13.10.2017
Friedensdemo in Essen:
Trautvetter: Wir wollen leben!
Hunderte Menschen
demonstrierten am 7. Oktober Samstag durch Essen, um gegen die Tagung
des „Joint Air Power Competence Centre“ (JAPCC) in
der Messe Essen zu demonstrieren. Das JAPCC ist eine Einrichtung der
NATO-Luftstreitkräfte in Kalkar. Bei der Tagung treffen sich
jedes Jahr hochrangige Militärs, dieses Jahr zum Thema
„Abschreckung“. Auf der Kundgebung sprachen der
Friedensaktivist Norbert Müller und Niema Movassat (MdB, Die
Linke) und es wurden Grußworte von Margot
Käßmann und Konstantin Wecker verlesen.
Diana Kummer von der DKP Essen
interviewte Paul Schnittker, der am 11. Mai 1952 an der
Friedenskarawane in Essen teilnahm, auf der der Münchner
Philipp Müller (KPD) von der Polizei erschossen wurde und so
der erste Demo-Tote der Bundesrepublik ist. Auch Bernhard Trautvetter
(Essener Friedensforum) würdigte den FDJler Philipp
Müller und zeigte auf, was das damalige Geschehen für
uns heute lehren kann. Er sagte ferner:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir begrüßen Euch herzlich im
Namen der Organisatoren unserer no-natom-Krieg-Friedensdemonstration.
Unser ‚Nein‘ zum Krieg ist ein
‚Ja‘ zum Leben!
Diese Woche waren wir schon an der
Luftleitzentrale in Kalkar und haben an der Kasernenmauer einen Kranz
niedergelegt – für die ungezählten
Menschen, die ihre Flucht vor Krieg und Gewalt vor den Mauern der
Festung Europa nicht überlebt haben.
Unsere Aktion war eine vorzeitige Antwort auf die
rechtswidrige Forderung des Essener OB nach einer Obergrenze. Man
stärkt die Rechten nur, wenn man sie zu kopieren versucht!
Wir beginnen bewusst um fünf vor
zwölf, denn die kritischen Nuklear-Wissenschaftler haben ihre
Welt-Uhr zur Warnung vor dem Atomkrieg auf die Zeit eingestellt, die
wir jetzt gerade haben. Passend erklärte gestern das
Nobel-Komitee, heute sei die Zeit der größten Gefahr
eines Nuklearkrieges. Einige Gründe offenbaren die
Militärs, die der Einladung des Joint Air Power Competence
Centre der Nato in Kalkar in den nächsten Tagen ganz hier in
der Nähe auf ihrer Konferenz in der Messe Essen zum Thema
„Abschreckung“. Wir protestieren dagegen, dass sie
den Nuklearschlag als Bestandteil ihrer Planung vorsehen. Wir sagen
dazu ‚Nein‘, denn wir wollen leben!
Deshalb fordern wir mit unseren Freunden vom
Nobelpreisträger ICAN, dass Deutschland dem
UNO-Nuklearwaffenverbot beitritt!
Das Leben auf der Welt braucht den langen Atem der
Friedensbewegung, den wir seit Berta von Suttners „Die Waffen
nieder“ haben, seit Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts
Einsatz gegen den Militarismus und Käthe Kollwitz‘
„Nie wieder Krieg“, dem
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, Pfarrer
Niemöllers Einsatz für eine Verständigung
mit dem Osten und Petra Kellys sowie Dorothee Sölles Reden auf
den großen Friedensdemonstrationen der 80er Jahre.
Martin Niemöllers Text aus der Nazi-Zeit
ist angesichts der letzten Bundestagswahl immer noch hochaktuell:
‚Ich habe nicht protestiert, als sie die Kommunisten holten,
ich war ja keiner; auch nicht als sie die Sozialdemokraten,
Gewerkschaftler und dann die Juden holten. Als sie mich abholten, war
niemand mehr da, der noch hätte protestieren
können.‘ Nicht nur das Leben braucht uns, wir
brauchen uns alle mit-ein-ander für die große
Aufgabe des friedlichen Notausgangs der Menschheit in die Zukunft einer
überlebensfähigen Gesellschaft in Frieden. Zum langen
Atem uns gleich unser Freund Paul berichten, wie es auf der
Friedenskarawane der Zehntausende gegen die Wiederbewaffnung war, genau
hier vor 65 Jahren, auf der eine Polizeikugel Philipp Müller
tödlich traf.
Die Konferenz, gegen die wir hier protestieren,
vereint höchstrangige Vertreter des
militärisch-industriellen Komplexes, wie es auch die WAZ
berichtete. Die Militärs haben die Medien nicht auf ihre
Konferenz hingewiesen, die gesponsert vom größten
und auch nuklear aktiven Rüstungskonzern der Welt ist. Das
haben wir getan. Sie wollen unbeobachtet bleiben, wenn sie
Horror-Szenarien, die sie Abschreckungsstrategien nennen, immer weiter
ausfeilen, die sie dann in ihren Armeen verbreiten. Wir lassen es nicht
zu, dass sie Kriegsrat unter Ausschluss der Öffentlichkeit
halten. Wir durchkreuzen ihnen auch das, wir wollen statt Kriegsrat
Friedensverhandlungen jeweils aller Seiten unter Vermittlung der UNO.
Wir wollen den Abbau von Feindbildern und den
Dialog zur Lösung von Interessenskonflikten. Friedenspolitik
ist in unserer verletzlichen Welt mit digitalen Netzen, atomaren und
fossilen Kraftwerken und mit großer
Bevölkerungsdichte der einzige Weg in die Zukunft, die es nur
im Frieden geben wird. Wir wollen leben!
Wenn US-Präsident Trump nun sogar
Gesprächsversuche in China Energieverschwendung nennt, man
müsse jetzt tun, was zu tun sei, dann offenbart uns das, wie
lebensbedrohlich die Existenz von Nuklearpotentialen ist, und wie
gefährlich der Horror ist, den die Militärs
‚Abschreckung‘ nennen. Mit diesem verharmlosenden
Begriff gaukeln sie uns vor, die Nato tue mit ihren schrecklichen
Waffen nur Gutes. In Deutschland sind sie dank der
Friedenskräfte mit ihren Märchen und Lügen
weniger erfolgreich. Sie beklagen in ihren Konferenzen die Vorbehalte
der Bevölkerung gegen das Militärische.
An diesen auch unseren Erfolg werden wir weiter
anknüpfen! Wir sind erfolgreicher, als manche glauben! Unser
langer Atem hat sich immer wieder ausgezahlt!
Wir haben die Verantwortung, den Militaristen, die
im Ernst mit dem nuklearen Inferno spielen, einen Strich nach dem
anderen durch die Rechnung zu machen! Nutzen wir unsere Chancen! Die
Konferenzen des Joint Air Power Competence Centre befassen sich immer
wieder neu mit der ‚Kriegsführung im 21.
Jahrhundert‘! In Kalkar benutzte man dafür lange
Zeit den Begriff ALI, -‚ALI‘ steht für Air
Land Integration. Heute nennen sie es Netzwerk-zentrierte
Kriegs-führung. Sie umfasst alle Ebenen, vom Cyber-Raum bis
zum All, und auch die der nuklearen Systeme. Dazu passend schreiben sie
im Manuskript ihrer Konferenz nächste Woche, Abschreckung
funktioniert nur mit Waffen, die man auch bereit ist, anzuwenden. Das
betrifft auch die nuklearen!
Wir antworten diesen
Selbstmordattentätern an der Menschheit mit dem Essener
Altbundespräsidenten Gustav Heinemann aus dem Jahre 1958
während der Diskussion über die Atombewaffnung der
Bundeswehr im Bundestag (Zitat):
Das Völkerrecht setzt Grenzen in der
Handhabung des Krieges: „Erlaubt ist keinesfalls Gewalt gegen
Nichtkombattanten… Die neuen sogenannten Waffen sind
… das Ende aller Errungenschaften abendländischer
Kultur… Sie sagen: Aber wir wollen ja diese
Massenvernichtungsmittel nur zur Abschreckung! … Sie
müssen dennoch letzten Endes … den Atomkrieg
wollen, … wenn Ihre Drohung wirksam sein soll.“
Genau diese letzte Konsequenz planen die
Militärs hier in ihrer sogenannten Abschreckungskonferenz.
Es ist an uns, zu verhindern, dass sie tun, wozu
sie technisch in der Lage sind.
Diese Konferenz gehört als
völkerrechtswidrig verboten, schon aus dem
Überlebensinteresse der Menschheit! Solche Konferenzen darf es
in Essen, der Umwelthauptstadt nie wieder geben! Wir sammeln unter
einen entsprechenden Appell nach heute weiter!
Hinzu kommt noch, dass sie gegen den Vertrag
über die Vereinigung der Deutschen Demokratischen Republik und
der Bundesrepublik Deutschland verstößt, der
Deutschland in der sogenannten ‚Eingangsformel‘
darauf festlegt, dem Frieden der Welt zu dienen.
Wir finden im Manuskript der JAPCC-Tagung dieses
Bild: US-Truppen an der russischen Westgrenze. Dazu steht im Text:
„Wären die doch 70 Jahre eher da gewesen!“
Hier wird die Tatsache übergangen, dass
die Sowjetunion mit weit mehr Verlusten an Leib und Leben den
Hauptanteil an der Befreiung Europas vom Faschismus getragen hat, als
jedes andere Land. Die Arroganz der Nato-Militärs
gegenüber Russland ist Friedens-bedrohend, wenn sie etwa die
russische Krim-Politik als Begründung dafür nehmen,
dass sie massiv aufrüsten müssen, auch atomar, dass
sie teils von Kalkar aus gesteuert Truppen an die Grenze Russlands
verschieben.
Sie machen vergessen, dass der Nato-Staat
Türkei seit der gewaltsamen Besetzung Nord-Zyperns und weitere
Nato-Staaten seit dem Balkankrieg längst schon mehrfach
Völkerrecht gebrochen haben.
Wir sagen: Wir glauben Euch all Eure
Lügen nicht! Wir wollen auch keine Kollateralschaden-Opfer des
nuklearen Infernos werden, an dem Ihr arbeitet! Wir wollen das Leben
schützen! Unser ‚Nein‘ zum Krieg ist ein
‚Ja‘ zum Leben! Unser ‚Nein‘
zum Krieg umfasst ein ‚Nein‘ zur Abschreckung, eins
zu Drohnen, eins zu nuklearen Systemen. Und ‚Nein‘
zu 2% des BIP für Militärausgaben, die sich nicht
durch russische Rüstung rechtfertigen lassen, da Russland
dafür weniger ausgibt, als unser Land und Frankreich.
Deshalb sind wir hier. Unser Engagement ist
unermesslich wertvoll für das alte und immer wieder junge
Leben in dieser gefährdeten Welt. Gefährdet u.a.
durch Militärs, die sich in der Messe treffen wollen!
Wir sagen: Frieden im
‚Europäischen Haus‘ statt Abschreckung!
Nukleare Abrüstung, keine Atompotentiale in Büchel
bei Koblenz und auch nicht anderswo! Diese Forderungen, teils
älter, als viele von uns, und zugleich sind sie hochaktuell.
Man kann den Weltfrieden nicht herbeibomben, nur die ewige
Friedhofsruhe.
Kriege enden nicht im Frieden. Wir lieben das
Leben.
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