02.11.2017
Die historischen Reden von
Clara Zetkin und Otto Wels 1932/1933
Antwort
auf die Hetze der AfD - Wie es sich mit der Alterspräsidentin
des Reichstages wirklich verhielt
Der AfD-Sprecher bei der jüngsten
konstituierenden Sitzung des Bundestages verlangte, dem ältesten
MdB, einem AfD-Abgeordneten, das Rederecht als Alterspräsident zu
übertragen. Der Bundestag hatte jedoch den Posten des
Alterspräsidenten zugunsten des an Dienstjahren ältesten
Abgeordneten abgeschafft. Der AfD-Redner empörte sich und
behauptete demagogisch, nur einmal, durch die Nazis, sei dem
ältesten Parlamentsmitglied das Rederecht genommen worden und zwar
im März 1933, als Clara Zetkin die Älteste war. In der Tat
hatte sie den vorvorletzten Reichstag, im Juli 1932 gewählt,
eröffnet. Am 30. August 1932 sprach Clara Zetkin (1857-1933),
Politikerin der SPD, später der KPD. Sie war die
Alterspräsidentin. Im November 1932 wurde erneut der Reichstag
gewählt. Er trat am 6. und 7. Dezember 1932 zusammen.
Alterspräsident war der Nazi Karl Litzmann.
Den im März 1933 zusammengetretenen,
nach einem brutalen und undemokratischen Wahlkampf gewählten
Reichstag eröffneten bekanntlich am 21. März 1933 Hindenburg
und Hitler sowie der reaktionäre Generalsuperintendent Otto
Dibelius in der Potsdamer Garnisonkirche. („Der Tag von
Potsdam“) Von der ersten „ordentlichen“ Sitzung am
23. März 1933 waren die Kommunisten, damit auch Clara Zetkin,
ausgeschlossen. Ihre Mandate hatten die Nazis annulliert, sie galten
als nicht gewählt, weil die Nazis sonst keine
verfassungsändernde Mehrheit bekommen hätten. Die
Vorläuferparteien aller heute - neben der SPD, den Grünen und
den Linken – dem Bundestag angehörenden Parteien, haben dem
vorgelegten Ermächtigungsgesetz zugestimmt.
Hermann Göring (NSDAP) eröffnete dann die
Sitzung und gab Hitler das Wort. Mit den Stimmen aller, außer
SPD, wurde das Ermächtigungsgesetz angenommen, das heißt die
Abschaffung der Demokratie und der Republik und die Errichtung der
faschistischen Diktatur.
Dass die AfD auf diese Sitzung anspielte, das ist
natürlich super geschmacklos. Dass man aber nirgends die wahre,
vollständige Geschichte erfuhr, das ist bedenklich. Sie sei hier
nachgetragen.
Clara Zetkin (KPD) hat am 30. August 1932 den Reichstag eröffnet und ausgeführt: „Das
Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den
Faschismus zurückzuwerfen, um damit den Versklavten und
Ausgebeuteten die Kraft und die Macht ihrer Organisationen zu erhalten,
ja sogar ihr physisches Leben. Vor dieser zwingenden geschichtlichen
Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen,
gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen
zurücktreten. Alle Bedrohten, alle Leidenden, alle
Befreiungssehnsüchtigen in die Einheitsfront gegen den Faschismus
und seine Beauftragten in der Regierung!“
Otto Wels (SPD) sprach auf der ersten Sitzung des am 5.
März 1933 gewählten Reichstages am 23. März 1933 und
trat als einziger Redner den Nazis entgegen. Er hat sich allerdings
nicht mit den verfolgten Kommunisten solidarisiert; zudem
unterstützte er den außenpolitischen Kurs Hitlers, so wie er
ihn damals kannte. Clara Zetkin und die anderen KPD-Abgeordneten waren
verhaftet, auf der Flucht oder untergetaucht. Clara Zetkin starb am 20.
Juni 1933 in Gorki bei Moskau/UdSSR.
Otto Wels sprach seine berühmten Worte: „Freiheit
und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Nach der Verfolgungen,
die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat,
wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können,
dass sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz
stimmt. … Wir grüßen die Verfolgten und
Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre
Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre
ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.“
Die beiden Reden:
Clara Zetkin: Rede als Alterspräsidentin bei der Eröffnung des Reichstags am 30. August 1932
Verhandlungen des Reichstages, VI. Wahlperiode, 1932, Bd. 454, S.1-3.
Meine Damen und Herren!
Der
Reichstag tritt in einer Situation zusammen, in der die Krise des
zusammenbrechenden Kapitalismus die breitesten werktätigen Massen
Deutschlands mit einem Hagel furchtbarster Leiden
überschüttet. Zu den Millionen Arbeitslosen, die mit den
Bettelpfennigen der sozialen Unterstützung oder auch ohne sie
hungern, werden im Herbst und im Winter neue Millionen stoßen.
Verschärfter Hunger ist auch das Schicksal aller anderen sozial
Hilfsbedürftigen. Die noch Beschäftigten können bei
ihrem niedrigen Verdienst die durch die Rationalisierung aufs
äußerste ausgepreßte Muskel- und Nervenkraft nicht
ersetzen, geschweige denn kulturelle Bedürfnisse befriedigen. Der
weitere Abbau des Tarifrechts und des Schlichtungswesens wird die
Entbehrungslöhne noch tiefer senken. Wachsende Scharen von
Handwerkern und Kleingewerbetreibenden, von Klein- und Mittelbauern
versinken verzweifelnd in Elendstiefen. Der Niedergang der Wirtschaft,
das Zusammenschrumpfen der Aufwendungen für Kulturzwecke
vernichten die wirtschaftlichen Grundlagen für die Existenz der
geistig Schaffenden und verengen fortschreitend das
Betätigungsfeld für ihre Kenntnisse und Kräfte. Der im
Osten entfesselte Weltbrand, der vom Westen her kräftig
geschürt wird, und dessen Flammenmeer auch die Sowjetunion und
ihren sozialistischen Aufbau vertilgen soll, würde auch
Deutschland mit Schrecken und Greueln überhäufen, die das
Mord- und Vernichtungswerk des letzten Weltkrieges in den Schatten
stellen.
Die
politische Macht hat zur Stunde in Deutschland ein
Präsidialkabinett an sich gerissen, das unter Ausschaltung des
Reichstags gebildet wurde und das der Handlanger des vertrusteten
Monopolkapitals und des Großagrariertums und dessen treibende
Kraft die Reichswehrgeneralität ist.
Trotz der
Allmacht des Präsidialkabinetts hat es gegenüber allen innen-
und außenpolitischen Aufgaben der Stunde gänzlich versagt.
Seine Innenpolitik charakterisiert sich genau wie die des
vorausgegangenen durch die Notverordnungen, Notverordnungen im
ureigensten Sinne des Wortes; denn sie verordnen Not und steigern die
schon vorhandene Not. Gleichzeitig zertritt dieses Kabinett die Rechte
der Massen, gegen die Not zu kämpfen. Sozial Hilfsbedürftige
und Hilfsberechtigte erblickt die Regierung nur in verschuldeten
Großagrariern, krachenden Industriellen, Bankgewaltigen, Reedern
und gewissenlosen Spekulanten und Schiebern. Ihre Steuer-, Zoll- und
Handelspolitik nimmt breiten Schichten des schaffenden Volks, um kleine
Gruppen von Interessenten zu beschenken, und verschlimmert die Krise
durch weitere Einschränkung des Konsums, des Imports und Exports.
Ebenso
schlägt ihre Außenpolitik den Interessen des schaffenden
Volks ins Gesicht. Sie wird geleitet von imperialistischen
Gelüsten, bringt Deutschland in ziellosem dilettantischem
Schwanken zwischen plumper Anbiederung und Säbelrasseln in immer
tiefere Abhängigkeit von den Großmächten des Versailler
Vertrags und schädigt die Beziehungen zur Sowjetunion, dem Staat,
der durch seine ehrliche Friedenspolitik und seinen wirtschaftlichen
Aufstieg ein Rückhalt für die deutsche werktätige
Bevölkerung ist.
Schwerstens
belastet ist das Schuldkonto des Präsidialkabinetts durch die
Morde der letzten Wochen, für die es die volle Verantwortung
trägt durch die Aufhebung des Uniformverbots für die
nationalsozialistischen Sturmabteilungen und durch die offene
Begönnerung der faschistischen Bürgerkriegstruppen. Vergebens
sucht es über seine politische und moralische Schuld
hinwegzutäuschen durch Auseinandersetzungen mit ihren
Bundesgenossen über die Verteilung der Macht im Staate; das
vergossene Blut kittet es für ewig mit den faschistischen
Mördern zusammen.
Die
Ohnmacht des Reichstags und die Allmacht des Präsidialkabinetts
sind der Ausdruck des Verfalls des bürgerlichen Liberalismus, der
zwangsläufig den Zusammenbruch der kapitalistischen
Produktionsweise begleitet. Dieser Verfall wirkt sich auch voll aus in
der reformistischen Sozialdemokratie, die sich in Theorie und Praxis
auf den morschen Boden der bürgerlichen Gesellschaftsordnung
stellt. Die Politik der Papen-Schleicher-Regierung ist nichts anderes
als die unverschleierte Fortsetzung der Politik der von den
Sozialdemokraten tolerierten Brüning-Regierung, wie dieser
ihrerseits die Koalitionspolitik der Sozialdemokratie als
Schrittmachern vorausgegangen ist.
Die
Politik des „kleineren Übels“ stärkte das
Machtbewußtsein der reaktionären Gewalten und sollte und
soll noch das größte aller Übel erzeugen, die Massen an
Passivität zu gewöhnen. Diese sollen darauf verzichten, ihre
volle Macht außerhalb des Parlaments einzusetzen. Damit wird auch
die Bedeutung des Parlaments für den Klassenkampf des Proletariats
gemindert. Wenn heute das Parlament innerhalb bestimmter Grenzen
für den Kampf der Werktätigen ausgenutzt werden kann, so nur
dann, wenn es seine Stütze hat an kraftvollen Aktionen der Massen
außerhalb seiner Mauern.
Ehe der
Reichstag Stellung nehmen kann zu Einzelaufgaben der Stunde, muß
er seine zentrale Pflicht erkannt und erfüllt haben: Sturz der
Reichsregierung, die den Reichstag durch Verfassungsbruch
vollständig zu beseitigen versucht. Anklagen müßte der
Reichstag auch erheben gegen den Reichspräsidenten und die
Reichsminister wegen Verfassungsbruchs und noch weiterer geplanter
Verfassungsbrüche vor dem Staatsgerichtshof zu Leipzig. Doch eine
Anklage vor dieser hohen Instanz hieße den Teufel bei seiner
Großmutter zu verklagen.
Selbstverständlich
kann nicht einfach durch Parlamentsbeschluß die Gewalt einer
Regierung gebrochen werden, die sich stützt auf die Reichswehr und
alle anderen Machtmittel des bürgerlichen Staates, auf den Terror
der Faschisten, die Feigheit des bürgerlichen Liberalismus und die
Passivität großer Teile der Werktätigen. Der Sturz der
Regierung durch den Reichstag kann nur das Signal sein für den
Aufmarsch und die Machtentfaltung der breitesten Massen außerhalb
des Parlaments, um in dem Kampf das ganze Gewicht der wirtschaftlichen
und sozialen Leistung der Schaffenden und auch die Wucht der
großen Zahl einzusetzen.
In diesem
Kampf gilt es zunächst und vor allem, den Faschismus
niederzuringen, der mit Blut und Eisen alle klassenmäßigen
Lebensäußerungen der Werktätigen vernichten soll, in
der klaren Erkenntnis unserer Feinde, daß die Stärke des
Proletariats am allerwenigsten von Parlamentssitzen abhängt,
vielmehr verankert ist in seinen politischen, gewerkschaftlichen und
kulturellen Organisationen.
Belgien
zeigt den Werktätigen, daß der Massenstreik sogar in Zeiten
größter Wirtschaftskrise seine Kraft bewährt,
vorausgesetzt, daß hinter dem Gebrauch dieser Waffe die
Entschlossenheit und Opferfreudigkeit der Massen steht, vor keiner
Weiterung des Kampfes zurückzuschrecken und die Gewalt der Feinde
mit Gewalt zurückzuschlagen. Jedoch die
außerparlamentarische Machtentfaltung des werktätigen Volkes
darf sich nicht auf den Sturz einer verfassungswidrigen Regierung
beschränken; sie muß über dieses Augenblicksziel hinaus
gerichtet sein auf den Stutz des bürgerlichen Staates und seiner
Grundlage, der kapitalistischen Wirtschaft.
Alle
Versuche, auf dem Boden der kapitalistischen Wirtschaft die Krise zu
mildern, geschweige denn zu beheben, können das Unheil nur
verschärfen. Staatliche Eingriffe versagten; denn der
bürgerliche Staat hat nicht die Wirtschaft, sondern umgekehrt die
kapitalistische Wirtschaft hat den Staat. Als Machtapparat der
Besitzenden kann dieser sich nur zu deren Vorteil einsetzen auf Kosten
der produzierenden und konsumierenden breiten schaffenden Volksmassen.
Eine Planwirtschaft auf dem Boden des Kapitalismus ist ein Widerspruch
in sich. Die Versuche dazu werden immer wieder vereitelt durch das
Privateigentum an den Produktionsmitteln. Planmäßigkeit des
Wirtschaftens ist nur möglich bei der Aufhebung des
Privateigentums an den Produktionsmitteln. Der Weg zur Überwindung
wirtschaftlicher Krisen und aller drohenden imperialistischen
Kriegsgefahren ist einzig und allein die proletarische Revolution, die
das Privateigentum an den Produktionsmitteln abschafft und damit die
Planmäßigkeit des Wirtschaftens verbürgt.
Der
große weltgeschichtliche Beweis dafür ist die russische
Revolution. Sie hat gezeigt, daß den Schaffenden die Kraft eigen
ist, alle ihre Feinde niederzuwerfen und zusammen mit dem Kapitalismus
im eigenen Lande auch die imperialistischen Raubgewalten
zurückzuwerfen und Sklavenverträge wie den Versailler Vertrag
zu zerreißen
Der
Sowjetstaat erhärtet auch, daß die Werktätigen die
Reife besitzen, eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen, in der eine
wirtschaftliche Höherentwicklung der Gesellschaft ohne
verwüstende Krisen erfolgen kann, weil eben die Ursache der
anarchischen Produktionsweise vernichtet ist, das Privateigentum an den
großen Produktionsmitteln.
Der Kampf
der werktätigen Massen gegen die zerfleischenden Nöte der
Gegenwart ist zugleich der Kampf für ihre volle Befreiung. Er ist
ein Kampf gegen den versklavenden und ausbeutenden Kapitalismus und
für den erlösenden, den befreienden Sozialismus. Diesem
leuchtenden Ziel muß der Blick der Massen unverrückt
zugewandt sein, nicht umnebelt durch Illusionen über die
befreiende Demokratie und nicht zurückgeschreckt durch die
brutalen Gewalten des Kapitalismus, der seine Rettung durch neues
Weltvölkergemetzel und faschistische Bürgerkriegsmorde
erstrebt. Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller
Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen, um damit den
Versklavten und Ausgebeuteten die Kraft und die Macht ihrer
Organisationen zu erhalten, ja sogar ihr physisches Leben. Vor dieser
zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden
und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und
weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten. Alle Bedrohten, alle
Leidenden, alle Befreiungssehnsüchtigen in die Einheitsfront gegen
den Faschismus und seine Beauftragten in der Regierung! Die
Selbstbehauptung der Werktätigen gegen den Faschismus ist die
nächste unerläßliche Voraussetzung für die
Einheitsfront im Kampfe gegen Krise, imperialistische Kriege und ihre
Ursache, die kapitalistische Produktionsweise. Die Auflehnung von
Millionen werktätiger Männer und Frauen in Deutschland gegen
Hunger, Entrechtung, faschistischen Mord und imperialistische Kriege
ist ein Ausdruck der unzerstörbaren Schicksalsgemeinschaft der
Schaffenden der ganzen Welt. Diese internationale
Schicksalsgemeinschaft muß ehern geschmiedete Kampfesgemeinschaft
der Werktätigen in allen Herrschaftsgebieten des Kapitalismus
werden, eine Kampfesgemeinschaft, die sie mit den vorausgestürmten
befreiten Brüdern und Schwestern in der Sowjetunion verbindet.
Streiks und Aufstände in den verschiedensten Ländern sind
lodernde Flammenzeichen, die den Kämpfenden in Deutschland zeigen,
daß sie nicht allein stehen. Überall beginnen die Enterbten
und Niedergetretenen zur Eroberung der Macht vorzustoßen. In der
auch in Deutschland sich formierenden Einheitsfront der
Werktätigen dürfen die Millionen Frauen nicht fehlen, die
noch immer Ketten der Geschlechtssklaverei und dadurch härtester
Klassensklaverei ausgeliefert sind. In den vordersten Reihen muß
die Jugend kämpfen, die freies Emporblühen und Ausreifen
ihrer Kräfte heischt, aber heute keine andere Aussicht hat als den
Kadavergehorsam und die Ausbeutung in den Kolonnen der
Arbeitsdienstpflichtigen. In die Einheitsfront gehören auch alle
geistig Schaffenden, deren Können und Wollen, den Wohlstand und
die Kultur der Gesellschaft zu mehren, heute in der bürgerlichen
Ordnung sich nicht mehr auszuwirken vermag.
In die
kämpfende Einheitsfront alle, die als Lohn- und
Gehaltsangehörige oder sonstwie Tributpflichtige des Kapitals
zugleich Erhalter und Opfer des Kapitalismus sind!
Ich
eröffne den Reichstag in Erfüllung meiner Pflicht als
Alterspräsidentin und in der Hoffnung, trotz meiner jetzigen
Invalidität das Glück zu erleben, als Alterspräsidentin
den ersten Rätekongreß Sowjetdeutschlands zu eröffnen.
Quelle: http://dasjahr1933.de/clara-zetkin-rede-als-altersprasidentin-bei-der-eroffnung-des-reichstags/
Die Rede von OTTO WELS am 23. März 1933 (Auszug):
Die deutsche Geschichte, Band 3, S. 458, Archiv Verlag
GmbH, Braunschweig 2001. Und nach Verhandlungen des Reichstags, VIII.
Wahlperiode 1933, Bd. 457, Berlin 1934, S. 32-34
Wels forderte die Nationalsozialisten auf, „besiegte Gegner“ nicht zu behandeln, als seien sie „vogelfrei“. „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“
Weiter führte er aus:
Nach der
Verfolgung, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit
erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder
erwarten können, dass sie für das hier eingebrachte
Ermächtigungsgesetz stimmt.
Die
Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit
gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut
und Sinn der Verfassung zu regieren. Wo diese Möglichkeit besteht,
besteht auch die Pflicht. Kritik ist heilsam und notwendig.
Noch
niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der
öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter
des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt
geschieht und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr
geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muss sich um so
schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit
entbehrt.
Die
Zustände, die heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in
krassen Farben geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es
nicht an Übertreibungen. Was meine Partei betrifft, so
erkläre ich hier:
Wir haben
weder in Paris um Intervention gebeten noch Millionen nach Prag
verschoben, noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht.
Solchen
Übertreibungen entgegenzutreten wäre leichter, wenn im Inland
eine Berichterstattung möglich wäre, die Wahres von Falschem
unterscheidet.
Noch
besser wäre es, wenn wir mit gutem Gewissen bezeugen könnten,
dass die volle Rechtssicherheit für alle wiederhergestellt sei ...
Die
Herren von der Nationalsozialistischen Partei nennen die von ihnen
entfesselte Bewegung eine nationale Revolution, nicht eine
nationalsozialistische. Das Verhältnis ihrer Revolution zum
Sozialismus beschränkt sich bisher auf den Versuch, die
sozialdemokratische Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei
Menschenaltern die Trägerin sozialistischen Gedankenguts gewesen
ist und auch bleiben wird.
Wollten
die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten
verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz. Eine
erdrückende Mehrheit wäre ihnen in diesem Hause gewiss ...
Aber
dennoch wollten Sie vorerst den Reichstag ausschalten, um ihre
Revolution fortzusetzen. Zerstörung von Bestehendem ist aber noch
keine Revolution. Das Volk erwartet positive Leistungen. Es erwartet
auch durchgreifende Maßnahmen gegen das furchtbare
Wirtschaftselend, das nicht nur in Deutschland, sondern darüber
hinaus in aller Welt herrscht.
Wir
Sozialdemokraten haben in schwerster Zeit Mitverantwortung getragen und
sind dafür mit Steinen beworfen worden. Unsere Leistungen für
den Wiederaufbau von Staat und Wirtschaft, für die Befreiung der
besetzten Gebiete werden vor der Geschichte bestehen. Wir haben
gleiches Recht für alle und ein soziales Arbeitsrecht geschaffen.
Wir haben geholfen, ein Deutschland zu schaffen, in dem nicht nur
Fürsten und Baronen, sondern auch Männern aus der
Arbeiterklasse der Weg zur Führung des Staates offensteht.
Davon
können Sie nicht zurück, ohne ihren eigenen Führer
preiszugeben. Vergeblich wird der Versuch bleiben, das Rad der
Geschichte zurückzudrehen.
Wir
Sozialdemokraten wissen, dass man machtpolitische Tatsachen durch
bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann. Wir sehen die
machtpolitische Tatsache Ihrer augenblicklichen Herrschaft. Aber auch
das Rechtsbewusstsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir
werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewusstsein zu appellieren.
Die
Verfassung der Weimarer Republik ist keine sozialistische Verfassung.
Aber wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates und der
Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes. Wir deutschen
Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde
feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der
Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.
Kein
Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und
unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum
Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie
nicht vernichtet.
Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.
Wir
grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir
grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und
Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene
Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.
Quelle und weitere historische Informationen: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/geschichte/artikel/gegen-das-ermaechtigungsgesetz-die-rede-von-otto-wels-im
Siehe auch:
Infrastrukturprogramm für rechts
Heute konstituiert sich der Bundestag. Was der Einzug der »Alternative für Deutschland« ins Parlament bedeutet
https://www.jungewelt.de/artikel/320445.infrastrukturprogramm-f%C3%BCr-rechts.html
GeschichtsKorrespondenz
des Marxistischen Arbeitskreises zur Geschichte der deutschen
Arbeiterbewegung bei der Partei DIE LINKE zum Thema:
https://archiv2017.die-linke.de/fileadmin/download/geschichtskorrespondenz/2013/geschichtskorrespondenz_januar2013.pdf
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