08.08.2016
Wer rief da nach der
Bundeswehr?
Fragen
zu einem Artikel über den Amoklauf eines
Breivik-Anhängers
Zum Artikel
„Ruf nach der Bundeswehr“ der
„Süddeutschen“ vom 6. August 2016 ergeben
sich Fragen. Die Süddeutsche Zeitung titelte weiter:
„Beim Münchner Amoklauf wurde die Truppe um Hilfe
gebeten“. Wortlaut des Artikels folgt – in
Kästen die Fragen und Kommentare von Ulrich Sander. Er hat zum
Thema Bundeswehr im Inneren Einsatz bis heute diverse Artikel
geschrieben. So der in antifa (Magazin der VVN-BdA) http://antifa.vvn-bda.de/2013/09/05/neu-aufgestellt/
und http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0986_bw_im_innern.htm.
Berlin - Die Alarmbereitschaft der Bundeswehr am
Abend des Amoklaufs von München ging auf eine Bitte aus dem
städtischen Krisenstab zurück.
Solche Krisenstäbe gibt es seit
Jahren. Die Medien berichteten so gut
wie gar nicht darüber. Die Reservisten spielen darin eine
wichtige
Rolle. Frage: Warum ist immer nur von dem
„Amoklauf“ die Rede, so wie
einst „Dönermorde“ statt „rechte
Verbrechen“ gesagt wurde (die sich als
Verbrechen des NSU erwiesen)? Soll wieder unterschwellig das Verbrechen
eines pro-faschistischen Einzeltäters als eines der
islamistischen
Szene vermutet werden?
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Nach Informationen der. Süddeutschen
Zeitung wurde am Freitagabend vor zwei Wochen an einen in der Sitzung
des Krisenstabs anwesenden Vertreter der Bundeswehr die Frage
herangetragen, ob die Bundeswehr et-. was beitragen könne. Zu
diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob es sich um eine Terrorlage
handelte und ob möglicherweise noch mehrere Täter in
der Stadt unterwegs waren. Bislang hatte die Bundeswehr angegeben, dass
es keine offizielle Anfrage vonseiten der Polizei oder der
Landesregierung gegeben hatte.
Wer hatte im Krisenstab das Thema
angeschnitten? Wer hat die Frage an die Bundeswehr
„herangetragen“?
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Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums
erklärte auf Anfrage, dass es sich dabei nicht um einen
Widerspruch handle. Es habe keinerlei formale Anfrage an die Bundeswehr
gegeben. Stattdessen sei es ein übliches Verfahren, dass
Vertreter der Bundeswehr-Kreisverbindungskommandos den zivilen
Behörden in Krisensituationen beratend zur Seite
stünden. Dies sei ein bewährter Teil der
zivil-militärischen Zusammenarbeit. Am betreffenden Abend sei
der Bundeswehr-Vertreter informell gefragt worden, ob und was die
Truppe eventuell beitragen könnte.
Wer fragte da? Es gibt
Bundeswehr-Kreisverbindungskommandos, - aber welcher Zeitungsleser
wusste davon?
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Nach SZ-Informationen handelte es sich bei dem
Vertreter um den Chef des Kreisverbindungskommandos, einen.
Oberstleutnant der Reserve. Bei der Frage, was die Bundeswehr leisten
könnte, ging es demnach etwa darum, ob die Feldjäger,
also die Militärpolizei der Truppe, dabei helfen
könnten, den Verkehr zu regeln oder Absperrungen vorzunehmen.
Außerdem ging es um Sanitätskräfte.
Also völlig harmlos? Regeln und
retten? Dafür gibt es Polizei und Rotes
Kreuz u.ä. Und was ist das für ein
Oberstleutnant der Reserve? Es gibt
ihn in rund 440 Landkreisen und kreisfreien Städten. Er hat
Zugriff auf
jeweils zwölf weitere Reserveoffiziere und diese wiederum auf
einen
Reservistenzahl im dreistelligen Tausenderbereich. Das nennt man
zivilmilitärischen Heimatschutz, geleitet von der Bundeswehr
(Landeskommandos, siehe unten)
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Der Oberstleutnant nahm daraufhin Verbindung zum
bayerischen Landeskommando der Bundeswehr auf. Nacheinander eingebunden
wurden dann das für Einsätze im Inland
zuständige Kommando Territoriale Aufgaben sowie die
übergeordnete Streitkräftebasis. Da es sich
beispielsweise bei der. Regelung des Verkehrs um eine hoheitliche
Aufgabe gehandelt hätte, musste die Entscheidung über
die Bereitschaft aber im Ministerium fallen. Nachdem
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihm Prokura erteilt
hatte, ließ Generalinspekteur Volker Wieker Soldaten des
Feldjägerregiments 3 so- wie Angehörige einer
Sanitätseinheit in Bereitschaft versetzen.
Wir wissen seit Heiligendamm 2007, dass die
Bundeswehr gegen
Demonstranten per Amtshilfe angefordert werden kann, damals erstmalig
von der rot-roten Landesregierung in Schwerin (nicht mal diese
handelte, es durfte die Polizei die Amtshilfe anfordern!) Die
Bundesregierung ist fein raus, sie muss es angeblich nicht wissen, was
da geschieht! Angeblich war auch der zuständige Bundesminister
überrascht, dass sogar Tornadoflugzeuge dabei waren. Das geht
natürlich
nicht immer gut, deshalb bequemte man sich nun zuzugeben, dass die
Ministerin und der Generalinspekteur Befehle gaben.
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Das
Landeskommando stand ab 20.30 Uhr in Bereitschaft - bis zum
frühen Morgen
Wie aus einem Schreiben des
Verteidigungsministeriums an den Bundestag hervorgeht, stand der
Kommandeur des Landeskommandos Bayern am betreffenden Freitagabend von
etwa 20.30 Uhr an mit der bayerischen Staatskanzlei und dem bayerischen
Innenministerium in Verbindung. Nach SZ-Informationen begann die
Bereitschaft gegen halb zehn am Abend und wurde erst aufgehoben, als
sich herausgestellt hatte, dass es sich um einen einzelnen
Amokläufer gehandelt hatte.
Ach ja, die Parlamentsarmee! Der Bundestag,
der sie in Bewegung setzt
oder nicht, bekommt zwei Wochen später einen Brief des
Militärs. Die
offenbar von keiner normalen (die CSU ist nicht
„zivil“) zivilen Stelle
angeforderte Bundeswehr stand bereit, weil es ja nicht um einen
Einzeltäter ging. Dass es ein einzelner war, scheint bekannt
gewesen zu
sein, aber die CSU-Regierung ließ verbreiten, es seien
mindestens drei
Täter in ganz München unterwegs. Es zogen also
Polizisten (oder
Soldaten?) mit Waffen los, aber in Zivil. Das löste
größte und sehr
verständliche Ängste in der Bevölkerung aus.
Denn die bewaffneten
Zivilen konnten für Terroristen gehalten werden. Aber
hinterher hieß
es: Allgemein werde die Polizei für ihr Verhalten gelobt. Das
Verhalten
war grob fahrlässig, vielleicht sogar beabsichtigt, um zu
erproben, was
alles geht.
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Ministerin von der Leyen machte die Bereitschaft
der Feldjäger am Tag danach öffentlich und
löste damit eine neue Diskussion über
Einsätze der Bundeswehr im Innern aus. Doch selbst im Fall
eines Terroranschlags wären die rechtlichen Hürden
für einen Einsatz der Truppe im Innern hoch. Die
Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger kritisierte,
die Bundesregierung verstricke sich in Widersprüche
darüber, „wie die Entscheidungen und die Kette an
diesem Freitag genau abgelaufen sind“. Dies lasse
„nichts Gutes ahnen, wenn es um die geplanten
Übungen zwischen Bundeswehr und Polizei geht"
Solche Übungen hat es bereits
gegeben. (Siehe dazu die Artikel von Peer
Heinelt.) Warum ist das allen Leuten so neu? Was ist das für
eine
„Verteidigungspolitikerin“? Seit 2005 wurde im
Bundestag in einer
Nachtsitzung ohne Aussprache die Grundlage für den Einsatz der
Bundeswehr-Reservearmee mit Unterstützung der aktiven Stellen
gelegt
Mit einer Gesetzesänderung wurde das Reservistenalter auf 60
Jahre
angehoben. Hundertausende Reservisten müssen seit dem mit
schnellen
Einberufungen rechnen. Seitdem üben sie den Krieg im Innern.
(Dazu hat
Verdi, Bezirk München, wiederholt informative Veranstaltung
durchgeführt und Broschüren herausgegeben, an denen
ich mitwirkte.)
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Quelle: C. HICKMANN, S. WIMMER,
Süddeutsche Zeitung, 6./7. August 2016, Seite 6
Der genannte Peer Heinelt schrieb an Ulrich Sander:
Meine letzte etwas umfangreichere
Veröffentlichung liegt schon ein bisschen zurück: https://www.jungewelt.de/2013/04-03/006.php.
Ergänzend hatte ich ebenfalls 2013 noch das hier in der jW: https://www.jungewelt.de/2013/11-25/034.php.
Letztes Jahr habe ich mich dann mit der sog. Flüchtlingshilfe
der Bundeswehr befasst: https://www.jungewelt.de/2015/12-19/015.php
und https://www.jungewelt.de/2015/12-19/016.php.
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.
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