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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.10.2017

Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski: Hingerichtet wegen „verbotenen Umgangs“

Vor 75 Jahren – am 14. August 1942 – wurden die beiden Polen Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski in Greven (Münsterland) hingerichtet. Sie gehörten zu den mehreren Millionen im Deutschen Reich während des Zweiten Weltkrieges zwangsweise zur Arbeit eingesetzten Kriegsgefangenen und ausländischen „ZivilarbeiterInnen“.

Franciszek Banaś in der Uniform der Ulanen (Lanzenreiter) der polnischen Kavallerie, undatiert. (Augustyn Zón)

Franciszek Banaś in der Uniform der Ulanen (Lanzenreiter) der polnischen Kavallerie, undatiert. (Augustyn Zón)

Grabstätte/Grabstein von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski auf dem Friedhof in Greven. Auf dem Grabstein/Stein stehen leider immer noch falsche Angaben und bedauerlicherweise ist dort auch kein Hinweis zur Hinrichtung zu finden.

Grabstein von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski auf dem Friedhof in Greven. Auf dem Stein stehen leider immer noch falsche Angaben und bedauerlicherweise ist dort auch kein Hinweis zur Hinrichtung zu finden.

Die Gedenkstätte in den Bockholter Bergen nahe der damaligen Hinrichtungsstätte von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski. Die Namen der beiden erfährt man auf dem leider zu kleinen Gedenkstein (rechts hinten) nicht.

Die Gedenkstätte in den Bockholter Bergen nahe der damaligen Hinrichtungsstätte von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski. Die Namen der beiden erfährt man auf dem leider zu kleinen Gedenkstein (rechts hinten) nicht.

Zum 75. Jahrestag der Hinrichtung fand am 13. August 2017 auf Initiative der VVN/BdA Münster die erste offizielle Gedenkveranstaltung für die beiden NS-Opfer am Ort des Geschehens statt.

Zum 75. Jahrestag der Hinrichtung fand am 13. August 2017 auf Initiative der VVN/BdA Münster die erste offizielle Gedenkveranstaltung für die beiden NS-Opfer am Ort des Geschehens statt.

Zum 75. Jahrestag der Hinrichtung fand am 13. August 2017 auf Initiative der VVN/BdA Münster die erste offizielle Gedenkveranstaltung für die beiden NS-Opfer am Ort des Geschehens statt.

Kranz der VVN/BdA Münster zum 75. Jahrestag der Hinrichtung an der Gedenkstätte.

 Kranz der VVN/BdA Münster zum 75. Jahrestag der Hinrichtung an der Gedenkstätte.

Gemäß der NS-Ideologie unterlagen die in der Kriegswirtschaft ausgebeuteten ausländischen ZwangsarbeiterInnen einer mehr oder weniger rassistischen Behandlung und waren auch häufig Opfer einer rigiden Verfolgung. Die Grundlage dafür bildete eine spezielle Gesetzgebung – für die als „rassisch minderwertig“ angesehenen polnischen und sowjetischen ZivilarbeiterInnen („Ostarbeiter“) wurde sogar ein umfangreiches Sonderrecht geschaffen. Zuständig für die Durchsetzung der „Ausländerpolitik“ und damit auch für die Verfolgung der AusländerInnen war das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) mit seiner Gestapo. Deren verbrecherische Tätigkeit wäre aber unmöglich gewesen ohne die zutragenden Polizeibehörden und vor allem nicht ohne die zahlreichen Denunziationen von (vermeintlichen) Regelverstößen der AusländerInnen durch die „deutschen Volksgenossen“.

Die polnischen und sowjetischen ZwangsarbeiterInnen waren von der Verfolgung am stärksten betroffen – schon bei „Disziplinwidrigkeiten“ oder „Arbeitsunlust“ wurde die Gestapo eingeschaltet. Deren wesentliche Strafmaßnahme war die Einweisung in ein Konzentrationslager (KZ) oder „Arbeitserziehungslager“ (AEL). Als äußerstes Sanktionsmittel konnte die „Sonderbehandlung“ angeordnet werden – die Todesstrafe ohne gerichtliches Urteil. Dieses geschah bei polnischen und sowjetischen ZwangsarbeiterInnen nicht nur bei Tötungs- oder anderen schweren Delikten, sondern auch bei sogenanntem „verbotenen Umgang“.

Seit Ende 1940 wurde der „verbotene Umgang“ zwischen Deutschen und AusländerInnen zu einem Massendelikt im Reich. Dazu gehörte jeglicher soziale Kontakt, wie beispielsweise gemeinsam am Tisch zu sitzen, bis hin zu freundschaftlichen Beziehungen. Insbesondere aber der (intime) Kontakt zwischen deutschen Frauen und Ausländern wurde im Sinne der rassistischen Ideologie sowie der patriarchalischen Sexualmoral als besonders verwerflich angesehen und war als sogenanntes „GV-Verbrechen“ (Geschlechtsverkehr) intensiver Verfolgung ausgesetzt. Für die polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter bedeutete dieses „Vergehen“ in der Regel das Todesurteil. Die deutschen Frauen wurden meist zu Zuchthausstrafen verurteilt oder in ein KZ eingewiesen, wobei sie neben ihrer gesellschaftlichen Stigmatisierung oft noch öffentlichen Demütigungen ausgesetzt waren. An vielen Orten im Deutschen Reich kam es zu derartig geahndeten Fällen von „verbotenem Umgang“ und ZwangsarbeiterInnen wurden auf Grund dessen – oder wegen anderer vermeintlicher Vergehen – „öffentlich“ hingerichtet.

Dazu zählt auch die Geschichte von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski. Viele Spuren der beiden sind heute leider – trotz der mannigfachen Registrierung – nicht mehr zu finden. Nicht zuletzt auch, da gerade Dokumente zu ihrer Verfolgung vernichtet wurden.

Der am 7. Juni 1914 im polnischen Ujsoły geborene Franciszek Banaś wurde als Kriegsgefangener (Nr. 2418) nach Deutschland deportiert und kam in das Stalag VI D in Dortmund. Von dort aus gelangte er mit dem Arbeitskommando Nr. 262 nach Greven in die Bauerschaft Westerode. Nach seiner „Entlassung“ aus der Kriegsgefangenschaft (27.09.1940) musste er als Zivilarbeiter bei der Textilfirma Biederlack & Co. in Greven arbeiten. Seine Verfolgungsgeschichte beginnt am 9. Juni 1941, als er von einem Bauern bei der Polizeibehörde in Greven wegen eines angeblichen Diebstahls angezeigt wurde. Der Fall wurde der Gestapo Münster übergeben und das Amtsgericht Münster verurteilte Banaś zu sechs Monaten Gefängnis. Am 10. Dezember 1941 wurde er – zwei Wochen vor dem offiziellen Ende seiner Haftstrafe – von der Gestapo aus der Haftanstalt Münster abgeholt. Ob bereits zu diesem Zeitpunkt der Vorwurf des „verbotenen Umgangs“ gegen ihn existierte, ist nicht mehr zu ermitteln. Tatsache ist, dass am 14. Oktober 1941 die ebenfalls bei Biederlack als Putzfrau arbeitende Anna R. verhaftet worden war, da sie sich angeblich mit mehreren Polen – darunter auch Franciszek Banaś – „geschlechtlich eingelassen“ habe. Angezeigt wurde sie – wahrscheinlich auch wegen ihrer „antifaschistischen Gesinnung“ – von jemandem aus dem Betrieb. Nach fast einem Jahr „Gewahrsam“ im Polizeigefängnis Münster wurde sie in das KZ Ravensbrück eingewiesen, wo sie bis zum Kriegsende inhaftiert blieb.

Wacław Ceglewski wurde am 13. Februar 1921 im damaligen Dorf Aleksandrówka (Ciechocinek) in Polen geboren und war von Beruf Friseur. Als Soldat des polnischen Infanterieregiments 14 kam er in deutsche Gefangenschaft (Nr. 724) und wurde am 27. September 1940 aus dem Stalag VI A in Hemer „als Zivilarbeiter nach Münster entl.[assen]”. Zunächst war er bei einem kleinen Fuhrunternehmen in Greven eingesetzt. Später arbeitete er in der Gemeinde Handorf bei einem Bauern in Kasewinkel, wo er bis zum 20. Mai 1941 wohnhaft war. In dieser Zeit musste er bereits wegen angeblicher „unzüchtiger Handlungen“ für fast drei Monate im Gefängnis in Münster einsitzen. Vermutlich seit Anfang Juni 1941 war er bei den Hiltruper Röhrenwerken beschäftigt. Nach der Erinnerung eines ehemaligen Meisters soll Wacław Ceglewski erst einige Monate dort gearbeitet haben, als er „von der Gestapo fortgeholt wurde”. Im Werk wurde damals „davon gesprochen, daß er mit einer deutschen Frau oder einem Mädchen ein Verhältnis hatte.”

Sowohl Wacław Ceglewski als auch Franciszek Banaś verbrachten mehrere Monate in den Händen der Gestapo Münster, bis sie schließlich am Freitag, dem 14. August 1942, auf Anordnung des RSHA nahe Greven hingerichtet wurden. Die Gestapo Münster war für die gesamte Durchführung der Exekution verantwortlich, die in Zusammenarbeit mit der Amtsverwaltung in Greven erfolgte.

Am Tag der Hinrichtung wurden nachmittags zwischen 80 und 100 PolInnen aus Greven von Polizei sowie SA-Angehörigen in die bewaldeten Bockholter Berge gebracht, die dort auch den Hinrichtungsort absperrten. Dieser befand sich am Rande des Boltenmoors nahe des Schiffahrter Damms. Der Galgen war zwischen zwei Bäumen befestigt und unter ihm stand ein Tisch mit versenkbarem Boden. Er war vom Amtsschreiner gebaut und vom Hausmeister des Amtes mit einem Müllwagen dorthin transportiert worden.

Bei der Exekution anwesend waren der Amtsbürgermeister und der NSDAP-Ortsgruppenleiter aus Greven sowie ein Lehrer aus Bockholt. Die Gestapo kam direkt aus Münster zum Hinrichtungsort. Das nun folgende Geschehen beschrieb ein Gendarm wie folgt:

„Etwas später kamen mehrere Autos aus Münster mit Beamten der Gestapo und einige Z[i]vilisten und ein Wagen mit zwei Männern, die die Hände auf dem Rücken gefesselt hatten. […] Einer [Banaś] war etwa 28 Jahre alt, groß und kräftig und trug einen blauen Anzug mit weißem Nadelstreifen; er hatte ein gutes Äußere. Der zweite [Ceglewski] war kleiner, auch etwas jünger [21] als der Große und nicht so gut gekleidet. Nachdem diese beiden Polen zur Hinrichtungsstätte gebracht worden waren von den Gestapoleuten, wurde ein Schriftstück verlesen. […] Nach der Verlesung des Schreibens sah ich, wie zwei Polen heraufgingen, den beiden je einen Strick um den Hals warfen, und in dem Moment fiel der Boden weg und die Aufhängung war passiert. Als sie den Strick umgelegt bekamen, schrieen beide ganz furchtbar. Nachher zuckten sie nur noch kurz.“

Laut Zeugenaussagen ließen die beiden kurz vor der Exekution ihr Vaterland hochleben. Die anwesenden PolInnen mussten „aus Abschreckungsgründen an ihren aufgehängten Landsleuten“ vorbeigehen. Den Tod der beiden stellte der Stadtarzt aus Münster (um 16.20 Uhr) fest. Die Leichen bekam das Anatomische Institut in Münster – die sterblichen Überreste wurden später auf dem Grevener Friedhof bestattet.

Nach 1945 wurde niemand der Verantwortlichen für die Ermordung von Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski zur Rechenschaft gezogen. Es gab zwar in den 1960er Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der Gestapo Münster, im Zuge dessen auch wegen der Hinrichtung der beiden ermittelt wurde. Letztlich wurde jedoch das gesamte Verfahren eingestellt. Für lange Zeit geriet das Geschehen in „Vergessenheit“ und erst Mitte der 1980er Jahre stellte sich die Stadt Greven einer intensiven Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte – inklusive des Schicksals der ZwangsarbeiterInnen. Seitdem wird allen NS-Opfern am Volkstrauertag durch eine Kranzniederlegung am Grab der ZwangsarbeiterInnen auf dem Friedhof in Greven gedacht.

Aber ein explizites und offizielles Gedenken an Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski seitens der Stadt Greven gab es nicht. Auf Grund des ehrenamtlichen Engagements einer Jugendgruppe gibt es zwar seit 2001 in der Nähe der Hinrichtungsstelle eine „Gedenkstätte“, diese ist aber leider kaum bekannt und die Namen der Ermordeten erfährt man dort nicht. Die Stadt selbst entzog sich weiterhin ihrer Verantwortung. Nun bekommen die beiden NS-Opfer immerhin dank der Initiative von städtischen Auszubildenden am 3. November 2017 „Stolpersteine“ auf dem Markplatz in Greven. Die Chance, damit ein würdiges und angemessenes offizielles Gedenken für Franciszek Banaś und Wacław Ceglewski zu verbinden, scheint die Stadt Greven leider nicht zu nutzen.

Christoph Leclaire

Weitere Informationen:

Ausführliche Informationen zum Thema sind in den Beiträgen des Autors in den vom Stadtarchiv Greven herausgegeben „Grevener Geschichtsblättern“ Nr. 7 und 8 nachzulesen: https://www.greven.net/geschichte-downloads.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der Zeitschrift PDF "Die Glocke vom Ettersberg" (Nr. 227, III-2017, S. 3) der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/Freundeskreis erschienen.