15.10.2017
„Welches Europa
wollen wir?“
Schlusserklärung
der 9. Regionalkonferenz „Aktiv gegen rechts“
am 14. Oktober 2017 im DGB-Haus Aachen
„Welches Europa
wollen wir?“ war der Titel der diesjährigen
Regionalkonferenz „Aktiv gegen rechts“ in der
StädteRegion Aachen. In der Schlusserklärung
heißt es: Unsere Leitfrage bedarf keiner großen
Erläuterung: Europäische Antifaschistinnen und
Antifaschisten stehen nicht nur aufgrund der teilweisen Erstarkung
rechtspopulistischer und neofaschistischer Parteien vor
großen Herausforderungen. Auch die Bundestagswahlen in
Deutschland verdeutlichen die Erstarkung der politischen Rechten. In
dieser Situation konnten wir 2017 mit ausgewiesenen Expert/innen und
Aktivist/innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft
über die politische Lage in Europa diskutieren und Schritte
der demokratischen Gegenwehr beratschlagen.
Auf dem Eröffnungspodium stellte der
Historiker und Generalsekretär der
Fédération Internationale des
Résistants (FIR; dt.: Internationale Föderation der
Widerstandskämpfer) Dr. Ulrich Schneider antifaschistische
Perspektiven für Europa vor, während Deliah Djinou
von „Pulse of Europe Aachen“ über das
demokratische Engagement für die europäische Idee
berichtete. Der Aachener Politikwissenschaftler Alban Werner
untersuchte in seinem Beitrag die Rolle des Rechtspopulismus in der
Eurokrise. Im zweiten Podium berichtete Professor Ad Knotter von der
Universität Maastricht über Charakter und
Wähler/innen der Partei von Geert Wilders. Der in London
lebende Publizist Jörg Kronauer lieferte – mit
besonderen Blick auf die Lage nach dem BREXIT – eine Analyse
der heterogenen, oftmals aber rechtsoffenen Austrittsbewegungen aus
Europa. Der Kölner Sozialwissenschaftler Dr. Steffen Lehndorff
von der Initiative „Europa neu begründen“
erläuterte die Konsequenzen der dominanten Rolle Deutschlands
in der europäischen Krise.
Illustriert wurde diese Fragestellung durch die
Präsentation des bereits 1998 von Hans-Rüdiger Minow
für den WDR produzierten Films „Unheimliche
Nachbarn. Die Rolle der Deutschen in den Euro-Regionen“.
Zusätzlich bestand die Möglichkeit zu einem regen
Austausch an den Infotischen der unterstützenden Gruppen. In
Zentrum der Debatten stand neben der Analyse die Frage nach den
konkreten Gegenmaßnahmen gegen den Rechtstrend in Europa.
Inspiriert von den Traditionen und Ideen
antifaschistischer Demokratinnen und Demokraten
schließt die 9. Regionalkonferenz „Aktiv gegen
rechts“ im Jahr 2017 mit einem Aufruf für ein
demokratisches und soziales Europa. Hier der Wortlaut:
„Mit großer Sorge beobachten
wir, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 9. Regionalkonferenz
„Aktiv gegen rechts“, die (Wieder-)Erstarkung
antidemokratischer Strömungen und Parteien in Deutschland und
Europa. Die Unterstützerinnen und Unterstützer der
Regionalkonferenz haben sich seit 2009 alljährlich in beinahe
der gesamten StädteRegion Aachen zum gemeinsamen Ratschlag
versammelt. 2017 müssen wir feststellen, dass wir unsere
Kräfte verstärkt bündeln müssen.
Unsere Arbeit muss an vielen Stellen und in breiten Bündnissen
fortgeführt werden.
Dass in Deutschland im Jahre 2017 mit der
Alternative für Deutschland (AfD) eine Partei in den Bundestag
einzieht, deren künftige Abgeordnete im Jargon der NPD gegen
„Mischvölker“,
„Schuldkult“ oder „Umerziehung“
polemisieren, verdeutlicht die Dringlichkeit unserer Arbeit. Der in
Deutschland auftretenden sozialen Bewegung von rechts, als deren
parlamentarischer Arm die AfD agiert, gilt unser demokratischer
Widerstand. Wir richten an dieser Stelle nicht nur Appelle an andere
– wir vergewissern uns in erster Linie unserer eigenen
Tradition und Stärke und verpflichten uns zur Intensivierung
unserer Anstrengungen. Wir werden in unserer Arbeit zudem nicht der
Provokationsstrategien der deutschen und europäischen Rechten
folgen, sondern ebenso nüchtern wie entschieden über
deren Ideologien und Praxis aufklären.
Wir stellen folgende Positionen in den Mittelpunkt:
- Wir werden weiter über das
europäische Netzwerk der Rechtsparteien berichten und hier die
notwendige Aufklärungsarbeit leisten. Unsere Arbeit gegen die
Ideologen und Ideologien der Ungleichwertigkeit ist ein zentraler Teil
unserer politischen Arbeit und bleibt nicht auf einzelne Aktionen oder
Konferenzen beschränkt.
- Wir wollen gerade auf europäischer
Ebene die Kooperation der demokratischen und antifaschistischen
Kräfte stärken – unsere international und
pluralistisch zusammengesetzte Regionalkonferenz ist dafür ein
wichtiger Impuls.
- Wir sind überzeugte Anhänger
einer demokratischen und sozialen Idee von Europa, wie sie
Antifaschistinnen und Antifaschisten nach 1945 begründet
haben. Wir lehnen jede Form des Nationalchauvinismus ab. Wir
begrüßen die vielfältigen Initiativen
für eine demokratische Neubegründung Europas. Eine
Politik der Dominanz eines Kerneuropas über
Peripherieländer lehnen wir ebenso entschieden ab wie eine
Sparpolitik, die dem oftmals beschworenen europäischen Haus
das solidarische Fundament entzieht. Gleichzeitig wenden wir uns gegen
die Forderungen nach einer „Festung Europa“ oder
eine Außenpolitik, die verstärkt auf
Militäreinsätze setzt.
Die Sorge über den Wahlerfolg der
Rechtsparteien und die Erstarkung einer sozialen Bewegung von rechts
darf jedoch nicht den Blick auf die vielen zivilgesellschaftlichen
Initiativen und Ideen für ein demokratisches Europa oder eine
humanitäre Flüchtlingspolitik verstellen. Diese gilt
es weiterhin zu stärken. Wir wollen keine Europa der
Ressentiments und der Spaltung, sondern ein solidarisches,
demokratisches und soziales Europa!“
Siehe auch:
Regionalkonferenz des DGB: Erklärungsversuche für das Phänomen Rechtspopulismus
https://www.aachener-zeitung.de/news/politik/regionalkonferenz-des-dgb-erklaerungsversuche-fuer-den-rechtspopulismus-1.1739430
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