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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.03.2017

Ein historischer Aufruf aus dem Jahr 1960: Vom Beginn der Ostermarschbewegung in Deutschland

Der erste Ostermarsch der Atomwaffengegner bewegte sich von Hamburg bis Bergen-Hohne (bei Bergen-Belsen) in der Zeit vom 15. bis 18. April 1960

Der Aufruf war kurz und knapp und hebt sich in seiner reduzierten Form von den heutigen Erklärungen der Friedensbewegung ab, die immer mehr den Analysen von Friedensforschungsinstituten als den Appellen zur Aktion ähneln. Ein ähnliches Beispiel war der Krefelder Appell. Nicht die Kriegsschauplätze der Welt werden behandelt, sondern die Möglichkeiten dessen, was der einzelne in seinem Land – hier die Bunderepublik Deutschland – tun kann. Wir dokumentieren diesen historischen Text im Folgenden: 

Ostermarsch der Atomwaffengegner

Ostermarsch 1960 von Hamburg nach Bergen-Hohne (die anderen Sternmarsch-Gruppen kamen von Bremen, Braunschweig und Hannover)Am Freitragmorgen wird eine größere Anzahl von Atomwaffengegnern von Hamburg-Harburg zu einem viertägigen Protestmarsch zum Raketen-Übungsplatz Bergen-Hohne aufbrechen:

1. Tag bis Sprötze
2. Tag bis Schneverdingen
3. Tag bis Soltau
4. Tag bis Bergen

Für Übernachtungsmöglichkeiten wird auf Wunsch gesorgt.

Durch diesen Ostermarsch zum Raketen-Übungsplatz Bergen-Hohne, wo im Dezember 1959 – in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen – die ersten Atomraketen („Honest-John”) von der Bundeswehr erprobt wurden, wollen sie ihr entschiedenes und unwiderrufliches Nein zu atomaren Waffen öffentlich bekennen.

Ihr Widerstand richtet sich gegen atomare Kampfmittel jeder Art und jeder Nation.

Sie knüpfen mit diesem Protest an die Tradition des großen englischen Ostermarsches an, der wie 1958 und 1959 auch in diesem Jahr stattfindet und an dem jeweils Tausende von Menschen teilnehmen.

Prüfen Sie bitte, ob die folgenden Gründe stichhaltig sind und auch für Sie eine Unterstützung des Marsches rechtfertigen:

  • Schon einmal hat man dem deutschen Volk den Vorwurf gemacht, geschwiegen zu haben, wo mutige Worte und Taten notwendig waren.

In den Konzentrationslagern – wie Bergen-Belsen – kamen Millionen Menschen ums Leben. Bei Fortsetzung der Versuchsexplositionen und der atomaren Aufrüstung aber droht der gesamten Menschheit Vernichtung. Dieser Gefahr gilt es durch eine unüberhörbare, totale Absage an alle Atomkriegsvorbereitungen in Ost und West zu begegnen.

  • Die atomare Ausrüstung der Bundeswehr hat mit den „Honest-John”-Raketen in der Lüneburger Heide ein neues Stadium erreicht, das der Öffentlichkeit bewußt gemacht werden muß. Jeder weitblickende und verantwortungsbewußte Staatsbürger ist deshalb zu aktivem Protest aufgerufen.
  • Wenn Worte nicht gehört und Mahnungen der bedeutendsten Menschen vieler Völker beiseite geschoben werden, müssen wir vor der Welt ein unmißverständliches und eindrucksvolles Zeichen geben, daß wir durchhalten können, auch wenn uns die öffentliche Propaganda übertönt. – Denn dies ist die Wahrheit, die man in allen Lagern des kalten Krieges verharmlosen will:

Jede Herstellung, Erprobung und Lagerung von Atomwaffen – gleich an welchem Ort und in welcher Hand – ist die größte Gefährdung der Menschheit.

Haben Sie Vertrauen in die Macht des Einzelnen!

  • Helfen Sie, daß dieser Marsch zu einem überzeugenden Beweis für die politische Wachsamkeit auch in Deutschland wird.
  • Zeigen Sie, daß Sie gewillt sind, nicht zu resignieren, wo es um Leben und Tod von Millionen Menschen geht!
  • Sorgen Sie, daß aus einer entschiedenen Minderheit eine kraftvolle Mehrheit wird – zum Segen aller Völker!
  • Nehmen Sie teil am Protest – und sei es nur für einen Tag und fordern Sie auch Ihre Familie und Ihre Freunde dazu auf!

Die Vorbereitung der Aktion liegt in Händen eines Ausschusses, der auf Initiative des Verbandes der Kriegsdienstverweigerer e. V. entstanden, aber in jeder Hinsicht von der Organisation wie von allen Parteien, parteiähnlichen oder gewerkschaftliche Gruppen unabhängig ist.

Ausschuß für den Ostermarsch
zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne
Verantwortlich Hans-Konrad Tempel

Fotos: Konrad Tempel, Wikipedia

Erstes deutsches Ostermarsch-Flugblatt 1960

Erstes deutsches Ostermarsch-Flugblatt 1960