05.10.2017
Wir fordern alle Bundestagsabgeordnete auf: lehnen Sie die 2% Verpflichtung für den Verteidigungshaushalt ab
Regionalvorsitzende des DGB Niederrhein, Angelika Wagner, sprach in Kalkar
Am 3. Oktober hielt Angelika Wagner eine
Rede auf dem Marktplatz von Kalkar und rief zu verstärkten
Anstrengungen für Frieden und Abrüstung auf. Sie verurteilte
die Ausbreitung des Rechtsextremismus nun bis in den Bundestag hinein.
"Unser gemeinsamer Einsatz für eine friedlichere, gerechtere Welt
ist so dringend wie lange nicht. Unsere Hoffnung auf eine Welt des
Friedens, der Demokratie und sozialen Gerechtigkeit ist längst
nicht erfüllt." Der Wortlaut der Rede:
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Namen des Deutschen Gewerkschaftsbundes
überbringe ich die solidarischen Grüße unserer
Schwestergewerkschaften.
Als ein gemeinsames Ziel der Gewerkschaften ist in der
Satzung des DGB verankert, dass wir „eintreten für eine
allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die
Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste
der Völkerverständigung“.
Alljährlich und unermüdlich setzen wir uns ein
gegen Krieg, für den Frieden. Auf Initiative des DGB wurde der 1.
September zum Antikriegstag erklärt - das war bereits 1957. D.h.
wir haben diesen Mahn- und Gedenktag seit 60 Jahren, und doch ist unser
Motto, unsere Forderung „Nie wieder Krieg“ wichtiger denn
je.
Unser gemeinsamer Einsatz für eine friedlichere,
gerechtere Welt ist so dringend wie lange nicht. Unsere Hoffnung auf
eine Welt des Friedens, der Demokratie und sozialen Gerechtigkeit ist
längst nicht erfüllt. Im Gegenteil, wir blicken besorgt auf
die Entwicklung in unserer Welt, in Europa und im eigenen Land:
weltweit werden wieder mehr Kriege geführt, sind Millionen
Menschen auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung. Ihnen wurden
Perspektiven genommen, die Heimat und die Zukunft, oft die
körperliche und psychische Unversehrtheit.
Die Lage ist extrem besorgniserregend. An so vielen
Orten der Welt gibt es Krieg und Zerstörung. Aktuell gibt es
Kriege und dramatische Konflikte - auch in unserer Nähe, im Nahen
und Mittleren Osten, Bürgerkriege in afrikanischen Ländern.
Zusätzlich Angst macht der US-Präsident, der sich mit jedem
anlegt, politische Gegner nur unflätig beschimpfen kann und nun
auch noch Verhandlungen mit Nordkorea zwecklos nennt- dabei ist
Verhandlung die Grundlage von Verständigung und Frieden.
Der DGB fordert die Bundesregierung auf, international stärker auf Abrüstungsabkommen hinzuwirken.
Anstatt nun alles dafür zu tun, Strategien für
die Verwirklichung und den Erhalt des Friedens zu suchen und
umzusetzen, soll der Rüstungsetat noch weiter angehoben werden.
Bereits jetzt ist er viel zu hoch, wird da viel zu viel Geld ausgegeben.
Die nun geplante Erhöhung auf 2% des
Bruttoinlandsproduktes bedeutet eine Mehrausgabe von 25-30 Mrd € -
Allein diese Mehrausgabe ist so viel wie für Bildung, Forschung
und Gesundheit zusammen bereitgestellt wird. Das steht in keinem
Verhältnis.
Es macht überhaupt keinen Sinn,
Rüstungsausgaben an die Wirtschaftsleistung zu koppeln.
Verteidigungsausgaben dürfen ausschließlich der
Friedenssicherung dienen. Und als ob die Höhe allein nicht schlimm
genug wäre: weit über die Hälfte der
Rüstungsausfuhren wird in Staaten außerhalb von EU und Nato
geliefert.
Deutsche Rüstungsgüter dürfen nicht dazu
beitragen, dass Unrechtsregime und Terrororganisationen damit agieren.
Die Umsätze und Gewinne der Rüstungskonzerne steigen enorm -
das ist Profit durch Tod und Zerstörung!
Liebe FriedensfreundInnen, liebe KolIegInnen,
gleichzeitig mit zunehmender Militarisierung und
wachsenden kriegerischen Auseinandersetzungen hat die soziale Spaltung
dramatisch zugenommen. Ungleichheit ist ein globales Problem. Einige
wenige besitzen unermessliche Vermögen. Und insbesondere die
Gruppe der Reichen und Superreichen hat ihr Vermögen stetig
vermehrt. Arme werden immer ärmer.
Die Vermögenskonzentration und -ungleichheit ist in
unserem Land im internat. Vergleich sehr groß. Beschäftigung
zum Niedriglohn, befristete Beschäftigung, Leiharbeit,
Langzeitarbeitslosigkeit, keine existenzsichernde Rente- das betrifft
zigtausende in unserem Land. Fast 2 Mio Kinder und Jugendliche sind von
Armut bedroht.
Heute haben wir zum 27. Mal den Tag der Deutschen
Einheit. Aber noch immer gibt es keine gleichwertigen Arbeits- und
Lebensverhältnisse. Mehr Erwerbslose, niedrigere Löhne,
weniger Investitionen gibt es im Osten unseres Landes - und egal ob
West oder Ost, Nord oder Süd: die Spaltung der Gesellschaft zeigt
sich im Ergebnis der Bundestagswahl. V.a. da, wo ganze Viertel, ganze
Regionen als strukturarm und „abgehängt“ gelten, ist
der Zuspruch zur offen rechtsnationalistischen und fremdenfeindlichen
AfD überdurchschnittlich hoch.
Denn all das trägt dazu bei, dass eine solche
Partei in Landtage und nun auch in den Bundestag gewählt wurde.
Eine Partei, die sagt, auf Flüchtlinge an Grenzen schießen
zu wollen und die davon redet, Menschen zu „entsorgen“.
Pfui!
Es ist allerhöchste Zeit, diesen Entwicklungen
entschieden entgegenzutreten. Es ist allerhöchste Zeit, soziale
Sicherheit herzustellen. Und soziale Gerechtigkeit!
Wir brauchen Investitionen, um das soziale Gefälle
zwischen Arm und Reich, um die Ängste der Menschen vor ungehemmter
Globalisierung.
Nicht Drohnen, Raketenabwehrsysteme, Kampfhubschrauber,
Panzer brauchen wir. Wir brauchen eine Umkehr: zu Abrüstung,
ziviler Konfliktlösung und Umwandlung in zivile Produktion - es
gibt doch wirklich genug anders zu tun! Es gibt genug zu tun, um die
Arbeitsplätze, die von der Rüstungsindustrie abhängen,
umzuwandeln in zivile, gesellschaftlich notwendige. Das muss auch in
unseren Gewerkschaften stärker thematisiert werden.
Gesamtwirtschaftlich gesehen könnten genügend qualifizierte
Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden.
Wir haben als Gewerkschaften Verantwortung für die
Verwirklichung und Erhaltung des Friedens. Wir haben Verantwortung
für die Beschäftigten, die ggf. von Arbeitslosigkeit bedroht
sind bei Standortschließungen. Da, wo es zu
Beschäftigungsproblemen kommt, müssen die ArbeitnehmerInnen,
müssen die betroffenen Kommunen von Land und Bund unterstützt
werden bei der Umstrukturierung von Rüstungsbetrieben auf die
Herstellung friedlicher Produkte oder das Anbieten wichtiger
Dienstleistungen. ZB auch durch Umwidmung in Wissenschafts-,
Forschungs-oder Bildungsstandorte - gute Beispiele gibt es bereits.
Standortschließungen müssen sozialverträglich sein und mit Schaffung von Alternativen am Standort verbunden.
Das für Rüstung ausgegebene Geld muss
investiert werden in Bildung, sichere Renten, soziale Sicherheit. Die
oft hochqualifizierten Beschäftigten bräuchten wir z.B.
für die Forschung und Entwicklung sauberer Energieerzeugung und
Mobilität, für soziale und ökologische
Entwicklungsprojekte.
Mit dem Geld, das weltweit für Rüstung, Militär und Kriege verschwendet wird, könn-
ten wir beitragen, den Hunger in der Welt zu beseitigen,
eine medizinische Grundversorgung sichern und mehr soziale
Gerechtigkeit herstellen.
Wir brauchen kluge Köpfe für die Entwicklung
ziviler Strategien zur Friedenssicherung und Konfliktvermeidung—
und wir brauchen mehr LehrerInnen, ErzieherInnen, Beschäftigte in
Gesundheitsberufen.
Wenn wir all das vorhandene Geld und das vorhanden Wissen nur besser einsetzen würden.
Sind das nicht längst Argumente genug?
Wir fordern alle Bundestagsabgeordnete auf: lehnen Sie
die 2% Verpflichtung für den Verteidigungshaushalt ab. Setzen Sie
sich ein für gute Entwicklungshilfe und für eine
Friedenspolitik, die Konfliktursachen beseitigt!
Immer mehr Waffen schaffen keinen Frieden. Im Gegenteil!
Und Kriege sind kein Mittel zur Konfliktlösung! Das muss doch nun
jeder gelernt haben
Es müssen alle diplomatischen Anstrengungen
unternommen werden, die zur Entschärfung der aktuellen Konflikte
beitragen und die Waffen zum Schweigen bringen.
Nur Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit können dauerhaft Frieden schaffen.
Krieg darf nicht länger an Rhein und Ruhr beginnen - und nirgendwo sonst!
Für uns muss gelten: nie wieder Krieg!
A. Wagner, Oktober 2017
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