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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

19.08.2016

Das Urteil gegen die KPD ist ein Urteil gegen alle Linken

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, erklärt zum 60. Jahrestag des KPD-Verbots

Die Bild-Zeitung titelte einen Tag nach dem Spruch von Karlsruhe, am 18. August 1956: „KPD-Verbot – war das wirklich klug???“ Darunter: „Keine Jagd auf die kleinen Mitläufer – sagt Schröder.“ Bundesinnenministr Gerhard Schröder (CDU, früher SA und NSDAP) log. Rund 10.000 Mitglieder der KPD wurden bis 1968 eingesperrt, gegen hunderttausende „Verdächtige“ wurde ermittelt.

Ob es klug war, dass die Adenauerregierung die KPD verbieten ließ, das wurde heftig diskutiert. Viele Beobachter sagten damals und auch später: Die Partei war doch ohnehin am Ende, kein Bundestagsmandat mehr. Adenauer aber fürchtete nicht die Parlamentspartei, sondern die außerparlamentarische Kraft, die Partei der Friedensbewegung, eine linke Bewegung der Arbeiter und Gewerkschafter. Und er hasste die Kommunisten, weil sie sein Regime der Zusammenarbeit mit Nazis immer wieder anprangerten. Er brauchte die Nazis, um gegen den Osten aufzurüsten, und er verabscheute die Linken, die diese Strategie zu durchkreuzen versuchten.

Es kam die Zeit, in der jede Geste der Verständigung mit dem Osten unterdrückt wurde. Die da immer nach der Freizügigkeit über die Grenzen hinweg riefen, die genehmigten sie uns nicht. Gegen Ostkontakte der Jugend, gegen Buchenwald-Fahrten von Gewerkschaftern – vor allem gegen „Frohe Ferien für alle Kinder“ – wurde hart vorgegangen. Es kam zu grotesken Szenen. Die Frauen, die für die Kindererholung in der DDR die Listen anfertigten und mit auf die Reise gaben, wurden wegen „staatsgefährdender Nachrichtenvermittlung“ für mindestens ein Jahr eingesperrt, und sie bekamen fünf Jahre „Ehrverlust“.

Weil zwölf Jahre nach dem Karlsruher Urteil die DKP gegründet wurde, erschien es vielen als eine abgeschlossene Sache, aber 1968 und dann auch 1990 hatte es seine Hauptwirkung als Damoklesschwert nicht nur über linken Parteien, sondern über jeglichen linken Bewegungen. Es öffnete den Innenministern die Möglichkeit, sie von Fördermitteln auszuließen, ihnen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, sie in den Verfassungsschutzberichten anzuprangern – bis hin zu Vereins- und tausendfach angewendeten Berufsverboten, die immer noch drohen können. Als perfides Instrument staatlicher Verfolgung der Linken erwies sich die Gleichsetzung von links und rechts. Der Journalist Gerd Deumlich sagte einmal: Die Totalitarismusformel der Gleichsetzung sei abscheulich, allerdings wäre es ja mal etwas Positives, wenn die Kommunisten wie die Nazis behandelt würden. Letztere brauchten Verfolgung nicht zu fürchten, „ihr Verein wird nicht verboten, ihre Partei ist der Staat.“ Und dort sitzen sie noch immer, jetzt ihre Nachfahren. Und sie bespitzeln die Linken und schreiben schwarze Listen, die sie den Betrieben zuspielten – sollte sich ein Linker bewerben.

Wenn es kein Ende des Urteils gibt, wäre es da nicht sinnvoll, das Ende der einzelnen Strafprozessurteile anzustreben und eine Rehabilitierung, ja Entschädigung für die Verurteilten beziehungsweise ihre Nachkommen zu verlangen? Die Opfer des Paragraphen 175 haben so etwas versucht, indem sie als verurteilte Schwule die Aufhebung der einzelnen Unrechtsurteile verlangten. Vereinzelt wurde dies auch für verurteilte Kommunisten gefordert. Doch die Urteile wurden nicht aufgehoben. Der Justizminister von Niedersachsen beschied 1989 eiskalt: Kommt nicht in Frage. Es habe doch 1968 ein Straffreiheitsgesetz gegeben, das verhängte Urteile aufhob, wenn die Haft noch nicht angetreten war. Rückwirkend gebe es die Möglichkeit nicht für jene, die ihre Strafe abgesessen haben. Rolf Gössner, der Streiter gegen die politische Verfolgung, schrieb kürzlich: „Das höchstrichterliche Verbotsurteil von 1956 hatte verhängnisvolle Auswirkungen auf die Entwicklung der Bundesrepublik und zeitigt Fernwirkungen bis in unsere Tage. Es rechtfertigte und bestärkte die nazibelastete politische Justiz gegen Kommunisten und deren Bündnispartner. Und es trug dazu bei, das antikommunistische Bollwerk gegen den Osten, die Westintegration und die Wiederaufrüstung Westdeutschlands abzusichern.“ Daher bleibe die Notwendigkeit bestehen, sich damit zu befassen. Es ist eine Aufgabe zur Verbesserung der politischen Kultur, zur Schaffung von Gerechtigkeit und zur wirkungsvollen Fortsetzung antifaschistischer Erinnerungsarbeit.