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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

10.04.2017

Vor allem ist die Verwirklichung der Verfassung notwendig - Auch Friedenspolitik gehört zur Aufgabe des neuen Landtags

VVN-BdA schreibt an die Politikerinnen und Politiker in NRW

An alle derzeitigen Landtagsabgeordneten und an die Kandidaten zur Landtagswahl am 14. Mai hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten geschrieben: „Ganz zuerst wollen wir Sie bitten, sich des Themas Krieg oder Frieden auch im Landtagswahlkampf und dann im Landtag anzunehmen.“ NRW sei übersät mit Militärstandorten, die wie Magneten das Unheil anziehen können und „ist zum hauptsächlichen Aufmarschgebiet für sehr aktuell drohende Kriege gemacht worden.  Die NATO-Einrichtungen in Nordrhein Westfalen sind zu beseitigen.“ Bei allen Entscheidungen sollten sich die Politiker an der Landesverfassung  orientieren, heißt es weiter.

In Artikel 7 der Landesverfassung wird die Erziehung „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung“ verlangt. Deshalb müsse „der Kooperationsvertrag der Landesregierung mit der Bundeswehr muss gekündigt werden.“

Dass NRW mehr Armut und mehr Arbeitslosigkeit als andere Länder habe, das bleibe meist unerwähnt. Dies liege ganz besonders auch daran, dass die Landesverfassung nie verwirklicht wurde. Weil es auch aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit und der Nazizeit notwendig sei, für die sozialen Menschenrechte zu wirken, heiße es in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Artikel 24: „... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. ...“ Dies sei eine programmatische Weisung an den Gesetzgeber. Es wird besonders hervorgehoben, dass dieser Schutz vor dem Schutz materiellen Besitzes rangiere.

Macht der Konzerne überwinden

„Auch für den Verfassungsschutz haben wir an dieser Stelle eine lohnende Aufgabe“, wird betont: Wäre es nicht gut, einmal aufzulisten, welche großen Wirtschaftsvereinigungen gegen diesen Artikel 24 der Landesverfassung verstoßen und somit verfas¬sungsfeindlich handeln? Warum taucht so etwas im Verfassungsschutzbericht nie auf?

Zitiert wird Artikel 27 der NRW-Landesverfassung: „Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.“ Auf der Grundlage dieses Artikels sollten Betriebe wie z.B. Thyssen-Krupp oder Rheinmetall vergesellschaftet werden, um damit ihr kriegerisches Wirken zu beenden.

Auch diese Forderung sei bereits in der Landesverfassung, Artikel 32, verankert: „Vereinigungen und Personen, die es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, dürfen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen“. Das bedeute, sich der AfD in den Weg zu stellen.

Zur Flüchtlingspolitik wird die Hoffnung geäußert, dass die Bewegung in unserem Land für die in Not geratenen und zu uns kommenden Menschen anhält und dazu die Parteien im Landtag von Nordrhein-Westfalen ihren großen Anteil leisten – und nicht auf Obergrenzen setzen. Menschenrechte gelten für alle, und da setzt man keine Obergrenzen.

Hier der Wortlaut des Briefes an die Politiker/innen:

Sehr geehrtes Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen,

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten von Nordrhein-Westfalen, erlauben uns, Ihnen unsere Meinung zu den Themen zu sagen, welche die Parteien im Wahljahr beachten sollten.

Krieg oder Frieden auch im Landtagswahlkampf

Ganz zuerst wollen wir Sie bitten, sich des Themas Krieg oder Frieden auch im Landtagswahlkampf anzunehmen. Man will dieses Thema wieder „aus dem Wahlkampf herauszuhalten”, soweit die Empfehlung der „Süddeutschen” (1.9.16). Minister de Maiziere steht da wohl Pate: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.” Machen Sie dabei bitte nicht mit. Sprechen Sie darüber im Wahlkampf, wie der Frieden geschaffen und erhalten werden kann!

Auch in Kalkar und Uedem am Niederrhein werden die Cyber- und Drohnenkriege geplant. Eine neue Teilstreitkraft soll es ermöglichen, Kriege zu führen und zu gewinnen, ohne dass ein Soldat z.B. Russland betritt. Sie sollen beispielsweise die Computer, die Strom- und Wasserversorgung weit entfernt im Osten lahmlegen; ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.

Seit über vier Jahren bemühen wir uns, bekannt zu machen, dass NRW zum hauptsächlichen Aufmarschgebiet für sehr aktuell drohende Kriege gemacht wird. Die Landesregierung hat zu dem von uns aufgedeckten Skandal geschwiegen. Mehr noch: Die SPD-Grüne-Landesregierung hat in der vorletzten Legislaturperiode im Rahmen der Bundeswehrreform darum gebettelt, keine Standorte zu schließen, und sie erreichte, dass Kalkar/Uedem sogar ausgebaut wurde. Das ist eine verantwortungslose Politik. Denn Kalkar ist ein gefährlicher Ort. Die NATO-Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen sind zu beseitigen. Dafür sollten sich die Landtagsabgeordneten einsetzen.

Zivilklauseln an allen Bildungseinrichtungen

Wir regen an, sich in der Arbeit für den Frieden auch an unserer. Landesverfassung zu orientieren. Artikel 7 der Landesverfassung verlangt die Erziehung „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung”.

Deshalb: Der Kooperationsvertrag der Landesregierung mit der Bundeswehr muss gekündigt werden. Die Bundeswehr soll auch nicht in Hochschulen, Schulen, Arbeitsagenturen, Ausbildungsmessen und Jobcentern werben dürfen. Forschung an Hochschulen zu Rüstungszwecken ist zu verbieten, Zivilklauseln an allen Bildungseinrichtungen sind verbindlich einzuführen.

Vom Volk beschlossene Landesverfassung

Im vergangenen Jahr wurde mit vielen Veranstaltungen der 70. Jahrestag der Gründung Nordrhein-Westfalens begangen. Wir waren verwundert, dass eines nie zum Thema gemacht wurde, die Tatsache, dass NRW eine vom Volk beschlossene Landesverfassung hat. Warum eigentlich? Die Ministerpräsidentin verlor viele Worte über dies wunderbare Land. Dabei bleib sie ganz allgemein. Dass wir mehr Armut und mehr Arbeitslosigkeit als andere Länder haben, das blieb unerwähnt. Dies liegt ganz besonders auch daran, dass die Landesverfassung nie verwirklicht wurde.

Dabei ist diese Landesverfassung ebenso wie das Grundgesetz sehr wichtig und sehr richtig. Mit ihr wurden im Grunde genommen nach 1945 einige Schlussfolgerungen gezogen. Eben weil in der Weimarer Zeit, der großen wirtschaftlichen Krise, das Finanzkapital seine wirtschaftliche Macht missbrauchte, auf Hitler setzte und ihn an die Macht schob, wurde unter anderem der Artikel 14 in das Grundgesetz eingefügt. In ihm heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.”

Soziale Menschenrechte

Und weil es, auch aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit, notwendig ist, für die sozialen Menschenrechte zu wirken, heißt es in der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Artikel 24:

„... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit ...”.

In einem Kommentar zur Verfassung hieß es, dass die Bedeutung dieses Artikels darin bestehe, dass er die Grundkonzeption einer Wirtschafts- und Sozialordnung enthalte  und dass er programmatische Weisungen an den Gesetzgeber gebe. Es wird besonders hervorgehoben, dass der Schutz der Arbeitskraft den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes haben muss. Gäbe es einen Interessenkonflikt, so sei die Arbeitskraft als das höhere Gut anzusehen. Wir verlangen, dass Regierung und Parlamentarier nach dieser Verfassungsbestimmung handeln. Und wir hoffen, dass Sie es im Wahlkampf thematisieren.

Auch für den Verfassungsschutz haben wir an dieser Stelle eine lohnende Aufgabe: Wäre es nicht gut, einmal aufzulisten, welche großen Wirtschaftsvereinigungen gegen diesen Artikel 24 der Landesverfassung verstoßen und somit verfassungsfeindlich handeln? Warum taucht so etwas im Verfassungsschutzbericht nie auf?

Unsere Organisation tritt für die sozialen Menschenrechte ein. Ohne deren Durchsetzung ist die wirkliche Nutzung der demokratischen und politischen Rechte nicht möglich.

Von diesen Überlegungen ist auch unser Dokument „Programmatische Eckpunkte” durchdrungen. Darin zitieren wir u.a. Artikel 27: (Landesverfassung NRW):

  1. Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.
  2. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.

Gegen Erwerbslosigkeit, kommunale Verschuldung, Bildungsnotstand und Begünstigung des Bankkapitals muss die Landesverfassung Richtschnur sein. Artikel 26 hat den Wortlaut:

„Entsprechend der gemeinsamen Verantwortung und Leistung der Unternehmer und Arbeitnehmer für die Wirtschaft wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet.”

Politikverdrossenheit und das Gefühl des „Ausgeliefertseins in die Situation” könnte durch die Verwirklichung des Artikels 26 der Landesverfassung behoben werden. In ihm „wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet”.

Auf der Grundlage dieses Artikels müssen Betriebe wie z.B. Thyssen-Krupp oder Rheinmetall verge¬sellschaftet und damit ihr kriegerisches Wirken beendet werden. Ganz aktuell ist an die IG Farben Nachfolger zu erinnern. So hat Bayer einen Teufelspakt mit einem Konzern der USA, der mit Gefährdung von Umwelt und Gesundheit der Menschen bekannt wurde, geschlossen. Derselbe Bayerkonzern hat sich mit einer großen Spende am Wahlkampf für den erzreaktionären Donald Trump in den USA beteiligt.

Der Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

Die VVN-BdA begrüßt das 2012 endlich ausgesprochene Verbot sogenannter „freier” und „nationaler” Kameradschaften. Gleichzeitig fordern wir, die Partei „Die Rechte” als Nachfolgeorganisation der verbotenen Kameradschaften ebenfalls zu verbieten. Die Weisung des Landesinnenministers zum Verbot der Losung „Der Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen” ist aufzuheben.

Die VVN fordert außerdem entsprechend dem Artikel 139 Grundgesetz das Verbot der neofaschistischen NPD sowie aller anderen faschistischen und rassistischen Parteien. Auch diese Forderung ist bereits in der Landesverfassung, Artikel 32, verankert:

„Vereinigungen und Personen, die es unternehmen, die staatsbürgerlichen Freiheiten zu unterdrücken oder gegen Volk, Land oder Verfassung Gewalt anzuwenden, dürfen sich an Wahlen und Abstimmungen nicht beteiligen”.

Artikel 32 besagt weiter: Die Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, trifft auf Antrag der Landesregierung oder von mindestens fünfzig Abgeordneten des Landtags der Verfassungsgerichtshof.

Menschenrechte gelten für alle

In der Flüchtlingspolitik hoffen wir sehr, dass die Bewegung in unserem Land für die in Not geratenen und zu uns kommenden Menschen anhält und dazu die Parteien im Landtag von Nordrhein-Westfalen ihren großen Anteil leisten - und nicht auf Obergrenzen setzen. Menschenrechte gelten für alle, und da setzt man keine Obergrenzen.

Wir haben hier nur jene Themen angerissen, die wir für besonders wichtig halten. Wir hoffen, dass wir in Verbindung bleiben und dass sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt. Für Ihre Arbeit im Sinne von Grundgesetz und Landesverfassung wünschen wir Ihnen viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Falk Mikosch | Sivia Rölle | Jochen Vogler
Landessprecher*in VVN-BdA Nordrhein-Westfalen