09.02.2017
Entschiedener Protest gegen
die Weigerung, die NPD zu verbieten
Conrad
Taler schreibt unter der Überschrift „Freibrief
für rechte Hetzer“ über die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts für die NPD und damit auch
für den Neofaschismus
Nirgendwo dürfte die
Freude über den Freibrief des Bundesverfassungsgerichts
für die NPD größer gewesen sein als bei der
AfD. Damit ist endgültig sichergestellt, dass die
„Alternative für Deutschland“ mit einer
starken Fraktion in den nächsten Bundestag einziehen wird.
Verfassungsfeindliche rechtspopulistische Hetze hat jetzt den Segen des
höchsten deutschen Gerichts, so lange es bei Worten bleibt.
Das ist die Quintessenz der Entscheidung, die
rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei
Deutschlands nicht zu verbieten.
Einer der ersten, der den Rückenwind aus
Karlsruhe zu nutzen wusste, war der Thüringer
Landesvorsitzende Björn Höcke. Seine Forderung, mit
der „dämlichen
Bewältigungspolitik“ Schluss zu machen und eine
„erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“
vorzunehmen, gab den Blick frei in die Seelenabgründe der
vermeintlich braven Bürger, die in der AfD eine
politische Heimat gefunden haben. Vielen von ihnen war das Mahnmal
für die ermordeten Juden Europas in Berlin, an dem
Höckes Zorn sich entzündete, seit jeher ein Dorn im
Auge. Auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative in Dresden sagte
er: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das
einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz
seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Pflichtschuldig entsetzten
sich wieder einmal alle, die einst begeistert Beifall geklatscht haben,
als Martin Walser in seiner unrühmlichen Paulskirchenrede mit
Blick auf die deutsche Erinnerungskultur von einer
„Instrumentalisierung unserer Schande zu
gegenwärtigen Zwecken“ sprach, nachdem er bereits in
der Planungsphase für die Berliner
Gedenkstätte Hohn und Spott über den
„fußballfeldgroßen Albtraum im Herzen der
Hauptstadt“ ausgegossen und das Mahnmal als
„Kranzabwurfstelle“ verhöhnt hatte.
Wo leben die Karlsruher Richter eigentlich, dass
sie nicht wahrnehmen, was sich in unserem Lande zusammenbraut. Wann
immer es darauf ankam, den rechten Hetzern ihre Grenzen aufzuzeigen,
haben sie das Grundgesetz zu ihren Gunsten ausgelegt und sich den
Teufel darum geschert, ob das die Opfer des
Naziterrors beleidigt. 2004 machte das Bundesverfassungsgericht der NPD
sogar den Weg frei für eine Kundgebung gegen die finanzielle
Unterstützung eines Synagogenbaues durch die Stadt Bochum. Die
Veranstaltung war von der örtlichen Polizei und dem
zuständigen Oberverwaltungsgericht verboten worden. Die NPD
wandte sich an Karlsruhe und bekam von dort grünes Licht.
Einstimmig entschied der erste Senat, ein Verbot könne nicht
auf die Annahme gestützt werden, „dass Versammlungen
mit demonstrativen Äußerungen neonazistischer
Meinungsinhalte…zum Schutz der öffentlichen Ordnung
verboten werden können, wenn die Schwelle zur Strafbarkeit im
Einzelfall nicht erreicht“ sei. Das Grundrecht der
Meinungsfreiheit sei ein Recht auch zum Schutz von Minderheiten. Seine
Ausübung dürfe nicht unter den Vorbehalt gestellt
werden, „dass die geäußerten
Meinungsinhalte herrschenden sozialen oder ethischen Auffassungen nicht
widersprechen“. (1 BvQ 19/04).
Damit stellte das Gericht das Recht der NPD auf
freie Meinungsäußerung über das Recht der
Opfer des Naziterrors, vor den Schmähungen der Neonazis
geschützt zu werden. Ähnlich verhält es sich
jetzt mit der Ablehnung des Verbotsantrages gegen die
Nationaldemokratische Partei. Was die Bundesländer an
Argumenten zusammengetragen hatten, um deren Verfassungsfeindlichkeit
zu belegen, schoben die Richter des zweiten Senats unter Leitung des
Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle einstimmig mit
großer Geste beiseite. Ja, die NPD sei verfassungsfeindlich
und dem Nationalsozialismus wesensverwandt aber doch
ungefährlich. Zwar arbeite sie auf die Beseitigung
der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung hin, aber es
fehle „an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es
möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg
führt.“ (2 BvB 1/13).
Von so viel Nachsicht konnten andere nur
träumen. Die Kommunistische Partei Deutschlands wurde 1956
verboten, obwohl sie politisch bedeutungslos war und ihr
Wortgedröhn vom „revolutionären Sturz des
Adenauerregimes“ niemanden ernsthaft beunruhigte. Das
KPD-Verbot war politisch gewollt. Die Gegner der umstrittenen
Wiederbewaffnung konnten damit über die Reihen der Partei
hinaus kriminalisiert und mundtot gemacht werden. An einem Verbot der
NPD scheint die Große Koalition unter Einschluss der SPD
nicht sonderlich interessiert gewesen zu sein. Regierung und Bundestag
beteiligten sich erst gar nicht am Verbotsantrag der Länder,
obwohl sie die Erfolge der Rechtspopulisten als Menetekel vor Augen
hatten. Jetzt müssen sie sich vom Internationalen
Auschwitz-Komitee sagen lassen, die Überlebenden des Holocaust
empfänden den Verzicht auf ein NPD-Verbot als eine
„empörende und erschreckend realitätsferne
Entscheidung“. Wehret den Anfängen, gaben die
Schöpfer des Grundgesetzes der jungen Demokratie nach dem Ende
der Naziherrschaft auf den Weg. Schnee von gestern? Mitnichten.
Inzwischen lehrt ein ganz Anderer die Welt das Fürchten.
Aus Ossietzky Nr. 3, vom 4. Februar 2017
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