09.01.2017
Das Land Bayern will alle
Bundesbürger auf das festlegen, was es seine Leitkultur nennt
Nicht
nur Ausländer sollen bayerisch-völkisch integriert
werden
Die Landesregierung von Bayern
versteht unter Integration die Disziplinierung aller in Deutschland
lebenden. So sind eigene bayerische Integrationskurse erfunden worden.
Sie sollen nicht nur Flüchtlinge auf Linie bringen, sondern
alle Widerborstigen. Dazu schrieb Rudolf Stumberger am 3. Januar 2017
im Neuen Deutschland:
Integrationskurs
auch für Berliner
Ab Januar gilt
in Bayern ein neues Gesetz, dessen Einzelheiten aber völlig
unklar sind
In Bayern versteht sich Integration gern als
Disziplinierung. So sind eigene bayerische Integrationskurse erfunden
worden. Sie sollen nicht nur Flüchtlinge auf Linie bringen,
sondern alle Widerborstigen.
Von Rudolf Stumberger
Manchmal macht die bayerische Staatsregierung
Gesetze, die ungesetzlich sind. Zum Beispiel das Landeswahlgesetz.
Darin hatte die CSU als Regierungspartei vor drei Jahren mit ihrer
Mehrheit im Landtag die Möglichkeit einer politisch nicht
bindenden Volksbefragung etwa zu Großprojekten
festgeschrieben. Dagegen hatten SPD und Grüne geklagt und der
bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, dass der besagte Artikel
88a verfassungswidrig und damit nichtig ist. Und manchmal macht die
bayerische Staatsregierung Gesetze, ohne dass die Voraussetzungen
dafür geschaffen sind. Wie jetzt beim bayerischen
Integrationsgesetz. Das sieht vor, dass Menschen, die die
freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen, zu sogenannten
Integrationskursen verpflichtet werden können. Das neue Gesetz
gilt ab 1. Januar; wann es die Kurse geben wird, steht aber noch in den
Sternen.
Fragt man dazu im bayerischen Arbeitsministerium
nach, das auch für »Familie und
Integration« zuständig ist, gibt man sich einsilbig:
»Das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG) tritt am 1.
Januar 2017 in Kraft. Bezüglich der Grundkurse über
die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach Art. 13
BayIntG entwickelt die Bayerische Staatsregierung aktuell ein Konzept.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir während des
Abstimmungsprozesses hierzu keine konkreten Aussagen treffen
können«, heißt es aus der Pressestelle.
Unklar bleibt so nicht nur der Inhalt der
bayerischen Integrationskurse, sondern auch, was diese von den bereits
existierenden bundesweiten Integrationskursen unterscheiden soll. Denn
bereits seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 dient
dieser Integrationskurs als das zentrale
Sprachförderinstrument des Bundes. Das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) verantwortet seither die
Lehrpläne und damit die inhaltliche Ausgestaltung der Kurse -
seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Durchführung der Kurse vor
Ort geschieht durch verschiedene Träger wie Volkshochschulen
oder etwa die Arbeiterwohlfahrt. Das Bundesamt ist für die
Zulassung der Träger zuständig und prüft, ob
die entsprechenden Zulassungskriterien erfüllt werden. Die
Integrationskurse bestehen sowohl aus einem Sprachunterricht im Umfang
von 600 bis 900 Stunden als auch aus einem sogenannten
Orientierungskurs, in dem Kenntnisse der Rechtsordnung, Kultur und
Geschichte Deutschlands vermittelt werden. Dessen Stundenumfang wurde
im Rahmen des neuen bundesweiten Integrationsgesetzes von 60 auf 100
Stunden angehoben. »Die Rahmenlehrpläne wurden mit
dem Ziel einer stärkeren Ausrichtung auf berufsbezogene
Sprachhandlungen und Wertevermittlung überarbeitet«,
heißt es dazu im Bundesamt. Der Orientierungskurs kann mit
einem Test »Leben in Deutschland« abgeschlossen
werden.
Diese Integrationskurse des Bundesamts werden von
immer mehr Flüchtlingen besucht. So haben von Januar bis Mitte
Dezember 2016 rund 300 000 Menschen daran teilgenommen, im gesamten
Jahr 2015 waren es lediglich rund 180 000. An mehr als 7500 Lernorten,
angeleitet von knapp 18 000 Lehrkräften bei mehr als 1700
Kursträgern erarbeiten sich Neuzuwanderer dabei das
Sprachniveau »B1«, das in einem Abschlusstest
überprüft wird. Es ermöglicht neben
selbstständiger Alltagsbewältigung den
Übergang in einen berufsbezogenen Spracherwerb.
Die Kapazitäten für
Integrationskurse wurden mit Blick auf den gesetzlichen Auftrag des
Bundesamts, das Integrationskursangebot bedarfsgerecht auszubauen und
vorausschauend zu optimieren, aufgrund der seit Herbst 2015 stark
gestiegenen Zahl von Asylanträgen deutlich erhöht. So
wurden allein seit Oktober 2015 mehr als 450 neue Kursträger
zugelassen. Seit Oktober 2015 haben Asylbewerber aus
Herkunftsländern mit sogenannter guter Bleibeperspektive
(Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia) bereits im laufenden
Asylverfahren die Möglichkeit, an einem Integrationskurs
teilzunehmen. Die Teilnahme dieser Personengruppe ist freiwillig. Im
Zuge der neuen rechtlichen Grundlagen durch das Integrationsgesetz
können aber ab Januar 2017 diese Asylbewerber zur Teilnahme am
Integrationskurs verpflichtet werden, wenn sie Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz beziehen und die zuständige
Leistungsbehörde (zum Beispiel das Jobcenter) sie zur
Teilnahme auffordert. Anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber
haben einen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs. Sie
können von den Ausländerbehörden
beziehungsweise Trägern der Grundsicherung nach dem
Aufenthaltsgesetz zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet
werden. In diesem Gesetz ist unter anderem vorgesehen, dass Teilnehmer
verpflichtet werden können, die sich nicht zumindest auf
einfache Art in deutscher Sprache verständigen können
oder in besonderer Weise integrationsbedürftig sind.
Damit ist also bereits bundesweit geregelt, was
die bayerische Staatsregierung nun mit einem bayerischen Sonderweg
zusätzlich regeln will. Wird hier also doppelt gemoppelt? Beim
Bundesamt will man sich dazu nicht äußern und
verweist zurück an die »zuständigen Stellen
im Land«. Also wieder zurück zum bayerischen
Staatsministerium für Integration und noch mal nachgefragt.
Dort kennt man in der Tat die bundesweiten Integrationskurse:
»Die Integrationskurse wenden sich an bestimmte
Personengruppen, die im Aufenthaltsgesetz geregelt sind, und wollen
allgemein zum Leben in unserem Land und unserer Gesellschaft durch die
Vermittlung von Sprachkenntnissen und Wissen über unser Land,
unsere Geschichte, Kultur und Rechtsordnung
befähigen.«
Aber worin besteht dann der Unterschied der
Bundesintegration zur bayerischen Integration? »Die Regelung
im Bayerischen Integrationsgesetz (BayIntG) hat dagegen eine andere
Intention«, so das Ministerium. »Wer beispielsweise
gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayIntG durch
demonstrative Regelverstöße beharrlich zum Ausdruck
bringt, dass er unsere freiheitliche demokratische Grundordnung
ablehnt, der kann durch die Sicherheitsbehörden verpflichtet
werden, sich einem Grundkurs über die Werte der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung zu unterziehen.« Denn:
»Der von Art. 13 BayIntG Erfasste hat durch sein Verhalten
zum Ausdruck gebracht, dass bei ihm ein Integrationsbedarf hinsichtlich
der geltenden Rechts- und Werteordnung besteht. Die Achtung unserer
Rechts- und Werteordnung ist für alle verpflichtend.«
Unterschied zwischen dem bundesdeutschen und
bayerischen Integrationsgesetz ist also: Bei der bayerischen Variante
geht es bei der Förderung der deutschen Sprache um lediglich
»flankierende Maßnahmen« zum
Bundesgesetz, es soll das »Eigeninteresse« der
Migranten gefördert werden. Und in Bayern steht der
»konkrete Akzeptanzdruck« hinsichtlich der
geltenden Rechtsordnung im Vordergrund. So hat besagter Paragraf 13 des
Gesetzes »präventiven Charakter und will bereits im
Vorfeld strafrechtlicher Relevanz staatliche
Handlungsmöglichkeiten schaffen«.
Bleibt aber immer noch unklar, wodurch sich der
bayerische Integrationskurs inhaltlich vom bundesdeutschen
Orientierungskurs unterscheiden soll? Durch das Erlernen der
Bayernhymne?
Klar ist immerhin, dass die bayerische
Staatsregierung nicht nur Flüchtlinge zwangsweise integrieren
will, sondern zum Beispiel auch Berliner oder Norddeutsche. Denn es
gilt laut Gesetz: »Art. 13 BayIntG ist dabei nicht auf
Ausländer oder Migranten beschränkt, sondern betrifft
auch Einheimische.« Was zum Beispiel aus Rangeleien auf einer
Demonstration herausgelesen würde: »Die Ablehnung
des staatlichen Gewaltmonopols kann sich dabei insbesondere in grob
ungebührlichem Verhalten gegenüber
Einsatzkräften äußern.«
Mit freundlicher Genehmigung von Rudolf Stumberger
und dem ND.
Siehe auch:
Renate Hennecke: “Warum ich nach 45 Jahren in Bayern “besonderen Integrationsbedarf” habe”
http://bayern.vvn-bda.de/2016/04/07/vvn-bda-landessprecherin-warum-ich-nach-45-jahren-in-bayern-besonderen-integrationsbedarf-habe/
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