10.05.2017
Skandale um den Schwur von Buchenwald und um die Bundeswehr
Zum 8. Mai 2017 – Rede von Gerhard Hoffmann, Frankfurt an der Oder
Gerhard Hoffmann, Pressesprecher der
Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V., hat am 8. Mai am
sowjetischen Ehrenmal in Frankfurt/Oder anlässlich des Tages der
Befreiung eine Gedenkrede mit aktuellen Bezügen zum Bundeswehr-
und Verfassungsschutzskandal gehalten. Aus diesem Anlass sprachen auch
Vertreter der VVN-BdA, von Die Linke, des DGB und eines Vereins Utopia,
autonome Antifas. Anwesend waren auch Menschen aus der früheren
Sowjetunion dabei, organisiert in der Jüdischen Gemeinde. Einige
trugen ihre Kriegsauszeichnungen.
Hier die Rede:
Ihnen allen, die Sie an diesen Ort gekommen sind, um den
Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus zu begehen, Ihnen, die Sie
morgen am 9. Mai den Tag des Sieges feiern werden, unseren Gruß
und Dank.
Während in Frankreich der Tag der Befreiung
Nationalfeiertag ist, gelang es in der Bundesrepublik Deutschland
bisher nicht, diesen so bedeutsamen Tag in den hohen Rang zu heben.
Im zweiundsiebzigsten Jahr nach der bedingungslosen
Kapitulation des so genannten Großdeutschen Reiches und der
Befreiung des deutschen Volkes vom faschistischen Terror ist es
notwendig, darauf zu verweisen, dass dieser von Deutschen entfesselte
Krieg schätzungsweise 65 Millionen Opfer forderte, dass allein die
Völker der Sowjetunion 27 Millionen Kriegstote zu beklagen hatten.
Mit diesem Bewusstsein beunruhigt es gewaltig, wenn
deutsches Militär an die Grenzen Russlands verlegt und dort
stationiert wird. Zugleich fehlen russische Farben für das
Berliner Brandenburger Tor genau so wie Opferempathie. Das neue
Feindbild ist geschaffen und der deutsche Militarismus ist
hoffähig. Jüngste Ereignisse in der Bundeswehr beleuchten den
Zustand in der Truppe.
Es verwundert schon, wie erstaunt Politiker,
Militärs und Medien über den Haufen ideologischen Unrates
tun. Alle wissen doch, dass es Nazigeneräle waren, die diese Armee
schufen. Alle wissen seit ewigen Zeiten um die Traditionspflege, um
Kasernennamen von Nazi- und Kriegsverbrechern. Alle wissen, dass
die Feldjäger der Bundeswehr seit 1956 »Jedem das
Seine« zu ihrem Motto erkoren haben[1] … Der Geist der
faschistischen Wehrmacht ist keineswegs getilgt, neuer ist
hinzugekommen. Ein Blick ins Bundeswehrwörterbuch lässt unter
A ein »Adolf-Eichmann-Gedächtniszimmer« als Synonym
für den Gasübungsraum finden.[2] Das ist der so genannte
»Geist der Truppe«. Ein aufgefallener neofaschistischer
Oberleutnant wird beschwichtigend als Soldat bezeichnet. Ja, ein
Offizier ist ein Soldat. Im konkreten Kontext handelte ein Offizier und
er flog auf im zweiundsiebzigsten Jahr nach der Zerschlagung des
deutschen Faschismus.
Das bedeutet nichts anderes, als dass Faschismus
zweiundsiebzig Jahre durchaus genährt wurde. Und so ist zu
verstehen, dass eine als verfassungsfeindlich erkannte neofaschistische
Partei wegen angeblicher Bedeutungslosigkeit ihre Legalität
behalten darf.
So verwundert es überhaupt nicht, dass die
zahlreichen und immer besser und mit übergreifenden Vollmachten
ausgestatteten Geheimdienste dieser Bundesrepublik das alles nicht
erkennen können, wollen oder dürfen. Sie sind damit befasst,
den Nachweis zu erbringen, dass jene, die sich dem antifaschistischen
Vermächtnis und dem Schwur der befreiten Häftlinge des
Konzentrationslagers Buchenwald vom 11. April 1945 verpflichtet
fühlen, Verfassungsfeinde sind.
In Buchenwald wurde geschworen
»Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln
ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und er
Freiheit ist unser Ziel.«
In einem Dossier des Verfassungsschutzverbundes, in dem
das Bundesamt und die Verfassungsschutzämter der 16
Bundesländer eng zusammen arbeiten, wird tatsachenwidrig
behauptet, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten sei eine »linksextremistisch
beeinflusste Organisation«, deren Bestrebungen »gegen die
freiheitlich demokratische Grundordnung« gerichtet seien. Die VVN
sei »dem orthodox-kommunistischen Antifaschismus
verpflichtet« und trete demzufolge » für eine
sozialistische/ kommunistische Diktatur« als »einzige
konsequente Alternative zu ›faschistischen‹
Gefahren« ein.[3] Für alle diese Behauptungen existiert
nicht ein einziger Beleg.
Besonders empörend ist die Behauptung, der Schwur
von Buchenwald sei eine verfassungsfeindliche kommunistische
Hervorbringung.
Wir wenden uns am Tag der Befreiung hier am Ehrenmal
für die im Kampf gegen die deutschen Faschisten gefallenen
Angehörigen der Roten Armee entschieden gegen die verleumderischen
Behauptungen des Verfassungsschutzes. Wir verwahren uns mit allem
Nachdruck gegen die Verunglimpfung des Schwurs von Buchenwald.[4] Wer
geschichtsvergessen den Schwur von Buchenwald als in der Bundesrepublik
Deutschland verfassungsfeindlich einstuft, entwürdigt die Opfer
des Faschismus und legt vor der Welt Zeugnis ab, aus der Geschichte
nicht gelernt zu haben.
Betroffenheit über Zunahme rechtsextremistischer,
rassistischer, fremdenfeindlicher Angriffe, über Ungeist in den
Streitkräften sind in diesem Kontext elende Heuchelei.
[1] Vgl. Hermann Klenner: Jedem das Seine! Geschichte eines Schlagwortes. In: Ossietzky 4/2002.
[2] Siehe http://www.unmoralische.de/bundeswehr.htm, 5.Mai 2017, gh
[3] Alle Zitate stammen aus der Klageerwiderung des
Landesamts für Verfassungsschutz in Sachen Silvia Gingold ./. Land
Hessen
[4] Vgl. Antrag 8, einstimmig ohne Enthaltungen beschlossen vom Bundeskongress der VVN-BdA am 2.4.2017 in Frankfurt am Main.
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