Einhalt durch ein breites Bündnis geboten werden, erklärte die Landessprecherin der VVN-BdA NRW Silvia Rölle. Sie erinnerte an Kurt Bachmanns Mahnung. Der antifaschistischer Widerstandskämpfer und Gründungsvorsitzender der DKP sowie Gründungsmitglied der VVN formulierte schon 1969: „Gemeinsame Aktionen von Demokraten und Sozialisten sind notwendig und auch möglich im Kampf gegen den Neofaschismus und die weitere Rechtsentwicklung für die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Volksrechte.“ Silvia Rölle betonte: „Es muss eine breite und starke Bewegung entschieden gegen Sozialabbau, Aufrüstung und Rassismus entstehen. Die Gewerkschaften müssen sich wieder deutlicher als bisher für ihre Mitglieder Partei ergreifen und Position beziehen. Ich wünsche uns allen viel Kraft, Ausdauer und viele Ideen für den gemeinsamen Kampf gegen Rechts. Ich wünsche euch einen guten Verlauf eurer Bezirksdelegiertenkonferenz“.

Der Wortlaut der Rede von Silvia Rölle - es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten!

Ich bedanke mich im Namen der VVN - Landesverband NRW für die Einladung und für die Gelegenheit, hier sprechen zu dürfen. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich hier vor Antifaschistinnen und Antifaschisten stehe, die immer verlässlich gegen Faschismus, gegen Sozialabbau und Militarismus kämpfen. Ich danke euch dafür.

Wir die VVN – BdA sind ein überparteilicher Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.

Der Schwur von Buchenwald ist einer unserer wichtigsten Leitgedanken.

Der Schwur von Buchenwald, dass ist das Vermächtnis der 21.000 überlebende Gefangenen aus sechzehn Ländern. Menschen, die die Brutalität, die Unmenschlichkeit, die Todesmaschinerie, die Folterungen und systematische Auszehrung durch Arbeit bis zum Tod durch den Faschismus hautnah erlebt und erlitten hatten.

Ausgemergelt, kaum noch die Kraft zu stehen, ließen sie es sich nicht nehmen, nach der Selbstbefreiung des KZ ihrer ermordeten Kameraden zu gedenken.

Am 19. April 1945 hielten sie auf dem Appellplatz des Lagers Buchenwald eine Trauerkundgebung die zugleich eine machtvolle Demonstration gegen den Faschismus war ab. Ihren Widerstand gegen den Faschismus und ihre geistige Kraft konnten die Faschisten nicht brechen. Die Überlebenden boten dem Faschismus nochmals die Stirn, in dem sie auf dem grauenvollen Appellplatz des KZ Buchenwald – dem Ort wo sie täglich vor ihren Peinigern Aufstellung nehmen mussten und auch von ihren Peinigern misshandelt oder getötet wurden – an diesem grauenvollen Ort schworen sie, dass so eine Unmenschlichkeit nicht wieder geschehen darf. Sie schworen mit erhobenem Haupt mit aller Kraft den Faschismus zu bekämpfen. Sie schworen – ich zitiere:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Dass dieser Schwur der befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald bis heute aktuell bleiben würde, hat damals, im April 1945, niemand geahnt. Er ist unverändert gültiges Leitmotiv der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA).

Niemand konnte sich 1945 vorstellen, dass nach den Gräueltaten der Nazis und nach der Befreiung vom Faschismus dieser Schwur von den Inlandgeheimdiensten, zusammengeschlossen im Verfassungsschutzverbund, verunglimpft wird.

Die VVN-BdA wird im Zusammenhang mit dem Buchenwaldschwur vom Verfassungsschutzverbund auf die Liste der verfassungsfeindlichen Organisationen gesetzt. Damit werden die während der Naziherrschaft verfolgten Antifaschisten und die in ihrem Geist Handelnden wiederum verfolgt und Repressalien ausgesetzt.

Und dies von einem sogenannten Verfassungsschutz, über dessen unrühmliche Verwicklungen in die Verbrechen und Untaten des NSU (nationalsozialistischer Untergrund) immer wieder neue Erkenntnisse an die Oberfläche kommen.

Warum passiert das und warum in der jetzigen Zeit?

Für unseren Bundeskongress im April 2017 hatten wir das Motto „Deutsche Großmachtträume platzen lassen. Rechtsentwicklung stoppen. Menschenrechte verteidigen.“ gewählt.

Deutschland rüstet auf. Die Militärausgaben sollen auf 2% des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Unter dem Vorwand der sogenannten Terrorbekämpfung ist Deutschland in zig- Ländern der Welt militärisch aktiv. Seit 20 Jahren wird angeblich versucht, mit militärischen Mitteln sogenannte „failed States“(gefallene Staaten) zu stabilisieren und unsere Sicherheit zu verteidigen. Das hat am Hindukusch nicht funktioniert und auch nicht sonst irgendwo. Das Beispiel Libyen, Irak und Syrien, die Not und das Elend der Bevölkerung, die Fluchtwelle zeigen die Folgen. Dennoch werden neue Tarnkappen-Schiffe der Bundesmarine für teures Geld angeschafft. Schiffe mit geringem Tiefgang, die nah an jede Küstenlinie fahren können. Ausgerüstet mit Raketen, mit bis zu 250 Kilometer Reichweite. Vernetzt mit Drohnen und ausgefeilter Technik, die in sicherer Entfernung in Echtzeit auf Computerdisplays quasi mit dem unter dem Vorwand der sogenannten

Terrorbekämpfung Deutschland in zig- Ländern der Welt militärisch aktiv ist.

Dient dies wirklich der Sicherheit Deutschlands? Sind dies nicht auch Instrumente, um an jedem Ort der Welt das Geschehen beherrschen zu können? Sind dies nicht Instrumente einer offensiven Militärstrategie, die Kriegführen ermöglichen soll?

Diese Waffensysteme wurden angeschafft und ausgerichtet am Ziel der militärischen Eingreiffähigkeit.

Deutschlands wirtschaftliche und politische Dominanz in Europa, der enge politische und militärische Schulterschluss mit Frankreich (Stichwort Afrika), die gemeinsamen Verbände zum Beispiel mit den Niederlanden und Tschechien unter deutscher Führung (!) lassen ein bedrohliches Bild entstehen.

Geht es wirklich nur um Terrorbekämpfung?

In regierungsnahen Strategiepapieren wird schon länger über Sicherung von Handelswegen und Rohstoffen gesprochen. Krieg wird wieder zum kalkulierten Mittel der Politik.

Diese bittere Wahrheit verbirgt sich hinter den medialen Nebelwänden von angeblicher Terrorabwehr und Menschenrechtsförderung mit Waffengewalt.

Und hat Militarisierung nicht immer schon in der Geschichte auch eine innenpolitische Komponente?

Aufrüstung, Kriegsvorbereitung, das lehrt uns die Geschichte gerade Deutschlands, war immer verbunden mit Demokratieabbau und innerer Repression.

Als Antifaschistin, als Landessprecherin der VVN/BdA, einer Organisation, die von KZ-Häftlingen, von Widerstandskämpfern gegen die Nazibarbarei gegründet und geprägt wurde, bin ich alarmiert wenn ich erfahren muss, dass das Drohnennarsenal der Bundeswehr noch erweitert wird. Wenn ich Berichte lese, dass ein Ausbildungs- und Ausrüstungsschwerpunkt des Heeres Aufstandsbekämpfung, Stadtkampf, Ortskampf und Häuserkampf ist. Und wer sagt uns, dass diese militärische Fähigkeit nicht unter veränderten innenpolitischen Bedingungen auch im Inland eingesetzt werden könnte?

Die Hamburger Ereignisse rund um G20 im Sommer haben das gezeigt. Geschickt medial verpackt. Geholfen haben dabei sicherlich kriminelle Aktionen von Polithooligans, die es übrigens so oder ähnlich immer wieder auch bei Großevents wie z.B. Bundesligaspielen gibt. Weniger bekannt ist in der Öffentlichkeit, dass Gruppen aus der militanten rechten Szene in Hamburg aktiv mitgemischt haben. Das der ein oder andere Politprovokateur auf der Gehaltsliste des ein oder anderen staatlichen Dienstes stand, ist nach den Ereignissen rund um den NSU mehr als wahrscheinlich.

Davon abgesehen: Erschreckend war, und hier bin ich wieder beim Zusammenhang von Militarisierung und Demokratieabbau, wie der „tiefe Staat“ jenseits von demokratischer Kontrolle praktisch erprobt, was möglich ist:

Da wurden junge Gewerkschafter und Mitglieder der Falken aus dem Bus heraus verhaftet und stundenlang festgehalten. Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt, Journalisten kriminalisiert und von der Berichterstattung ausgeschlossen. Der Grund waren Einträge in einer geheimen Datensammlung des BKA mit hunderttausenden Einträgen. Einer Datei, von der die Öffentlichkeit erst jetzt erfahren hat. Mit völlig wahrheitswidrigen Beschuldigungen, wie erste Überprüfungen ergaben.

Die unbillige Härte der „Rechtsprechung“ über die Angeklagten G20- Gegner verfolgt erkennbar ein kalkuliertes Ziel: Freie Meinungsäußerung, Wahrnehmung des Demonstrationsrecht werden mit harten Strafen geahndet. So schafft man Angst und hält Menschen davon ab für ihre Rechte einzustehen.

Militarisierung nach außen, Abbau sozialer und demokratischer Rechte, gerade in Zeiten ökonomischer Krisen - dieser Zusammenhang ist keine ferne Geschichte.

Schauen wir in unser Nachbarland Frankreich. Das Frankreich, das im Tandem mit Deutschland eine enge militärische und politische Führungspartnerschaft im EU-Europa anstrebt. Als erstes konkretes Verhandlungsergebnis nach dem Wahlsieg von Macron verkündeten Frankreich und Deutschland den gemeinsamen Bau eines Kampfjets und den Verzicht der Besteuerung der Finanzindustrie.

Erinnern wir uns:

Es ist das Frankreich mit seinem enormen sozialen Sprengstoff in den Vorstädten in der Gestalt hunderttausender junger Menschen ohne jede Perspektive. Es sind die Kinder und Enkel derjenigen, die als billige Arbeitskräfte in den 50er und 60er Jahren aus Algerien und den ehemaligen französischen Kolonien ins Land kamen und die jetzt niemand mehr zu brauchen scheint.

Es ist das Frankreich, dass aktiv Krieg führt in Afrika, dass Libyen bombardiert hat, auf dessen Trümmern jetzt ein Regime von Warlords herrscht.

Es ist das Frankreich, in dem seit Monaten mit Notstandsgesetzen durchregiert wird und gewerkschaftliche und bürgerliche Rechte massiv eingeschränkt werden.

Auch hier war Terrorabwehr der angebliche Grund – gezielt wurde letztendlich und tatsächlich aber auf die Schwächung unter anderem der Gewerkschaften und die Einführung von Gesetzen, die soziale Besitzstände abbauen sollen, ähnliche Gesetze wie die HARTZ Gesetze bei uns in Deutschland. Erst jetzt wurde diese Einschränkung aufgehoben.

Warum erzähl ich das?

Wir wissen heute - ich zitiere den US-amerikanischen Hauptankläger, Brigadegeneral Taylor: dass ohne die Zusammenarbeit der deutschen Industrie und der Nazi-Partei hätten Hitler und seine Parteigenossen niemals die Macht in Deutschland ergreifen und festigen können, und das dritte Reich hätte nie gewagt, die Welt in einen Krieg zu stürzen“. Weiterhin zitiere ich unseren Bundessprecher der VVN Ulli Sander: Die in Deutschland praktizierte Demokratie sichert die Herrschaft der Reichen und Mächtigen auch wenn diese nicht die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Das große Geld entscheidet.“

Wer sind heute die Flicks, Stinnes und Konsorten? Es sind ThyssenKrupp; Heckler & Koch, Rheinmetall, MTU und viele andere mehr: Das sind die aktuellen Händler des Todes, die mit der Aufrüstung Millionen Profite machen

Die am 13.11.2017 von den EU-Mitgliedern unterzeichnete Kooperationsvereinbarung „Pesco“ sichert ihnen erhebliche Gewinne. Die EU-Militärkooperation PESCO beinhaltet vor allem eine deutliche Steigerung der nationalen Militärausgaben. Schon im NATO-Beschluss zur schrittweisen Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist das vorgesehen. PESCO ist ein weiterer Schritt in Richtung „Armee der Europäer", wie von der Leyen den Weg zu einer Europäischen Armee beschreibt.

Die deutsche Beteiligung daran beruht auf der gemeinsamen Vorlage der noch amtierenden Minister von der Leyen und Gabriel. Gabriel hatte bisher die Forderung nach Erhöhung der Rüstungsausgaben nach den NATO-Kriterien verbal abgelehnt. Mit der nun beschlossenen Militärkooperation wird die Aussage des Ministers Gabriel unglaubwürdig.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Sozialabbau auf der Seite der Armen und Rettung der Banken auf der anderen Seite. Die, die schon wenig haben dürfen den Reichen unter die Arme greifen. Gesetzesänderung zum Nachteil der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften – Stichwort: Tarifeinheitsgesetz. Wenn wundert es, dass die Gebeutelten auf scheinbare Heilsbringer mit leichten Lösungen (die Flüchtlinge sind schuld) hereinfallen und rechts wählen. Die Medien, de Maiziere und seine Mitstreiter beten gebetsmühlenartig herunter, dass viel zu lange nach rechts gesehen wurde, aber der Linksextremismus der Hauptfeind sei. Dieser Rechtsentwicklung muss entschieden Einhalt durch ein breites Bündnis geboten werden. Schon Kurt Bachmann (antifaschistischer Widerstandskämpfer und Gründungsvorsitzender der DKP wie Gründungsmitglied der VVN) formulierte 1969: „ Gemeinsame Aktionen von Demokraten und Sozialisten sind notwendig und auch möglich im Kampf gegen den Neofaschismus und die weitere Rechtsentwicklung für die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Volksrechte…“ und weiter „…es muss der ganze politische und gesellschaftliche Hintergrund sichtbar gemacht, vor allem die faschistischen Tendenzen und die Rechtsentwicklung in der Regierungspolitik und den etablierten Parteien selbst“.

Vor dieser Aufgabe stehen wir die VVN, die DKP, Demokraten, Sozialisten und Gewerkschaften. Von euch erwarten wir weiterhin klare Positionen gegen Sozialabbau, Krieg, Aufstockung der Militärausgaben und klare Abgrenzung gegen rechts.

Wir müssen es schaffen, die Menschen, die Angst vor sozialem Abstieg haben wieder zu erreichen und Alternativen zu den Rechten aufzuzeigen. Es muss eine breite und starke Bewegung entschieden gegen Sozialabbau, Aufrüstung und Rassismus entstehen. Die Gewerkschaften müssen sich wieder deutlicher als bisher für ihre Mitglieder Partei ergreifen und Position beziehen.

Ich wünsche uns allen viel Kraft, Ausdauer und viele Ideen für den gemeinsamen Kampf gegen Rechts.

Ich wünsche euch einen guten Verlauf eurer Bezirksdelegiertenkonferenz!

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.