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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

21.08.2017

Finanziers der Nazis

Ein Buch beleuchtet die heimlichen industriellen Förderer der NSDAP an Rhein und Ruhr

Fein säuberlich seziert Günter Gleising die Verbrechen der Plutokratie im Ruhrgebiet und ihre Unterstützung des deutschen Faschismus. Sie sei auf der Suche nach einer politischen Kraft gewesen, die ihren Vorstellungen entsprach. Gleising zitiert eine Schrift der Ruhrlade – ein Zirkel, in dem sich 1928 die mächtigsten zwölf Industriellen der Region zusammengeschlossen hatten: »Tarifverträge allenfalls im Betrieb, also nicht überbetrieblich, Beschränkung aller sozialen Ausgaben, Verringerung der Arbeitslosenunterstützung und Kampf den Gewerkschaften.« Im Herbst 1928 hatten die in der Ruhrlade vereinten Stahlkonzerne mit einer 32 Tage dauernden Aussperrung von 230.000 Metallarbeitern an Rhein und Ruhr den schwersten und härtesten Arbeitskampf der Weimarer Republik provoziert.

Adolf Hitler habe die Nähe zu solchen »feinen Herren« gesucht. Er »wollte seine Partei aus der Beschränktheit des bayerischen Raumes herausführen und in den industriellen Zentren an Rhein und Ruhr verankern«, schreibt Gleising. Als Förderer Hitlers habe sich Emil Kirdorf, einer der ersten Finanzmanager, der selbst nicht wie etwa Hugo Stinnes oder August Thyssen Eigentümer eines Konzerns war, hervorgetan. Kirdorf habe 1927 »alle Schulden« der NSDAP bezahlt und Hitler um den Gefallen gebeten, eine Hetzschrift zu verfassen, »in der dieser sich zum Privateigentum bekennt, die Arbeiterschaft in die ›Volksgemeinschaft‹ eingliedert, den deutschen Lebensraum expansiv ausweiten will und vom ›Volk ohne Raum‹ schreibt«.

Die »Kohlebarone« konnten sich auf die Nazis verlassen. Die Faschisten an der Macht hätten Friedrich Flicks Gelsenkirchener Bergwerks AG ein Aktienpaket im Wert von 100 Millionen Reichsmark abgekauft, das an der Börse mit lediglich 25 Millionen Reichsmark gehandelt worden sei. Hitler und Reichsmarschall Hermann Göring, denen Flick kurz zuvor 50.000 Reichsmark zukommen lies, hätten dem Industriellen versichert, den Deal nicht öffentlich zu machen und auch nicht politisch zu thematisieren, erinnert der Autor.

Auch die Zeitungen der Nazis seien finanziell unterstützt worden. »So konnte die Essener Nationalzeitung im Herbst 1931 ungehindert schreiben, dass nach der Errichtung des Dritten Reiches ›die bleichen Knochen der RGO-Führer (Rote Gewerkschafts-Opposition; jW) im leichten Morgenwind an den Laternenpfählen gegeneinanderklappern‹ werden«.

Gleising schreibt eine Geschichte des Klassenkampfs. Er berichtet von zahlreichen Widerstandsaktionen in den Fabriken, die sich gegen Kriegsende steigerten. Kurz vor der Befreiung vom Faschismus, im März und April 1945, ermordeten die Nazis noch hunderte politische Gefangene und Zwangsarbeiter in den Werken. »Diese Verbrechen wiesen eine Ähnlichkeit mit denen der Wehrmacht und der SS in den besetzten Gebieten im Osten Europas auf und geschahen zur gleichen Zeit, als die Industriellen die Hitler an die Macht gebracht und an Rüstung und Krieg verdient hatten, in ihren Villen oder ländlichen Fluchtorten an ihren neuen Lebensläufen bastelten«.

Von Simon Zeise

Günter Gleising: Verbrechen der Wirtschaft – Der Anteil der Wirtschaft an der Errichtung der Nazidiktatur, der Aufrüstungs- und Kriegspolitik im Ruhrgebiet 1925-1945. Ruhrecho-Verlag, Bochum 2017, 268 S., 18 Euro 

Mit freundlicher Genehmigung: https://www.jungewelt.de/artikel/315886.finanziers-der-nazis.html