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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

20.04.2017

Bewegende Rede von Beate Klarsfeld auf der Festveranstaltung zum 70. Gründungstag der VVN am 31. März 2017 in Frankfurt, Haus Gallus

Worte des Dankes für die jahrelange Zusammenarbeit

Beate Klarsfeld aus Paris richtete auf der Festveranstaltung zum 70. Gründungstag der VVN die folgende Grußansprache ihre deutschen Freundinnen und Freunde: "Ihr habt mich heute zu der Festveranstaltung 70 Jahre VVN eingeladen, um ein Grusswort zu halten. Ich will aber auch ein Wort des Dankes halten, für die jahrelange Unterstützung, die ich seit vielen Jahren von Euch auf allen Gebieten erhalten habe." Die Rede weiter:

Bewegende Rede von Beate Klarsfeld auf der Festveranstaltung zum 70. Gründungstag der VVN am 31. März 2017 in Frankfurt, Haus GallusDa wir uns heute in einem historischen Ort befinden, dem Haus Gallus, in dem vom 3. April bis zum 20. August 1965 der historische Frankfurter Auschwitz Prozess stattfand, möchte ich Euch zuerst dafür danken, dass Ihr mit Eurem Strafantrag vom Juni  1960 gegen Klaus Barbie, den Auslöser brachtet, dass sein Prozess eines Tages in Lyon stattfinden konnte. Ihr hattet mit einem Verfahrenstrick erreicht, dass trotz des deutsch-französischen Überleitungsvertrages, der eigentlich nicht zuließ, in München am 23. Juni 1960 ein Ermittlungsverfahren gegen den "Schlächter von Lyon"  wegen seiner in Frankreich begangen  Verbrechen zu eröffnen. Am 22. Juni 1971 hatte der Münchner Staatsanwalt Rabl die Einstellungsverfügung im Fall Barbie veranlasst. Dieser Beschluss war nicht öffentlich gemacht worden. Im französischen Dokumentationszentrum in Paris erhielt ich eine Kopie hiervon. Die Begründung war unannehmbar, und das war der Auslöser für uns, zu handeln. Im Mai dieses Jahres werden in Lyon und Izieu Veranstaltungen zum 30. Jahrestages des Barbie-Prozesses stattfinden.

Aber auch im Prozess gegen Lischka, Hagen und Heinrichsohn seid Ihr als Nebenkläger aufgetreten mit Peter Philipp Gingold, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und  der zum Gründer Eures Vereines zählte und in Köln durch den Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul  vertreten von Friedrich Karl Kaul  vertreten war.

Aber wir hatten auch die Bekanntschaft gemacht mit Lili Zelmanovic, sie stammte aus Bilki,  aus der Ukraine. Sie war im Dezember 1964 aus Miami angereist, um im Frankfurter Auschwitz Prozess auszusagen. Sie zeigte hier das Auschwitz-Album, dass sie nach ihrer Befreiung aus Auschwitz im Lager Dora fand.  Der Titel "Umsiedlung der Juden aus Ungarn". Sie erkannte auf einem der Fotos ihre beiden Brüder wieder, die in Auschwitz ums Leben kamen. Auf unseren Wunsch willigte Lilli ein, dieses Album an das Museum Yad Vashem in Jerusalem zu übergeben.

Lieber Ulrich Sander, Du hast für mich den Kontakt mit dem Schallplattenverlag Pläne hergestellt. Dieser Dortmunder Plattenverlag gab der Schallplatte die Nr. 2 633930. Das war die NSDAP-Mitgliedsnummer des Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger. Zusammen mit Dir und Christel Priemer haben wir die Schallplatte "Der Fall K - Die Geschichte einer Ohrfeige produziert. Neben meinen Ausführungen werden Originaltexte verlesen, die Kiesinger als Leiter des faschistischen Auslandsrundfunk verfasst hatte. Als Ihr mich dann im Januar 2012 nach Essen eingeladen hattet, wurde auf dieser Veranstaltung die Platte als DVD vorgestellt.

Meine Einstellung als Journalistin bei der Deutschen Volkszeitung, für die ich jede Woche einen Artikel schreiben konnte, habe ich Euch auch zu verdanken. Ich erhielt ein monatliches Gehalt von 800 DM. Als ich als Kandidatin der Linken bei der Präsidentenwahl gegen Joachim Gauck kandidierte, war dies der Anlass der Springer-Presse mich als Ohrfeigen-Beate Stasi gesteuert zu verleumden. Als Joachim Gauck Serge und mir im Juni 2015 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verlieh, erhielten wir das Glückwunschschreiben von Dietrich Schulze aus Karlsruhe und Ulrich Sander aus Dortmund, beide Aktivisten der VVN-BdA und der Friedensbewegung.

Aber auch im Fall  Ernst Achenbach haben wir zusammengearbeitet. Mir gelang es schon nach den Bundestagswahlen   im September zu verhindern, dass die neue Koalition zwischen SPD und FDP einen Mann wie Ernst Achenbach als Europakommissar nach Brüssel schicken wollte. Achenbach war Schlüsselfigur zwischen FDP und dem Naumann-Kreis, einem Netzwerk hochrangiger Nazis. In Frankreich war er  während der Besatzung Leiter der Politischen Abteilung in der Deutschen Botschaft und hatte hier die Deportation polnischer Juden befohlen. Nach meiner Kampagne in den sechs Ländern der EWG war Bonn gezwungen, seine Kandidatur zurückzuziehen. Mit unseren jüdischen Freunden kamen wir aus Paris angereist  und hatten sein Anwaltsbüro in Essen besetzt , weil er sich jetzt wieder als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag gegen die Ratifizierung des Deutsch-Französischen Zusatzabkommens stellte, das es erlauben sollte, in Frankreich in Abwesenheit verurteilte in NS-Verbrecher vor ein deutsche Gericht zu stellten. Unsere Aktionen waren erfolgreich, der Vertrag wurde ratifiziert. Achenbach ist schon seit 20 Jahren tot, aber die VVN stört sich daran, dass es der FDP bis heute an Aufklärungswillen im Fall Achenbach mangelt. Ich weiß, dass Ihr Euch seit längeren darum bemüht eine Mahntafel an der FDP-Geschäftsstelle in Huttrop anbringen zu lassen. Das Gebäude hatte  einst eine NS-Stelle beherbergt. Wir als FFDJF haben Euch unsere Hilfe angeboten. Aber leider hat Essens FDP Chef Ralf Witzel diese abgelehnt mit der Begründung: "Ein zwangsweises Anbringen einer Plakette an Privateigentum halte ich für halbseiden".

Aber Ihr standet auch immer an meiner Seite, als ich 1969 für den Wahlkampf für die Partei "Aktion Demokratischer Fortschritt" als Nr. 1 im gleichen Wahlkreis wie Kiesinger, in Waldshut, aufgestellt wurde. Ihr habt mich nicht nur in den Demonstrationen gegen Kiesinger unterstützt, sondern zusammen protestierten wir vor den NPD Kundgebungen, wo die Demonstranten vom NPD Ordnerdienst zusammengeschlagen wurden unter den Augen der Polizisten, die die NPD schützen und gegen die Demonstranten vorgingen. Aber wir haben erreicht, dass die NPD nicht die 5% der Wählerstimmen erhielt und somit nicht in den Bundestag einziehen konnte.

Die Gefahr der NPD ist aber nicht abgeschlossen. Zum zweiten Mal hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe abgelehnt, die NPD zu verbieten. Ihr, liebe VVN ergreift jede Gelegenheit, um das NPD Verbot zu fordern. Erst in der vorigen Woche habt Ihr erneut in der Bannmeile  des Bundestages für ein NPD Verbot demonstriert

Man kann nur immer das Sprichwort  wiederholen: „Wehret den Anfängen“. Man muss sich nur die Anzahl der NSDAP-Abgeordneten im Reichstag ansehen, um festzustellen, dass diese von 14 im Jahre 1924 zu Beginn der deutschen Prosperität und 12 im Jahre 1928, auf dem Höhepunkt dieses Wohlstands, auf 107 im Jahr 1930 auf Grund der Wirtschaftskrise anstiegen, 1933 waren sie an der Macht. Wohl ist der Wahlerfolg in Holland von Premier Rutte als Sieg der Proeuropäer gefeiert worden. Aber ist damit der Triumphzug der EU-Gegner in diesem Wahljahr gestoppt? In Frankreich haben wir zusammen mit meinem Sohn und meinem Mann seit langem schon Kampagnen gegen die Front National geführt. In der Geschichte Frankreichs haben die Franzosen in der Mehrheit gegen die extreme Rechte gestimmt. Bei den Regionalwahlen im Jahre 2015 war es der Sieg des Front Républicain über die FN. Wir hoffen jetzt bei den Präsidentschaftswahlen, dass die FN eine große Niederlage erleben wird. Die FN wie die AfD in Deutschland wollen das Ende des Euro, der Europäischen Union, die doch schon seit Jahrzehnten den Frieden und die Stabilität in Europa garantiert. Wir wissen doch alle, dass die Rechtsextremen den Krieg ausgelöst haben und verantwortlich sind für Barbarei und Zerstörung.

Ihr nennt Euch Verein der Verfolgten des Naziregimes. Es ist auch Eure Aufgabe zu verhindern, dass Rechtsextreme, wenn sie an die Macht kommen, uns nicht erneut verfolgen können.