20.09.2017
Klage gegen Verfassungsschutz
VVN-BdA-Sprecher
solidarisch mit Silvia Gingold
Die
„Hessenschau“ berichtete am Abend des 19. 09. 17:
Mit großem öffentlichen Interesse hat in Kassel der
Prozess um eine Klage der Friedensaktivistin Gingold gegen den
hessischen Verfassungsschutz begonnen. Gingold forderte am Dienstag vor
dem Verwaltungsgericht, dass der Nachrichtendienst Daten über
sie löscht und die Beobachtung ihrer Person einstellt. Sie
empfinde die Beobachtung als "Eingriff in ihre
Persönlichkeitsrechte", sagte die 71-jährige Tochter
des jüdischen NS-Widerstandskämpfers Peter Gingold.
Vor dem Prozess hatte unter anderem die Partei "Die Linke" zur
Solidarität mit Gingold aufgerufen.
Auf einer Konferenz der
über 100 Besucher des Prozesses, veranstaltet in der Kasseler
Kunsthochschule von der GEW, führte Ulrich Sander,
Bundessprecher der VVN-BdA, aus:
Referat Ulrich Sander
Für Solidarität mit Silvia
Gingold
Kassel, 19. September 2017
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
–
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ist einer in der
Öffentlichkeit leider weithin unbekannten staatlichen
Verleumdungs- und Verfolgungskampagne ausgesetzt. Dagegen wehrt sich
Silvia Gingold mit einer Klage gegen das Land Hessen, das die
Verfolgung dieses Berufsverbotsopfers wieder aufgenommen hat und dies
mit ihrer antifaschistischen Tätigkeit, auch in der VVN-BdA
begründet. Argumentiert wird mit einem gemeinsamen Dokument
des
Bundes- und der Landesverfassungsschutzämter. Diese behaupten
tatsachenwidrig, die VVN-BdA sei eine „linksextremistisch
beeinflusste Organisation“, deren Bestrebungen
„gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung“ gerichtet sei. Die
VVN-BdA sei „dem orthodox-kommunistischen Antifaschismus
verpflichtet“ und trete demzufolge „für
eine
sozialistisch/kommunistische Diktatur“ als „einzig
konsequente Alternative zu ‚faschistischen‘
Gefahren“
ein. Besonders empörend ist die Behauptung, der Schwur von
Buchenwald sei eine verfassungsfeindliche kommunistische Hervorbringung.
Die Verleumdungen der VVN-BdA stammen
ursprünglich
aus den VS-Ämtern von Baden-Württemberg und Bayern.
Zuletzt
stand die VVN-BdA nur noch in Bayern im Verfassungsschutzbericht,
allerdings gelten die Formulierungen von dort – das wissen
wir
seit neustem – auch in anderen Ländern. Dabei spielt
meine
Person eine Rolle. Ich bin einer der Bundessprecher der VVN-BdA, war
wiederholt Opfer der Bespitzelungen mit Höhepunkt der
Beschlagnahme meines journalistischen Archivs. Obwohl Bürger
von
Nordrhein-Westfalen werde ich von der bayerischen
Verfassungsschutzbehörde beobachtet und in ihren Berichten als
„Linksextremist“ ausgewiesen. Ich gehöre
zu den
Bürgern, die angeblich mittels “diffamierender
Beschreibung
der Verfassungswirklichkeit“ und scharfer Kritik
„ein
grundsätzliches Infragestellen der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung“ erkennen lassen. Die „diffamierende
Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ stammt nicht von
mir,
aber wird mir und der VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten untergeschoben. Die
„Diffamierung“, die uns unterstellt wird,
läuft darauf
hinaus, daß der „Kapitalismus, die bestehende
freiheitliche
demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung und mit ihr letztlich
die parlamentarische Demokratie“ zu bekämpfen sei.
Wer als
Antifaschist den Kapitalismus kritisiert, sei ein Anhänger der
„Dimitroff-Thesen“ und bekämpfe die
Demokratie, so der
bayerische Verfassungsschutz. Mit
„Dimitroff-Thesen“ wird
die Politik der KPD umschrieben, nicht mehr vor allem den Sturz der
kapitalistischen Ordnung zu verlangen, sondern für die
„demokratische Republik“ einzutreten.
Dies haben die
Kommunisten vor 1933 lange versäumt und dafür bitter
bezahlt.
Daß in Deutschland mit der NSDAP auch
die
ökonomischen Eliten an die Macht gelangten, die Hitler
brauchten
und förderten, ist keine Erfindung von Georgi Dimitroff,
sondern
das war Kenntnisstand aller politisch klar denkenden Beobachter in
jener Zeit.
Die allgemeine Schlußfolgerung der
Antifaschistinnen und Antifaschisten seit den Jahren 1933/34 war auch,
die Errungenschaften der bürgerlich-demokratischen und
parlamentarischen Gesellschaftsordnung zu verteidigen und auf ihrer
Grundlage die Menschen in den gemeinsamen Kampf gegen Krieg und
Faschismus zu führen. Die Errichtung der demokratischen
Republik
war nach 1945 die Hauptlosung als Schlussfolgerung aus dem Aufkommen
des Faschismus, und unter dieser Losung einigten sich die
Antifaschistinnen und Antifaschisten vieler Richtungen in der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Auch SPD und CDU machten
solche Aussagen.
Die Verteidigung der Grundrechte und des
Grundgesetzes
gehörten und gehören zu den Wesensmerkmalen der
Politik und
Praxis des Antifaschismus. Der KPD-Vorsitzende Max Reimann,
Widerstandskämpfer, KZ-Häftling und
Mitbegründer der VVN
NRW, sagte nach der Fertigstellung des Grundgesetzes im
Parlamentarischen Rat 1948: Wir unterschreiben nicht (weil dies die
Zustimmung zur Spaltung Deutschlands bedeutet hätte), aber wir
werden dieses Grundgesetzes gegen seine jetzigen Verfasser verteidigen.
Der Kampf um Demokratie schließt Kapitalismuskritik der
Antifaschisten nicht aus, setzt sie aber nicht voraus.
Ohne die VVN-BdA in Bundes- und
Länderverfassungsschutzberichten zu erwähnen, wird
sie doch
behandelt, als stehe sie darin. Und eine Verordnung des seinerzeitigen
Bundesfinanzministers Peer Steinbrück besagte: Wenn in einem
Land
eine Organisation im VS-Bericht erwähnt wird, kann sie in
allen
Ländern so behandelt werden, als stehe sie darin. Das kann
bedeuten: Entzug der Gemeinnützigkeit, Diskriminierung ihrer
Mitglieder bis hin zu Berufsverboten, Verweigerung von
öffentlichen Räumen usw.
Der Verfassungsschutzverbund formuliert lt.
Hessischem Verfassungsschutz im Verfahren Silvia Gingold:
„Die
VVN-BdA
duldet Kommunisten in ihren Reihen. So führte der
Bundessprecher
Ulrich Sander in seiner Rede auf dem uz-Pressefest 2014 (Pressefest der
Zeitung „unsere zeit (uz)“, Organ der
„Deutschen
Kommunistischen Partei (DKP)“) in Dortmund u. a. aus:
‚Viele Angehörige der Hinterbliebenen des deutschen
Widerstandes gehören der VVN-BdA an. Sie haben auf dem letzten
Pressefest hier in Wischlingen die neue Zeitzeugenorganisation
‚Kinder des Widerstandes‘ auf den Weg gebracht.
Auch von
diesen Antifaschistinnen und Antifaschisten grüße
ich heute.
Unter ihnen sind viele Kommunistinnen und Kommunisten, denn die
Arbeiterbewegung war besonders aktiv im antifaschistischen
Widerstandskampf.‘“ (AZ vom 7.10.16
L13-257-S-530.005-30/16).
Mein Bekenntnis zum Schwur von Buchenwald wird
extremistisch genannt, ich selbst sei dafür verantwortlich,
dass
die VVN-BdA im Bereich der Verfassungsfeindlichkeit zu finden ist.
Der Schwur, den die Häftlinge in
Buchenwald nach
ihrer Selbstbefreiung im April 1945 ablegten, sei Ausdruck von
Linksextremismus und damit Verfassungsfeindlichkeit: Er lautet, an
seiner entscheidenden Stelle:
„Wir
schwören
deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser
Stätte
des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch
der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die
Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der
Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen
schuldig.“
Der VS Hessen behauptet, er gehe ja gar nicht
gegen
Silvia Gingold vor, indem man sie bespitzelt und überwacht,
sondern man sammele in den Akten über sie ja nur den
„Beifang“. Es werden also andere Personen und
Organisationen überwacht und behindert wie auch diffamiert und
wenn dabei Informationen über Frau Gingold anfallen, dann
würden diese gesammelt. Hauptfang bin demzufolge u.a. ich.
Und es wird ja nicht nur bespitzelt, sondern, wie
die
Steinbrück-.Verordnung zeigt, es kommt ja zu konkreten
Handlungen
gegen Antifaschisten. Wir haben es mit dem Bruch des Grundsatzes
„Keine Strafe ohne Gesetz“ zu tun. Eine der ersten
Maßnahmen der NS-Gesetzgebung 1933 war es, die Bindung
deutscher
Gerichte an festgeschriebene Paragraphen zu lockern. Es stand nun in
Paragraph 1 des Reichsstrafgesetzbuches, dass auch legale
Verhaltensweisen zu bestrafen seien, sofern z.B. das „gesunde
Volksempfinden“ dies erfordere.
Im Bereich der politischen Justiz der
Bundesrepublik ist
lange an der faktischen Beseitigung des Grundsatzes „Keine
Strafe
ohne Gesetz“ festgehalten worden. Wer gegen das Verbotsurteil
des
Bundesverfassungsgerichts gegen die KPD von 1956 argumentierte und
links war, musste mit einer Gefängnisstrafe rechnen, wie der
Bundesgerichtshof entschied. So sollten 1967 die Kommunisten Sepp
Mayer, Franz Ahrens und Hubert Kuschnik (lt. Spiegel vom 17.7.67) von
der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg bestraft
werden,
weil sie als Kommunisten Forderungen erhoben, die sonst jedermann frei
stand, sie zu erheben. Beispielsweise hätten sie die
Wiederzulassung der KPD verlangt. Dies sei Tätigkeit
für die
verbotene KPD. Wenn bürgerliche Politiker dasselbe forderten,
galt
es als zulässig. (Das ähnelt der heutigen Praxis, da
Antikapitalismus der Linken als verfassungsfeindlich gilt, die
Kapitalismuskritik der Mitte jedoch zulässig ist.) Das
Landgericht
Hamburg hat jedoch abgelehnt, entsprechend dem Bundesgerichtshof zu
urteilen. Viele andere Kommunisten wurden für völlig
legale
Handlungen und Äußerungen jedoch eingesperrt, die
als
verbotene kommunistische Propaganda ausgelegt wurden. Und heute sollen
wieder Antifaschisten per Verfassungsschutzverbund belangt werden,
obwohl sie nichts Unrechtes tun – so wie im Fall Silvia
Gingold
sichtbar wird.
Seit Februar 1960 wird Ulrich Sander vom
Verfassungsschutz beobachtet, hier auf einer Geschwister Scholl
Gedenkfeier in Hamburg mit der er in die Akten kam. Und die Bildzeitung
machte mit. Foto und Text vom 29. 02. 1961.
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Dagegen muss man sich öffentlich wehren
und dagegen
haben wir uns öffentlich gewehrt. 1966 hat der TV-Sender
Panorama
zahlreiche Enthüllungen über die politische Justiz in
der BRD
veröffentlicht und der Autor der Sendung Lutz Lehmann hat
darüber ein Buch geschrieben, in dem auch mein
öffentlicher
Protest vorkam. Gegen mich lief 1964 ein Verfahren wegen angeblicher
Einfuhr verfassungsfeindlicher kommunistischer Literatur. Es waren mir
per Post Zeitschriften zugegangen. Ein Untersuchungsrichter in
Wiesbaden las mir freundlicherweise vor, was er in einer Akte
über
mich fand: „1. Sander hat einen Wahlaufruf der Deutschen
Friedensunion unterschrieben. 2. Er hat eine Rede auf einer Geschwister
Scholl Gedenkfeier gehalten. 3. Er hat eine Protesterklärung
gegen
die Ermordung von Julian Grimau Garcia unterschrieben.“ Punkt
1
und 2 kommentiert sich von selbst, Punkt 3 bedarf der
Erklärung:
Der Widerstandskämpfer Grimau war vom spanischen
faschistischen
Regime zum Tode verurteilt und ermordet worden. Dagegen hatte ich
protestiert in einem nichtöffentlichen Schreiben an die
spanische
Vertretung in Hamburg; diese hat es dann an den mit ihr
zusammenarbeitenden Verfassungsschutz weitergeleitet, und so gelangte
es in meine Akte.
36 Jahre später bestätigte man
mir vom VS von
NRW, dass ich seit 1967 beobachtet werde. Ich versuchte, so wie heute
Silvia Gingold, „meine“ Akten einzusehen und ihre
Vernichtung zu verlangen. Das ging schief. Das VS-Amt schrieb mir, ich
könne die Akte nicht einsehen und sie werde auch nicht
vernichtet;
das einzige was möglich war, das war die
unvollständige
Übersendung einer Liste von Überschriften zu
Eintragungen in
die Akte. Zumeist waren es Berichte von Versammlungen, auch
gewerkschaftlichen, an denen ich teilgenommen hätte. An
zahlreichen weiteren DKP-Veranstaltungen, die in Wahrheit
gewerkschaftliche waren, soll ich teilgenommen haben. Ich hatte oftmals
nicht. V-Leute haben sich geirrt. Mein Einspruch nützte
nichts:
Man entgegnete, man werde die Akte nicht ändern, aber gern
mein
Schreiben darin aufnehmen.
Die Sicherheitsbehörden urteilen
über
Antifaschisten, als seien sie die eigentlichen Feinde der Demokratie.
Es wird heute – und leider haben sogar PDS-Vertreter
seinerzeit
in der Eppelmannkommission des Bundestages dem zugestimmt –
von
einem "Antitotalitären Konsens" gesprochen, der Rechts und
Links
gleichsetzt, – und damit wurde der antifaschistische Konsens
einfach ad acta gelegt. Die Rechtskonservativen begnügen sich
natürlich nicht mehr mit diesem Totalitarismuskonsens. Sie
sagen:
„Vielleicht werden die frühen neunziger Jahre
dereinst als
eine Inkubationszeit für den Beginn eines Anti-Antifaschismus
gelten.“ Das schrieb die FAZ (Artikel von Dr. Eckard Jesse am
28.8.1991) bereits im Jahre 1 des neuen großen Deutschlands.
In
diesem Jahre 1 betonte das Organ des Großkapitals FAZ, dass
der
Sieg des 3. Oktober 1990 erst dann vollkommen sei, wenn der
Antifaschismus überwunden ist. Ganz und gar dem entsprechend
formulierte die Eppelmann-Kommission: „Zu den Nachwirkungen
(!)
des Antifaschismus gehört ein ebenso verzerrtes wie
einseitiges
Bild vom nationalsozialistischen System, seinen Opfern und dem
Widerstand gegen ihn. Es gilt, dieses Bild ... angemessen zu
korrigieren.“ (ND, 20. 6. 1994) Dass nicht nur der
DDR-Antifaschismus, immerhin jener, der die wirtschaftlichen Grundlagen
des Faschismus radikal beseitigte, über Bord gehen soll, wird
an
anderer Stelle in dem Bericht deutlich: „Inwieweit zwischen
dem
‚verordneten Antifaschismus‘ und einem
demokratischen
unterschieden werden kann, bedarf noch eingehender wissenschaftlicher
Diskussion...“.
Dazu noch ein Beispiel: Für das ND (siehe
ND 3. 12.
91) nahm ich im Herbst 1991 in Hahnenklee/Westharz an einer
Propagandakonferenz des Bundesinnenministeriums und des
Bundesverfassungsschutzes teil, bei der die Arbeiten der
späteren
Professoren Backes und Jesse nach dem Strickmuster „rot ist
schlimmer als braun, weil noch wirksam“ eine große
Rolle
spielten. Der Anti-Antifaschismus wurde gepredigt. Danach wurde diesem
Begriff von Neonazis mit terroristischen Methoden Nachdruck verliehen.
Unter seinem damaligen Chef Wolfgang
Schäuble
wurden seit Oktober 1990 in Broschüren des
Bundesinnenministeriums
Begründungen für die nach er Abschaffung der DDR
notwendige
Abkehr vom Antifaschismus geliefert. So gab es eine Broschüre
zur
"Inneren Sicherheit" mit dem Titel „Bedeutung und Funktion
des
Antifaschismus“. Darin wird im Vorwort des Ministeriums der
angebliche Missbrauch des Antifaschismus angeprangert: „Die
Linksextremisten sehen in ihm ein neues Schwerpunktaktionsfeld
für
sich, nachdem Friedensbewegung und Anti-Kernkraft-Bewegung abgeflaut
sind. Sie setzen auf die traditionelle Zugkraft des Antifaschismus, um
so ihre Bündnisfähigkeit
zurückzugewinnen.“ (hg.
vom Bundesinnenministerium, Oktober 1990). Mit aller Kraft soll die
antifaschistische Bewegung ausgeschaltet werden. Bisher gelang es
nicht. Und das ist gut so.
Ich verweise auf das Strategiepapier der
Bundesregierung
zur „Extremismusprävention und
Demokratieförderung“, das Bundesinnenminister Thomas
de
Maizière (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD)
im
Juli 2016, lt. junge welt 20. 7. 16, vorstellten. Ministerin Schwesig
hatte sich einst von der Linksextremismusbekämpfung ihrer
Vorgängerin Kristina Schröder (CSU) verbal abgesetzt
–
„Linksextremismus ist ein aufgebauschtes
Phänomen“.
Damit ist nun wieder Schluss. Das Strategiepapier bezieht sich
ausdrücklich auf die Definitionsmacht des Verfassungsschutzes,
der
antifaschistischen Antikapitalismus als linksextremistisch und damit
verfassungsfeindlich definiert. Die Bundesregierung zeige sich laut
jw-Autor Markus Mohr einig, „dass die Extremismen starke
Gemeinsamkeiten aufwiesen“. Die Bundesregierung
fördert nun
„die Präventionsarbeit gegen
Linksextremismus“, und
zwar mit erheblichen Mitteln. De Maiziére:
„Insofern ist
diese neue Extremismusklausel sogar noch schärfer als die
alte“.
Den „Extremisten“ wird jeder
Erfolg streitig
gemacht. Das Vorgehen gegen Silvia Gingold gilt ihrer erfolgreichen
Leserreihe mit dem Buch über ihre Eltern, gilt dem Vorbild
„Gingold“. Die erfolgreiche Losung
„Faschismus ist
keine Meinung sondern ein Verbrechen“ wird von den
Innenministern
in Schriften für die Schulen als verfassungsfeindlich
diskriminiert. Breite antifaschistische Bündnisse werden mit
Provokationen überzogen wie in Hamburg beim G20-Gipfel. Der
legendäre Schwur von Buchenwald wird in den Schmutz gezogen.
Gedenkstätten werden vom Antikapitalismus gereinigt. Die
VVN-BdA
wird in ihrer erfolgreichen Arbeit behindert. Dass wir in Schulen als
Zeitzeugen und Zeugen der Zeugen wirken, lassen wir uns nicht nehmen.
Unvergessen sind die großen Kampagnen der VVN-BdA
„NoNPD“ und derzeit ihr Mitwirken am
„Aufstehen gegen
Rassismus“, gegen die AfD. In der Friedensbewegung ist die
VVN-BdA erfolgreich in der Verbindung „Nie wieder
Krieg“
und „Nie wieder Faschismus“.
Bis heute hat das Bundesinnenministerium das
strategische Ziel, den Antifaschismus zu beseitigen. Bis heute ist es
ihm nicht gelungen.
Seien wir wachsam.
Die VVN-BdA
plant daher,
eine Solidaritätskampagne anzuregen –
Solidarität mit
Personen wie Silvia Gingold und der VVN-BdA
Im Mittelpunkt stehen diese
Feststellungen und Forderungen:
„Wir erinnern daran, dass die
Verstrickung der
‚Verfassungsschutzämter‘ und ihrer
V-Leute, also
staatlich bezahlter Neonazis, in die Mordserie des
‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘ in keinem der
parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hinreichend
aufgeklärt werden konnte. Und es ist an der Zeit, dass der
‚Verfassungsschutz‘ seine Tradition, die mit der
Übernahme von SS-, SD- und Gestapo-Leuten in
bundesrepublikanische
Dienste begann, kritisch aufarbeitet.
Wir fordern:
- Beendigung der Beobachtung der VVN-BdA durch
die
‚Verfassungsschutzämter‘ und ihrer
Erwähnung in
Verfassungsschutzberichten
- Wir verlangen von den politisch
verantwortlichen
Regierungen in Bund und Ländern, die Diffamierung des Schwurs
von
Buchenwald sofort zu beenden.
- Herausgabe und anschließende
Löschung aller die VVN-BdA und ihre Mitglieder betreffende
Daten bei den Behörden
- Streichung von § 51, 3
Bundesabgabenordnung und Anerkennung der Gemeinnützigkeit
aller Gliederungen der VVN-BdA.
Wir bitten alle demokratischen Kräfte,
uns in diesem Kampf weiterhin zu unterstützen.“
Dokument:
Die Antwort
der VVN-BdA
Beschlossen vom Bundeskongress der VVN-BdA am
2.4.17 in Frankfurt am Main
VVN-BdA weist
Angriffe der Inlandsgeheimdienste zurück
Antrag 8 (so einstimmig und ohne Enthaltungen
beschlossen)
(Antragsteller: Landesvereinigung Hessen und NRW)
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -
Bund
der Antifaschistinnen und Antifaschisten weist mit Nachdruck die
verleumderischen Darstellungen und Verfälschungen des
hessischen
Landesamtes für Verfassungsschutz über die VVN-BdA
zurück. Diese fußen auf dem gemeinsamen Dokument des
Bundes-
und der meisten Landes-Verfassungsschutz-Ämter.
Diese behaupten tatsachenwidrig, die VVN-BdA sei
eine
„linksextremistisch beeinflusste Organisation“,
deren
Bestrebungen „gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung“ gerichtet seien. Die VVN-BdA sei „dem
orthodox-kommunistischen Antifaschismus verpflichtet“ und
trete
demzufolge „für eine
sozialistisch/kommunistische
Diktatur“ als „einzig konsequente Alternative zu
'faschistischen' Gefahren“ ein. Die VVN-BdA verfolge
„als
Ziel die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft“. *)
Besonders empörend ist die Behauptung, der Schwur von
Buchenwald
sei eine verfassungsfeindliche kommunistische Hervorbringung.
Für alle diese Behauptungen existiert
nicht ein einziger Beleg.
Tatsache ist: Die VVN-BdA ist eine
überparteiliche,
generationenübergreifende Organisation von Antifaschistinnen
und
Antifaschisten, gegründet vor 70 Jahren von
Widerstandskämpferinnen und -kämpfern gegen den
Faschismus,
von Verfolgten und Opfern des Naziregimes, - was man von
bundesdeutschen Geheimdiensten nicht behaupten kann.
Tatsache ist: Gründungsmitglieder der
VVN-BdA aus
nahezu allen demokratischen Parteien haben die Hessische Verfassung und
die anderen Landesverfassungen mit erarbeitet. Antifaschisten sind nach
wie vor Verteidiger dieser Verfassungen und des Grundgesetzes.
In der Mitgliedschaft der VVN-BdA gibt es
unterschiedliche Weltanschauungen und Faschismusdefinitionen. Keine ist
für alle Mitglieder verpflichtend.
Die VVN-BdA ist keine sozialistische Organisation
und
hat deshalb auch nicht einen Sozialismus zum Ziel. Das hindert uns
allerdings nicht daran, auf Anfälligkeiten im Kapitalismus
gegenüber autoritären, antidemokratischen,
kriegstreiberischen und faschistischen Strömungen hinzuweisen.
Überdies ist festzuhalten: Im Gegensatz
zur
Darstellung des Inlandsgeheimdieses
„Verfassungsschutz“, in
der Demokratie mit Kapitalismus gleichgesetzt und damit ein
wesentlicher Verfassungsgrundsatz verfälscht wird, ist das
Eintreten für einen Sozialismus keinesfalls
verfassungsfeindlich,
vielmehr eine Option der Landesverfassungen und des Grundgesetzes.
Wir wenden uns entschieden gegen die
verleumderischen Behauptungen des Landesamtes für
Verfassungsschutz.
Wir bleiben der feierlich abgelegten Verpflichtung
unserer Gründer, den Faschismus mit seinen Wurzeln zu
vernichten,
verbunden. Wir verwahren uns gegen eine Verunglimpfung und bewusste
Falschinterpretation des Schwurs von Buchenwald, wie dies der hessische
Verfassungsschutz – wie vorher auch andere VS-Ämter
-
getan hat.
Die VVN-BdA wird in geeigneter demonstrativer Form
den Schwur von Buchenwald bekräftigen:
„Wir
schwören
deshalb vor aller Welt auf diesem Ap¬pellplatz, an dieser
Stätte des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst
ein,
wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker
steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der
Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen
schuldig.“
Wir sind entschlossen, dafür zu sorgen,
dass die
Angriffe des Verfassungsschutzes unseren Kampf gegen Neofaschismus,
Rassismus und Menschenfeindlichkeit nicht beeinträchtigen.
Wir fordern die Bundesregierung und die
Landesregierungen auf, dafür Sorge zu tragen, dass die VVN-BdA
nicht weiter „Beobachtungsobjekt“ des
Verfassungsschutzes
ist.
Wir bitten alle demokratischen Kräfte,
uns in diesem Kampf weiterhin zu unterstützen.
*) alle Zitate stammen aus der Klageerwiderung des
Landesamts für Verfassungsschutz in Sachen Silvia Gingold ./.
Land
Hessen
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