22.09.2016
Massenflugblatt der VVN-BdA:
Aufklärung über die Rolle der Bundeswehr beim
militärischen Einsatz im Innern der Republik
Die Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes VVN-BdA, gegründet 1946, verurteilt
die Bürgerkriegsstrategie der Bundesregierung. Sie
bekräftigt ihren Widerstand gegen eine Militarisierung von
Politik und Gesellschaft. Sie verurteilt die Pläne zum
Bundeswehreinsatz im Innern und fordert die Gewerkschaften, alle
Demokratinnen und Demokraten auf, bei ihrer Opposition zum
Verfassungsbruch durch den geplanten Bundeswehr-Einsatz im Inneren zu
bleiben und sich aktiv einzumischen. Dem dienst ein Flugblatt, das
demnächst erscheint und dessen Text wir hier vorstellen:
Bundeswehreinsätze
– nun auch im Inneren
Die Bundeswehr soll noch mehr
„Verantwortung“ übernehmen, im Innern wie
im Äußeren. So steht es im neuen
„Weißbuch zur Sicherheitspolitik“. Zu
diesem Zweck werden Manöver geplant, um den gemeinsamen
Einsatz der Bundeswehr und der Polizei im Innern zu üben.
Hauptsächliche Begründung für die Bundeswehr
im Inneren ist der „Anti-Terrorkampf“, der
gemeinsam mit der Polizei eingeübt und auch geführt
werden soll. Solche Übungen fanden bereits statt, und zwar in
Großmanövern von Polizei und Bundeswehr, genannt
„Frankenwarte“ und
„LüKEx“. Bereits im Jahr 2017 soll die
Geisterstadt „Schnöggersburg“ auf dem
Truppenübungsplatz Altmark/Sachsen-Anhalt als
Gefechtsübungszentrum zur Erprobung des Kriegs in den
Metropolen bereit stehen.
Krieg gegen
den Terror im Lande?
Die unendlichen “Kriege gegen den
Terror” haben weltweit die Gefahren nicht gebannt, sondern
erhöht. Im Innern steht die Verfassung dieser Art von
Bürgerkrieg klar entgegen: Auch der Terrorismus muss mit
rechtsstaatlichen, auch polizeilichen Mitteln bekämpft werden.
Das wurde sogar vom Bundesinnenministerium bestätigt, das
verkündete, dass für alle erkennbaren Szenarien von
Anschlägen keine Bundeswehrhilfe benötigt
würde.
Es sind also andere Optionen gedacht: Wir erinnern
uns noch gut an den Einsatz der Bundeswehr gegen die Proteste aus
Anlass des G 8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007. Dazu hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel schon lange entgegen der Verfassung
festgestellt: „Die Trennung von innerer und
äußerer Sicherheit ist nicht mehr gegeben“.
Was sagt das
Bundesverfassungsgericht?
Der Plan, das Grundgesetz entsprechend zu
ändern, wurde von der Bundesregierung wieder fallengelassen:
„Nicht nötig!“ Das
Bundesverfassungsgericht hat das Grundgesetz uminterpretiert, um
Einsätze bei „katastrophischen“
Ausmaßen z.B. angebliche terroristische
Flugzeugentführungen in beschränktem Maße
zuzulassen, wenn die Kanzlerin zustimmt.
Das Konzept der flächendeckenden
„Zivil-Militärischen Zusammenarbeit
Inneres“ und ein neues Reservistenkonzept der Bundeswehr
sichern die Option auf den Bundeswehreinsatz im Innern ab. Die
ZMZ-Koordinierung erfolgt auf mittlerer und unterer Ebene. Zehntausende
Reservisten sollen für derartige Bundeswehreinsätze
im Inneren bereitstehen.
Auch gegen
Streikende?
In der Antwort der Bundesregierung aus dem Jahr
2009 an den Bundestag schließt das
Bundesverteidigungsministerium nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos bei
Demonstrationen zum Einsatz kommen. Es geht um den
Militäreinsatz und Streikbruch anlässlich von Streiks
im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der
Müllabfuhr, heißt es.
Was sind die
„Kommandostäbe“?
Es existieren seit 2006 441
militärgeführte Kommandostäbe zur Leitung
von Kreis- und Landeskommandos, die innerhalb von Stunden 5000
Offiziere mobilisieren, die wiederum viele tausend Reservisten
einbeziehen dürfen. Ein Oberstleutnant führt das
Kommando über die Verwaltung, die Feuerwehr, den Technischen
Hilfsdienst, die Polizei, ferner Amt für
Bevölkerungsschutz und Amt für Migration und
Flüchtlinge sowie Rotes Kreuz und weitere Hilfsorganisationen.
Diese Reservistenarmee bildet den
„Heimatschutz“, der kurzfristig bereitsteht,
„Regionale Sicherungs- und
Unterstützungskräfte der Bundeswehr“ (RSU)
genannt.
Bundeswehr im
Innern, das heißt Abbau der Bürgerrechte
Ausdrücklich heißt es in
Bundeswehrpublikationen, die Bundeswehreinsätze im Innern
dienten nicht nur der Bekämpfung von Naturkatastrophen und der
Hilfe bei Unglücksfällen, sondern auch dem Kampf
gegen den Terrorismus, worunter offenbar auch das Vorgehen gegen die
außerparlamentarische Opposition, zu verstehen ist. Laut
„Information für die Truppe“
heißt der Kampfauftrag: Gegen „Chaosgruppen wie
z.B. die Gruppe der Globalisierungsgegner“.
Was hat der
Cyber-Krieg mit weiterer Militarisierung zu tun?
Mit 15.000 Soldaten und Offizieren wird aktuell
eine neue Waffengattung geschaffen. Diese
„Cyber-Krieger“, werden ab 2019 auch mit
Kampfdrohnen ausgerüstet. Sie können sich an einer
großflächigen Überwachung der
Bevölkerung mit modernsten elektronischen Mitteln ebenso
beteiligen, wie an der Störung lebenswichtiger Infrastrukturen
im In- und Ausland.
Zum geplanten Einsatz der Bundeswehr im Innern
kommt die militaristische Beeinflussung der Bevölkerung, vor
allem der Jugend hinzu. In Schulen, Hochschulen und bei Jobmessen, in
Arbeitsämtern und Jobcentern wird dafür geworben,
junge Arbeitslose zu Soldaten zu machen. Sie geraten in eine
Bundeswehr, die auch sehr rechte Kräfte in ihren Reihen hat.
Wie reagiert
die VVN-BdA?
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
VVN-BdA, gegründet 1946, verurteilt die
Bürgerkriegsstrategie. Sie bekräftigt ihren
Widerstand gegen eine Militarisierung von Politik und Gesellschaft. Sie
verurteilt die Pläne zum Bundeswehreinsatz im Innern und
fordert die Gewerkschaften, alle Demokraten auf, bei ihrer Opposition
zum Verfassungsbruch durch den geplanten Bundeswehr-Einsatz im Inneren
zu bleiben und sich aktiv einzumischen.
Wir erinnern an die Rolle des Militärs in
der Geschichte1) und
wir erinnern an den Widerstand gegen die
Notstandsgesetze 1968, der mit dem Kompromiss der Einführung
des Widerstandsartikels 20/4 in das Grundgesetz endete. Jetzt ist der
Zeitpunkt gekommen, sich entsprechend zu engagieren.
Fußnote:
1) Die Demokratie
von Weimar wurde auch durch die Wehrminister Gustav Noske (SPD) plus
eine die Zivilbevölkerung bekämpfende Reichswehr
1918-1920 und die Putschisten Kapp und Lüttwitz im Jahr 1920
zerstört, weiter durch das militärische Vorgehen
gegen die Ruhrarbeiter 1920, gegen die Arbeiterregierungen von
Thüringen und Sachsen im Jahr 1923 und das gemeinsame Komplott
von Hitler und Reichswehrführung vom 3. Februar 1933.
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