20.07.2017
Lehren aus der Bewegung gegen
die Berufsverbote für das heutige Ringen um die
Delegitimierung des verfassungsfeindlichen Verfassungsschutzes als
Voraussetzung zur Sicherung des Rechtsstaates
Berufsverbote historisch zu
betrachten – und die dahinter sich befindenden politischen
Positionen fürs heute zu untersuchen, darum geht es
Rechtsanwalt Hans E. Schmitt-Lermann in einem Referat, das in den
Marxistischen Blättern erschien und das wir verbreiten
dürfen. Er fordert: „Wenn dort beim VS der
Kapitalismus schlicht in Demokratie umgetauft und
jeder Bedingungszusammenhang von Kapitalismus und Faschismus
zur staatsfeindlichen Lüge erklärt wird, so sagt
meine Erfahrung, dass wir um eine
breitere inhaltlich-politische und wissenschaftliche
Delegitimierung des Verfassungsschutzes nicht
herumkommen.“
Zur historischen Ausgangslage nur Stichworte:
- Die Nachwirkungen von Faschismus und Krieg in
den Köpfen, vor allem der speziell deutsche
„Schuldabwehr-Antikommunismus“
- Die Rechtfertigung eigener Verstrickungen aus
der Fortgeltung des Kreuzzugs-Konzepts.
- Antifaschismus – wenig attraktiv,
noch weniger der ostdeutsche Sozialismusversuch, der die gesamte
Reparationslast und westliche Wirtschaftsblockaden ertragen musste
- Die Kontinuität der wirtschaftlichen
und politischen Machteliten, vor allem behördlich, justiziell
und publizistisch.
- Dann die erste Berufsverbotswelle nach dem so
genannten Adenauer-Erlass von 1950 gegen Kommunisten und elf andere
linke oder „neutralistische“ Verbände.
- Das „Blitzgesetz“, dessen
nazistische Schöpfer mit dem neuartigen Delikt der
„Staatsgefährdung“ ausdrücklich
die „bloße Gesinnung“ bestraften.
- Das KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichtes
von 1956: Davor etwa 2500, danach knapp 8000 Haftstrafen gegen
Kommunisten, parteilose Unterstützer und aktive
Aufrüstungsgegner. Oftmals standen sie den gleichen
Staatsanwälten und Richtern gegenüber wie in der
Nazi-Zeit. In der verfassungs- und strafrechtlichen Lehre dominierten
bald die Schüler des Cheftheoretikers des braunen
Rechtsnihilismus, Carl Schmitt, der im Rahmen einer
„Feindbestimmung“ durch den Mächtigsten
die „bindungsfreie Gewalt“ zur einzigen Norm
erklärt hatte - konkret gegen in- und ausländischen
Sozialisten, liberalistische Zersetzer und minderwertige
Völker.
- Hans Globke, Vater der Nürnberger
Rassegesetze und dann Herr des
- Bundesbeamtenapparates,
- Reinhard Gehlen, Hitlers und Adenauers
Geheimdienstchef, und Hubert Schrübbers, NS- Sonderrichter
geköpfter Kommunisten und Wehrkraftzersetzer und
Präsident des Bundesverfassungsschutzamtes bis 1975;
- Walter Roemer, der die Geschwister Scholl zur
Guillotine geführt hatte, im Justizministerium für
öffentliches Dienstrecht, also uns, zuständig,
- Wolfgang Immerwahr Fränkel,
fanatischster Henker am Reichsgericht und dann als Generalbundesanwalt
bis zur Spiegel-Affäre fanatischer politischer Strafverfolger
- und , und, und - : alles Leitbilder staatstreuen Beamtentums.
Aber dieser Ära, in der wir haarscharf am
Atomkrieg vorbeigeschrammt sind und F.J. Strauß immer wieder
ankündigte: „Der
2. Weltkrieg ist noch nicht zuende… Die bolschewistischen
Sittlichkeitsverbrecher werden wir bis zum Ural ausradieren“
folgte nach Mauerbau und Kuba-Krise ein Vierteljahrhundert eines realen
und zunehmend gefühlten Koexistenzzwangs, eines hart
erkämpften und nachhaltigen Zivilisationsschubs, der
modernisierenden Anpassung, der Ent-Taiwanisierung (Brandt), eines
neuartigen Verfassungsengagements, ja einer gewissen
„Marxismus-Renaissance“. Egon Bahr bezeichnet die
Entspannungspolitik als „Schleichweg zum Sieg über
die Kommunisten“ - aber wahr ist auch, dass sie eben doch
einen entfaschisierenden Mentalitätswandel in Kauf nehmen
musste, der andererseits große Teile der politischen Klasse,
Geheimdienstler, Personalreferenten und Richter zutiefst
verstörte: Berufsverbote als Ersatzbefriedigung. Hier konnten
die 1950er Jahre weitergehen.
Die Berufsverbote waren eine ausgefeilte
Kombination individueller Repression nonkonformistischer Elemente und
einer rechtskonservativen Ideologieoffensive in einer Zeit, in der dank
eines vorübergehenden linken Autoritätsgewinns so
hochrangige Spektakel wie das KPD-Verbot oder die Hallstein-Doktrin
peinlich geworden waren.
Der Radikalenerlass von 1972 reagierte auf eine
neuartige kritische Jugend, die in die sozialrelevanten und
infrastrukturell-technischen Berufe vom Lehrer bis zum
Lokführer, also den öffentlichen Dienst,
drängten. Und es gab wieder eine zunächst Einfluss
gewinnende Kommunistische Partei. Da sagte der aus der Opposition gegen
die Ostverträge und der Aktion Kanzlersturz bekannte Rainer
Barzel: „Der Öffnung nach außen darf keine
Öffnung nach innen folgen!“
Für Willy Brandt und die Sozialdemokratie
waren die von ihnen selbst losgetretenen Berufsverbote auch als eine
Art „Bauernopfer“ zur Absicherung nach Rechts
kalkuliert – und fehlkalkuliert.
Der Radikalenerlaß als solcher hatte
keinerlei Rechtsqualität. Er war nur eine Meinungskundgabe der
Regierungschefs ans Volk:
Mitglieder oder Personen mit sympathisierenden
Kontakten zur DKP oder Organisationen, die von den Geheimdiensten als
verfassungsfeindlich bezeichnet werden, dürfen nicht in Berufe
und Ausbildungen des öffentlichen Dienstes.
Mangels Rechtsgrundlage war das der
berühmte Stein ins Wasser, um Kreise zu ziehen und im
Instanzenwege an die obersten Gerichte, insbesondere das
Bundesverwaltungsgericht zu gelangen, wo damals noch
„zuverlässige“ Leute aus der braunen Zeit
saßen. Die Namen der höchstrangigen Urteilsverfasser
sind besonders blutbesudelt: Willi Geiger, Weber-Lortsch, Chapeaurouge,
Hering. Und manchmal drängte sich der obszöne
Eindruck auf, dass sich da Alte Kameraden an jungen Mädchen
für Stalingrad rächen wollten. Deren
„Grundsatzurteile“ sollten dann nach unten als
formelle Rechtsquelle dienen, zu dessen Inhalt dann jeder Betroffene
Treue zu bekunden hatte.
Das verstieß natürlich gegen
geltendes Verfassungsrecht, das Gleichheitsgebot nach Art 3 GG, den
gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst allein „nach
Eignung, Befähigung und Leistung“ nach Art 33 II GG,
internationale Schutzabkommen (Übereinkommen gegen berufliche
Diskriminierung Nr. 111 der ILO –Arbeitsorganisation der UNO
- ; die Verletzung hat 1986 der Untersuchungsausschuß der ILO
in einem langen Verfahren rechtsverbindlich festgestellt, was das
BVerwG sofort als „bloße diplomatische
Empfehlung“ ignorierte).
Von den Umgehungskonstruktionen haben sich der
Eignungsmangel und die Treuepflichtverletzung im Sinne des Art.33 V GG
durchgesetzt: “die hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums“, verstanden als antikommunistisches,
quasitotalitäres Denunziationskontinuum, das ja als solches
nicht ganz unlogisch ist: alles Kapitalkritische lässt sich
formallogisch auf einen realen oder gedachten
nicht-kapitalismusimmanenten, also tendenziell revolutionären
Einflussfaktor zurückführen. Verloren geht dabei die
pluralistische Verfassungskonzeption als beweglicher Aggregatzustand
und Kompromiss durchaus gegenläufiger Ordnungskräfte,
ein Kräfteparallelogramm mit Zug und Gegenzug, das Erbe der
Aufklärung.
Umgekehrt hatten alle Nazibeamten, von denen etwa
200.000 irgendwie am Holocaust beteiligt waren, nach Art 131 GG
Anspruch auf vorrangige Einstellung. Sie entsprachen ja auch der
„innerstaatlichen Feinderklärung“ des Carl
Schmitt; soviel zu den „hergebrachten
Grundsätzen“.
Zu den Zahlen:
Von 1972 bis 1987 wurden 3,5 Millionen Menschen
überprüft. Der Verfassungsschutz gab
Negativauskünfte über rund 35.000 Personen heraus.
Die Behörden versperrten anfänglich 11.000 Bewerbern
die Einstellung, von denen sich allerdings viele schon vor
höheren Amtsstellen oder Gericht erfolgreich wehrten, so dass
am Schluss 2.350 nicht eingestellt wurden. 136 wurden entlassen.
Seit der Wende gibt es auch in Bayern keine
Regelanfrage mehr, dafür Fragebogen, denen Denunziationslisten
gegen Organisationen und Parteien angefügt sind. Der Bewerber
soll diese also seinerseits unbesehen als verfassungsfeindlich
denunzieren und damit eine oft widerlegte und weithin als
anrüchig geltende Kampfgruppe gegen Links als
höchstrangige Verfassungsinstanz anerkennen, bevor Gerichte
hierüber geurteilt haben. In und durch diese
Nötigungslage soll sich das durchsetzen.
Trotzdem ist vieles eingeschlafen,
“mangels Masse“ würde man im Konkurs
sagen, aber auch aus Scheu mancher Instanzen, die die
Berufsverbotspolitik und die öffentliche Gegenwehr durchaus
nicht als reinen Sieg für sich verbuchen.
Dabei ist es gelungen, die SPD ein wenig zu
revolutionieren. Sie hatte die Berufsverbote ja losgetreten, um sie -
oft nach der Methode des „kalkulierten
Hineinschlitterns“ - rechts dominierten Gerichten zu
überlassen und die eigenen Hände in Unschuld zu
waschen. Dann gerieten die Oberinstanzen außer Rand und Band
und kreierten die Theorie vom
„unüberprüfbaren
Beurteilungsspielraum“ der Behörden in
Gesinnungsfragen. Da wurden dann auch junge, gewerkschaftlich
engagierte Sozialdemokraten in den Strudel gezogen, vor allem im
Süden der Republik. SPD-Juristen fragten, worin sich solche
unüberprüfbaren Vorgaben eigentlich noch von echter
geheimdienstlicher Weisungsgebundenheit angeblich unabhängiger
Richter unterscheiden. Man stellte dann sogar einige
rechtskräftig Abgewiesene wieder ein.
Zum Pegelstand der Rechtsprechung: Bei der
Verwaltungsgerichtsbarkeit für Beamte sind wir weitgehend
eingemauert, bei der Arbeitsgerichtsbarkeit für Arbeiter und
Angestellte gibt es noch Spielräume. (Das ist ein eigenes
Referat!)
Wir haben damals einen breit gefächerten
Kampf unterhalb der Schwelle des Bundesverfassungsgerichts vorgezogen,
da wir über die dortigen Mehrheitsverhältnisse
genauestens unterrichtet waren. Seine tragenden Gründe haben
Gesetzeskraft; und damit wäre die
Solidaritätsbewegung schwer geschädigt worden.
Herbert Wehner hoffte öffentlich, dass „dort mit dem
Berufsverbotsgeschrei schnell tabula rasa gemacht wird“. In
Karlsruhe wartete ein obsessiver Antisozialist , der
zuständige Dezernent Hans Hugo Klein, auf uns. Er war und ist
u.a. der führende Verfechter des braunen Rechtsterroristen
Carl Schmitt. Nein, einem solchen legt die Tochter von Peter und Etty
Gingold nicht ihr Haupt vertrauensvoll in den Schoß.
Kommunisten waren die am schwersten Betroffenen,
aber nicht die meisten. In Bayern waren es etwa 70 Prozent
–Mitglieder von VVN, DFG-VK, DFU, SHB, Asten und
Fachschaften, anfangs sogar Freidenker, Naturfreunde und
Notstandsgesetzgegner aus längst vergangener Zeit - denen eine
personelle oder ideelle Kontaktschuld mit Kommunisten vorgeworfen
wurde.
An ihnen wird deutlich, dass die Berufsverbote
sich nicht nur gegen Existenz- und Karriereinteressen richteten,
sondern gezielt für eine rechtskonservative Ideologiekampagne
instrumentalisiert wurden. Natürlich war immer der
„Kommunismus“ Hauptbezugspunkt des
Denunziationskontinuums, der schmierseifigen Gleitschiene. Ihnen wurde
übrigens nie eigenes verfassungsfeindliches Handeln oder
Äußern vorgeworfen; sondern das wurde gelegentlich
von alten marxistisch-leninistischen Zitaten, meist aber von wirklichen
oder angeblichen Missständen in der SU und in der DDR
hergeleitet, die doch immerhin zu einem Teil (!) auf den Raub- und
Vernichtungskrieg zurückzuführen waren, den die
gleiche politische Klasse einmal so fanatisch betrieben hatte. Die
verantwortlichen Organe fürchteten keinen Umsturz, sondern
eine lang andauernde Koexistenz von Kapitalismus und Sozialismus.
Letzterer sollte nicht langsam vom feindlichen Störfaktor zum
gefühlten Ordnungsfaktor aufsteigen.
Unter dem Dach des Antikommunismus hatte die
Ideologiekampagne drei Angriffsrichtungen (für eine vierte,
die sozialkritische Hochschulwissenschaft, fehlt hier die Zeit);
Erstens: Bei Kommunisten wie linken
Sozialdemokraten wurden Gedanken gewerkschaftlichen
Kämpfertums oder der Wirtschaftsdemokratie als
verfassungsfeindlich angegriffen. Gebündelt aus vielen
diffusen Einzelheiten:
Der Positionenkampf gegenläufiger
sozialer Interessen, schon mal „Klassenkampf“
genannt;
Zweifel an einem neutralen väterlichen
Verteilerstaat; und vor allem die Betonung notwendiger
Selbsttätigkeit der Unterlegenen für eigene soziale
und demokratische Interessen. Das sind die drei Säulen, auf
denen eigentlich jede wirkliche Gewerkschaftsarbeit beruht.
Da wurden Legitimationsreserven auf Abruf
angelegt: für eventuelle soziale Unruhen,
Notstandsfälle, z.B. dass gewisse Streiks für einen
Exportmeister wie uns als gemeinwohlwidrig/ verfassungsfeindlich gelten
müssen. Bezeichnenderweise wurden oft gerade unter der Glocke
eines „DKP-Falles“ weniger die kapitalkritischen
Aussagen diskriminiert, die einen DKP-Vorsitzenden Mies und einen IG
Metall-Vorsitzenden Steinkühler trennten, sondern solche, die
ihnen gemeinsam waren: zu gleichen Bildungschancen, zum Widerstand
gegen Kapitalmacht, zum Gemeineigentum in der Stahl- und Autoindustrie,
um Arbeitsplätze zu retten, oder zur
Rüstungskonversion.
Den wunden Punkt, aus dem sich der
quasitotalitär antikommunistische Denkansatz eigentlich schon
verbietet, hat das hochkonservative, aber als rassisch Verfolgter
kritisch gebliebene Gründungsmitglied des
Bundesverfassungsgerichts Gerhard Leibholz berührt:
“Ohne Stalingrad kein
Grundgesetz!“. Wenn die Verfassungsschutzberichte und die
Veröffentlichungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
alles, was sich je kritisch bewegte, auf die Kommunisten bzw. alles,
was von der reinen Profitlogik abweicht, auf eine sozialistische
Gegenposition zurückführten, haben sie eigentlich
ungewollt diese als zentralen Bezugspunkt und Kraftquell anerkannt, der
den Finanzmarktkapitalismus hindert, totalitär zu werden.
Diese Ordnungsfunktion bleibt auch und erst recht, nachdem sich die
realsozialistische Macht verabschiedet hat.
Zweitens: Die Friedensbewegung: Der immerhin von
US-Präsident Eisenhower warnend geprägte Begriff des
„militärisch-industriellen Komplexes“ galt
als Verleumdung der verfassungsmäßigen
Wirtschaftsordnung. Der Begriff „friedliche
Koexistenz“: ein Leninscher Kampfbegriff, um sich
für revolutionäre Umtriebe mehr Ruhe zu verschaffen.
Die BRD hat völkerrechtliche Verträge unterschrieben,
in denen die friedliche Koexistenz als Rechtsbegriff erscheint, aber
gleichzeitig wurde im Innern abgeschottet, indem man die
Träger dieses Gedankens der Verfassungsfeindlichkeit
bezichtigte, so den Grundschullehrer Gerhard Bitterwolf wegen dessen
Forderung, das Helsinki-Abschlußdokument von 1975 an den
Schulen zu verbreiten, wie es dieses Dokument selbst den Staaten zur
Pflicht machte. Dem Grundschullehrer Manfred Lehner wurde der von
DDR-Dissidenten geschenkte Aufstecker „Schwerter zu
Pflugscharen“ übel vermerkt, da dies auch
„der von Kommunisten meist missbrauchte
Bibelspruch“ sei.
Als Anwalt hatte man gleichsam einen an die
Armesünderbank gefesselten Bundespräsidenten
Heinemann vor dem auftrumpfenden Redaktionskollegium des BAYERNKURIER
zu verteidigen. Da wurden Nadelstiche aus der CSU in den weichen
Unterleib der damaligen Bonner Entspannungspolitik gestoibert. Und erst
als dies mithilfe der damals starken Friedensbewegung skandalisiert
wurde, versickerten die Friedens-Berufsverbote (nicht durch
rechtsstaatliche Kniffe).
Drittens: Der Antifaschismus. Ich wage die
Behauptung, in dieser Sickerschicht der subalternen Prozesse, wo kleine
Lehramtsanwärter und Friedhofsgärtner um ihre
Existenz ringen mussten, wurde die Historikerdebatte ab 1986, Ernst
Nolte und der Veldensteiner Kreis schon vorweggenommen: Der Faschismus
und seine Kriege als legitime Notwehr gegen eine Revolution, die
ihrerseits keine Notwehr der Völker gegen kriegerisches und
kolonialistisches Gemetzel war, sondern als terroristische Utopie
frustrierter Bohemiens vom Himmel geschneit ist.
Antifaschismus war wegen der
maßgeblichen Beteiligung prokommunistischer Ideen und
Opfergruppen prinzipiell verfassungsfeindlich – denn der
Faschismus war unbestreitbar die konsequenteste Gegenbewegung gegen die
marxistische Gefahr. Kinder von Naziopfern, die im Spanienkrieg
gekämpft hatten, wurden genötigt, den Franco-Putsch
gegen die „bolschewistische“ - gemeint war die
verfassungsmäßig gewählte
linksbürgerliche Regierung – als Befreiungstat zu
loben. Zu dem Großtransparent der von Guido Knopp gezeigten
Reichsparteitage: „Macht Deutschland vom Marxismus
frei!“ sollten sie bekennen: „Insoweit hatten die
Nazis ja recht!“
Hier die Festschrift des Bundesamtes für
Verfassungsschutz mit dem Hauptartikel von Eckart Jesse:
„Vergangenheitsbewältigung – eine
Delegitimierungsstrategie der Linken“.
Hier im Verlag des Verfassungsschutzes
„Antifaschismus als innen- und außenpolitisches
Kampfmittel“ von Horst Helmut Knütter und anderen
rechtsradikalen Autoren.
Hier die Habilitationsschrift der
Verfassungsschutzdirektorin Bettina Blank „Deutschland -
einig Antifa?“, die selbst die FAZ als
„Blickverzerrung mit Rechtsdrall“ verrissen hat.
Das ist keine „bedauerlicherweise in
NSU-Verbrechen verwickelte Sicherheitsbehörde“,
sondern von vorneherein eine als Behörde getarnte
Anti-Antifa-Organisation mit erheblichen Schnittmengen mit
Rechtsradikalen.
Damit verlassen wir den historischen
Abriß
Und wir sind bei der aktuellen
Hauptstoßrichtung des Verfassungsschutzes angelangt, dem
Anti-Antifaschismus - auch als Hebel gegen die in der
Weltwirtschaftskrise virulente Kapitalkritik angelegt -, vor allem in
den aktuellen juristischen Feldzügen gegen die VVN.
Es geht nicht an, dass nach derzeitiger
Rechtsprechung die radikalen Positionen des Verfassungsschutzes
„Meinungsfreiheit“ wie jede andere Meinung
genießen und damit den strengen Maßstäben
eines belastenden Verwaltungsaktes entzogen und dann gleichzeitig
abgesegnet werden als „Präjudiz“, d.h.
letztgültiges und existenzvernichtendes Verdikt im angeblich
„unüberprüfbaren
Ermessensspielraum“ einer angeblichen Fachbehörde
für Verfassungsfeindliches, als welche sie gesetzwidrig das
Bundesverfassungsgericht abgelöst hat. Die zu Professoren
hochgehieften Autoren von Verfassungsschutz- und
„Hanns-Seidel-Stiftung“ geben offenherzig zu
erkennen, dass ihr eklatantes wissenschaftliches Defizit durch
repressive „Sicherheitspolitik“ ausbalanciert
werden soll. Wenn dort der Kapitalismus schlicht in Demokratie
umgetauft und jeder Bedingungszusammenhang von Kapitalismus und
Faschismus zur staatsfeindlichen Lüge erklärt wird,
so würden sich dem 90 Prozent aller potentiellen
Sachverständigen aus Gesellschaftswissenschaft und
Demokratietheorie widersetzen, seien es sozialliberale Profs. wie W.
Wippermann, W. Benz und N. Frei, seien es regierungsnahe Konservative
wie H.A. Winkler, ja auch die richterlichen Verfasser des KPD-Verbots
Martin Drath und Konrad Zweigert in ihren eigens dazu hinterlassenen
Gutachten. Nein, die immer noch etablierte wissenschaftliche
Mehrheitsmeinung, die eben nicht als randständige
Schutzbehauptung toleranzheischender Opfer gedemütigt und
bestraft werden darf, muss endlich sichtbar gegen den schleichenden
Siegeszug nach wie vor anrüchiger repressiver Mindermeinungen
in Front gebracht werden; denn dort spielt leider die Musik. Unsere
Losung sei: Kein Gewaltmonopol für Geschichtsrevisionisten!
Kleiner Exkurs
Meine Erfahrung sagt, dass wir um eine breitere
inhaltlich-politische und wissenschaftliche Delegitimierung des
Verfassungsschutzes nicht herumkommen –und dies - hier liegt
ein Problem! – ohne Belastung des um seine Existenz ringenden
Individuums, das dafür billig und gemein abgestraft werden
kann. Nur wegen dieser demütigenden Waffenungleichheit konnten
die rechten Ideologeme des Verfassungsschutzes in der Rechtsprechung
überhaupt so weit vordringen.
Vor allem in der wissenschaftlichen
Öffentlichkeit sind das aber auch heute noch wenig angesehene
Minderheitspositionen und diese Diskrepanz zum nach wie vor
herrschenden wissenschaftlichen Mainstream muss aufbereitet und genutzt
werden. Gerade in den vordringenden Verfahren, in denen die VVN Bayern
als Organisation und der von ihr vertretene Antifaschismus direkt
betroffen sind, konkret im laufenden Pilotprozeß in
München, mit dem ihr – und dann der
Gesamtorganisation – die steuerliche
Gemeinnützigkeit entzogen werden soll, da sie extremistisch
beeinflusst sei. Dem bayerischen Verfassungsschutz folgend, urteilte
das Verwaltungsgericht München 2014, dass ihr auch ohne
entsprechende Verbandsdokumente allein durch die
Überrepräsentation von Linken – und gerade
weil sie eben durchaus in der historisch Sache liege! – ein
marxistisches Faschismus-Verständnis zuzurechnen ist, das
Faschismus und Kapitalismus in einen Bedingungszusammenhang bringt,
womit die Verfassungsordnung bereits in Frage gestellt sei. Denn im
Schwur der Häftlinge von Buchenwald soll ja der
„Faschismus mit seinen Wurzeln“ beseitigt werde.
Mit „Wurzeln“ sei verfassungsfeindlicheweise der
Kapitalismus gemeint. Alle Demos gegen Pegida und SS-Traditionstreffen,
zu denen die VVN mit-aufgerufen habe, seien extremistisch, auch wenn es
keine Demonstrationsdelikte gab. Denn die Losung „Faschismus
ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ richte sich gegen
die Meinungsfreiheit der Verfassung. Die bedauerliche Teilnahme des
Bundestagspräsidenten Thierse an Blockaden und Kanzler
Schröders Ermutigung zum „Aufstand der
Anständigen“ sei dieser gefährlichen
Sogwirkung des VVN –Antifaschismus geschuldet.
Die tonangebenden linken Antifaschisten
behaupteten nämlich zweierlei Grundwidersprüche: 1.
zwischen Kapital und Arbeit, 2. zwischen Produktivkräften und
Produktionsverhältnissen. Das allein genüge, um darin
den Marxismus-Leninismus zu erkennen, den das KPD-Verbotsurteil
angeblich verboten habe.
Seit der Globalisierung, Entstaatlichung,
Finanzmarktkrise, Bankendominanz, Deregulierung, Privatisierung werden
wir von hochrangigen Werken überschwemmt, die den Kapitalismus
auch als System in Frage stellen und zwar gerade wegen Aushebelung der
Demokratie, auch von prominenten Kapital-Insider wie dem
langjährige Chefökonom der Weltbank und
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Dann wären also
weit über die Hälfte westlicher Sozialwissenschaftler
„Marxisten-Leninisten“. Im übrigen haben
gerade die beiden Verfasser des KPD-Verbots Bundesverfassungsrichter
Prof. Martin Drath und Konrad Zweigert gegutachtet, dass ihr Urteil
keineswegs die marxistisch-leninistische Lehre und jede Art von
Kommunismus aus dem Verfassungsbogen entfernen wollte.
Was aber sagen 90 Prozent der Wissenschaft
– ob links oder konservativ: Selbstverständlich
besteht ein enger Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus!
Thomas Mann und Albert Einstein haben ihn leidenschaftlich angeklagt.
Es existiert keine sozialdemokratische Faschismusanalyse, die das nicht
getan hätte. Wenn die Konservative Hannah Arendt den
Faschismus als „Bündnis von Kapital und
Mob“ definiert, tut sie immer noch dasselbe. Die
Theoriepäpste Adorno und Horkheimer: „Wer vom
Kapitalismus nicht sprechen will, soll vom Faschismus
schweigen!“
Wenn dort „Kapitalismus“
schlicht in „Demokratie“ umgetauft wird, erhebt
dagegen die mehrheitliche Sozialwissenschaft und Demokratietheorie die
Anerkennung der Spannung zwischen beiden geradezu zur Voraussetzung
demokratischer Gesinnung. Inzwischen handelt es sich nicht mehr um
einen Anti-Antifa-Vorstoß aus der „Ordnungszelle
Bayern“ heraus, sondern um eine bundesweit koordinierte
Crash-Offensive gegen den Antifaschismus. Dem VVN-Bundesvorstand wurde
jetzt vom Familienministerium eine Inanspruchnahme des
Freiwilligendienstgesetzes mit der lapidaren Begründung
versagt, „nach Auskunft der Sicherheitsbehörden
erkennt die VVN die rechtsstaatliche Ordnung nicht an“.
Punkt! Einbürgerungsbewerbern wird die ihnen bisher unbekannte
„Dimitroff-Formel“ vorgelegt, wonach
„der Faschismus an der Macht die Herrschaft der aggressivsten
Kreise des Finanzkapitals“ bedeute, die sie dann glaubhaft
verabscheuen müssen.
Der Verfassungsschutz und seine Autoren, die
Eckard Jesse, Bettina Blank, Rudolf van Hüllen usw. geraten
außer Rand und Band. Gleichzeitig aber sind die
Organisationen selbst immer öfter Prozessparteien, nicht
kleine existenzbedrohte Individuen. Diese Konstellation birgt aber auch
Chancen für einen Paradigmenwechsel: Da steht nicht eine die
Mehrheit autoritativ vertretende Fachbehörde für
staatspolitisches Selbstverständnis gegen kleine
toleranzheischende Außenseiter, sondern umgekehrt die immer
noch herrschende Wissenschaft gegen anrüchige, NSU-verstrickte
Spitzel.
Beispiel: Wenn wir in einem VVN- oder sonstigen
Antifa-Verfahren hochrangige Politologen und Historiker – mit
Antifa-Sympathien wie z.B. die Professoren Wolfgang Wippermann,
Wolfgang Benz oder Norbert Frei oder Konservative wie Heinrich August
Winkler u.a. – als Sachverständige zur
öffentlichen Verhandlung laden und diese das vielleicht
publizieren, dann sei das Beweisthema nicht die
„Richtigkeit“ der kapitalismuskritischen
Faschismustheorien, sondern wertungsfrei der Rang und Stellenwert
wissenschaftlicher Auffassungen die den Faschismus maßgeblich
von Triebkräften, realen Machtstrukturen, Erscheinungsformen
und Konstellationen des Kapitalismus herleiten, in der deutschen und
internationalen scientific community.
Das genügt vollkommen.
Das NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat
– abgesehen davon, dass es den Geschichtsrevisionisten Eckard
Jesse zum Hauptgutachter emporhiefte, so für die Harmlosigkeit
der NPD - uns auch insofern Böses gebracht, als es die
Verbotsfrage und die Verfassungswidrigkeitsfrage entkoppelte, also das
„Parteienprivileg“ beseitigte. Ein
Großteil unserer Unterstützer im Berufsverbotskampf
sagte ja nur: „Solange die Partei nicht als verfassungswidrig
verboten ist, darf die legale Tätigkeit für sie nicht
bestraft werden“. Das ist jetzt schwerer geworden.
Es bleibt eigentlich nur noch die inhaltliche
Entwertung und Skandalisierung der Verfassungsschutzverleumdungen. Der
Anwalt kann nur eine Kraft umsetzen, die außerhalb vorhanden
ist oder gerade entsteht; er selbst ist als Scharfmacher ein schlechter
Verteidiger. Er muss moderieren und den Instanzen Motive vermitteln,
sich erst mal an Gesetze zu halten, was in politischen Verfahren nicht
selbstverständlich ist: als
„Formelkompromiß“ – die
eigentliche Kraft kommt aus den Inhalten.
Ende des Exkurses.
Ich habe hier den inhaltlichen
Instrumentalisierungsaspekt herausgestellt, weil er nämlich
auch umgekehrt bewirkt hat, dass wir oft aus den sachlich betroffenen
Konfliktfeldern sachbezogene Solidarität mobilisieren konnten
- Friedensbewegung, Antifaschismus, engagierten Berufsgruppen in
Erziehung, Wissenschaft, Sozialarbeit, Medizin, die mit Recht Gefahr
auch für kritische Ansätze in der eigenen Sache sahen
– und damit dann auch gegen die Methodik des allbeliebigen
Kommunistenschrecks.
Darum möchte ich zum Schluss eine
herausragende moralische und politische Qualität unseres
Berufsverbotskampfes ansprechen. Anders als noch in der finsteren
Knastszenerie der politischen Strafjustiz, gab es hier ein breit
bekanntes aktives Milieu solidarischer Kollektivität. Trotz
nervenzerreißenden Distanzierungsdrucks hat kein Betroffener
je andere Personen oder Organisationen der Verfassungsfeindlichkeit
geziehen, bei allen klaren Unterschieden: kein Religionslehrer einen
Kommunisten. Das hat geholfen.
Unbedingt genannt werden muss die
hochqualifizierte Solidaritätsleistung der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Um mit Franklin Roosevelt zu sprechen: Was wir
fürchten müssen, das ist die Furcht.
Rechtsanwalt Hans E. Schmitt-Lermann
(München)
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