09.05.2017
8. Mai-Gedenkfeier in
Münster
Die
Verfassung mit ihren antifaschistischen und konzernkritischen Aussagen
wartet auf ihre Verwirklichung
Am Zwinger, einer
Gedenkstätte in Münster, veranstaltete die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/VVN-BdA am 8. Mai eine
Gedenkveranstaltung. In seiner Rede rief Ulrich Sander, Bundessprecher
der VVN-BdA, dazu auf, das Vermächtnis der Antihitlerkoalition
zu erfüllen, und er äußerte Kritik am
Verfassungsschutz und am Verfassungsgericht, deren Wirken die
Rechtsentwicklung begünstigten. Hier der Wortlaut der Rede:
Ich war damals vier Jahre alt, war durch das
brennende Hamburg gestolpert, lebte dann mit meinem Bruder und meiner
Mutter weit vom zerstörten Zuhause nun in einer Kleinstadt in
Mecklenburg und sang zusammen mit Spielkameraden zum letzten Mal: Heute
gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt. Am 9. Mai
1945 ermahnte meine Mutter uns, dies schreckliche Lied nicht mehr zu
singen. Wir waren von den Weltbeherrschern befreit und es gab niemanden
unter den uns bekannten Erwachsenen, der sich nicht befreit oder
vielmehr erleichtert fühlte. Heimlich hatten einige dieser
Erwachsenen BBC-Radio gehört und diesen Satz drei Monate vor
Kriegsende vernommen: „Es ist unser unbeugsamer Wille,
den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu
zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland
nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören.“ Das
hatten die Staatsoberhäupter Großbritanniens, der
USA und der UdSSR auf einer Konferenz erklärt.
Der Schwur von
Buchenwald gilt
Ähnliches hatten die sich selbst
befreienden Häftlinge von Buchenwald am 19. April geschworen:
„Wir
stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den
Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit
seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des
Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Was wir bis vor kurzem nicht wussten, das ist die
Tatsache, dass die vereinten Geheimdienste des Bundes und der
Bundesländer in einem
„Verfassungsschutzverbund“ diesen Schwur 70 Jahre
später auf die Liste der verfassungsfeindlichen Dokumente
setzen würden. Alles was sich gegen den Kapitalismus richtet,
gilt als verfassungsfeindlich.
Doch der Schwur entspricht unbedingt der
Verfassung. Sie hat durchaus antikapitalistisch-antifaschistische
Elemente.
Zu den Landtagswahlen am 14. Mai verlangen wir
daher, dass die Landesverfassung ernst genommen wird. Artikel 26 und 27
der NRW-Landesverfassung gebieten die Entmachtung der
marktbeherrschenden Konzerne. Auf der Grundlage dieser Artikel
müssten Betriebe wie z.B. Thyssen-Krupp oder Rheinmetall
vergesellschaftet werden, um damit ihr kriegerisches Wirken als
Rüstungskonzerne zu beenden. Ganz aktuell ist an die IG Farben
Nachfolger zu erinnern. So hat Bayer einen Teufelspakt mit einem
Konzern der USA, Monsanto, der mit Gefährdung von Umwelt und
Gesundheit der Menschen bekannt wurde, geschlossen. Derselbe
Bayerkonzern hat sich mit einer großen Spende am Wahlkampf
für den erzreaktionären Donald Trump in den USA
beteiligt.
Kampagne gegen
die Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945
Wir, die VVN-BdA haben eine Kampagne
gestartet, um an die Verbrechen der Wirtschaft von 1933 bis 1945 zu
erinnern, an Versklavung, Raub, Ausbeutung, Kriegsprofite, an
Mitwirkung am Holocaust. Kürzlich hat man in
Gelsenkirchen ein Kriegerdenkmal aus der Nazizeit, aufgebaut vor dem
Schalker Verein, nun einen neuen Platz auf jenem Gelände
gegeben. Man hätte jedoch das sog. Nazi-Schwert verschrotten
sollen. Dafür treten wir im Rahmen der Aktion Spurensuche
Verbrechen der Wirtschaft ein. Denn Denkmale für den Krieg
werden bewahrt: Hingegen droht der Schwur von Buchenwald, dieses
geistige Denkmal und große antifaschistische Kulturerbe,
geschreddert zu werden. Dieser Schwur wurde nun – ich sagte
es schon - von einem „Verfassungsschutzverbund“ des
Bundes und der Länder als verfassungsfeindlich und Ausdruck
der „kommunistischen Faschismusdefinition“
eingestuft.
Den Kampf erst einzustellen, wenn auch der letzte
Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Und den Nazismus
mit seinen Wurzeln zu vernichten! Dazu riefen im April 1945 die
überlebenden Widerstandskämpfer im KZ
Buchenwald auf. Dazu ist noch viel zu tun. Die
Rüstungsindustrie, die Thyssen-Krupp, die Rheinmetall und
andere sind wieder ganz groß im Geschäft wie einst,
als sie sich mit Hitler verbanden und dann reicher aus dem Krieg
herauskamen als sie hineingingen.
Sie verbünden sich wieder mit grausamen
Diktaturen, denen sie, wie z.B. Saudi-Arabien, die Waffen liefern.
Am 9. Mai wird in Berlin die Hauptversammlung von Rheinmetall
stattfinden. Die Friedensbewegung ruft zum Protest.
Was Willy
Brandt sagte, das gilt
Der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt
erklärte im Jahre 1973 in seiner Rede vor dem Plenum der UNO
zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen
1973:
„Das
ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und
gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen
folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten
und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des
deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in
Kraft ist.“
Dieselbe Formulierung steht seit 1949 im als
Artikel 139 im Grundgesetz und steht dort noch immer,
bekräftigt im Jahre 1990 nach der Wiedervereinigung.
Wir konnten bis zum Januar dieses Jahres nicht
ahnen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Grundgesetzartikel 139
brechen würde, indem es die NPD als nationalsozialistisch
einstufte, aber es dennoch ablehnte, sie zu verbieten. Ja, nach Artikel
139 ist die NPD illegal.
Zugleich wurde nun die AfD in den
zwölften Landtag gewählt, diese NPD-light,
wie sie von früheren Führungsmitgliedern genannt
wurde. Das Urteil von Karlsruhe und die allgemeine
Medienpräsenz der AfD, dieses Saatbodens für den
Faschismus, wie Jürgen Habermas die AfD nannte, half den
Rechten voran. Zugleich erleben wir eine CDU und CSU, die sich immer
mehr einen vornehmen Rassismus aneignet (und damit Wahlen gewinnt), der
sich gegen die Aufnahme von bedrängten Flüchtlingen
wendet, gegen die Menschenrechte. Dies in einer Zeit, da Gewalt gegen
Fremde und Andere immer mehr um sich greift.
Wenn man dann noch bedenkt, dass die Bundeswehr
entgegen dem Artikel 26 des Grundgesetzes in immer mehr
Kriegseinsätze in aller Welt entsandt wird, eine Bundeswehr,
die in der Tradition der Hitlerwehrmacht steht, dann kann einem Angst
und Bange werden.
Den deutschen
Militarismus zerstören!
Da lese ich, dass bis morgen alle
Traditionsräume der Bundeswehr vom braunen Ungeist gereinigt
sein müssen, weil die Bundesministerin von der Leyen ihr
Befremden geäußert hat, - und dies kann mich nicht
beruhigen. Vor 60 Jahren wurde die Bundeswehr von
Hitlergenerälen aufgebaut. 60 Jahre hat man diese
Traditionsräume geduldet, ebenso wie die Namen der
Hitlergeneräle am Kasernentor.
All dies sollte uns nicht mutlos machen, liebe
Freundinnen und Freunde. Der 8. Mai bleibt der Tag, an dem wir unseren
Entschluss zum Widerstehen bekräftigen – zum
Widerstehen gegen die Mächte des Krieges und der Gewalt,
für Völkerfreundschaft und Demokratie. Wenn die
dafür Verantwortlichen die Demokratie und den Frieden nicht
schützen, müssen wir es selber tun.
Ja, es bleibt „unser
unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus
zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass
Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu
stören“. (Zitat der Konferenz von
Jalta, Februar 1945)
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