25.07.2016
Eine Polemik von Norbert Birkwald
Anmerkung zu Jürgen Lloyd „Den Rassismus begreifen und bekämpfen“, UZ vom 22.07.2016
Klar, es ist nicht die klügste Art,
gegen solche Haltung, wie sie in diesem Artikel zum Ausdruck (siehe
unten) kommt, polemisch anzugehen. Ab und an muss es sein…
Es geht zunächst mal los mit der Frage „Was
soll das?“. Es ist doch eigentlich alles gesagt. Patrik
Köbele hat erklärt, warum die DKP sich nicht am Bündnis
„Aufstehen gegen Rassismus“ beteiligt. Nina Hager hat in
einem Kommentar erklärt, dass es notwendig ist, dieses
Bündnis zu unterstützen und in ihm mitzuarbeiten. Also
was soll es, nun den Leiter der Karl-Liebknecht-Schule aufzubieten, um
klar zu machen, warum das Bündnis eine „falsche“
Position vertritt und die „richtige“ die ist, erst mal
den Kapitalismus zu bekämpfen, bevor man sich so profanen
Dingen wie dem Rassismus oder der AfD entgegenstellt?
Kann es sein, dass es daran liegt, dass jede/r
einigermaßen geradeaus denkende/r Marxist/in (die ich auch
außerhalb der DKP wahrnehme) schon längst in diesem
Bündnis mitarbeitet, sich an der Ausbildung von
StammtischkämpferInnen beteiligt, solidarisch in diesem
Bündnis daran arbeitet, AfD und Konsorten den Resonanzboden
zu entziehen und daran mitackert, dass am 3. September eine
ansehnliche Anzahl Menschen in Berlin anwesend sein werden? Wenn das
die Tatsache ist, die auch der Parteivorstand der DKP wahrnimmt,
ist es eigentlich an der Zeit, seine Position zum Bündnis
„Aufstehen gegen Rassismus“ zu überdenken. Es
würde ihm niemand übel nehmen.
Stattdessen wird versucht, die UZ-LeserInnen zu
verwirren. Das geht schon in der Einleitung des Artikels los:
„Kann man es (gemeint ist der Rassismus)(bekämpfen), indem
man alle Antirassisten sammelt und ansonsten „rote Linien
zieht, jenseits derer keine Position mehr geduldet wird?“.
Im Aufruf des Bündnisses steht tatsächlich: „Wir
stehen auf gegen den Rassismus von Pegida, AfD, NPD & Co. Wir
erheben unsere Stimmen, um in die gesellschaftlichen Debatten
einzugreifen, gegen rechten Populismus.“ Weiter schreibt
das Bündnis: (Quelle: https://www.aufstehen-gegenrassismus.de/kampagne/)
„Im Nachkriegsdeutschland waren offen auftretende
Nazi-Organisationen meist gesellschaftlich geächtet und
isoliert. Das war keine Selbstverständlichkeit, sondern das
Resultat von antifaschistischen und antirassistischen Kampagnen
… Genau das gerät gerade ins Wanken: Die AfD greift
weit aus und reißt Tabus ein. Sie setzt immer neue Themen, die
andere aufgreifen. Vor allem aber ist die Rote Linie der
Ächtung und Isolation durchbrochen. Rassistische Positionen
werden von der AfD offen vertreten und immer mehr Menschen bekennen
sich zu diesen. Hier setzen wir an: Wir wollen die Linie der
Ächtung neu ziehen. Wir wollen deutlich machen: RassistInnen
und FaschistInnen sind keine Alternative, mit der man sich gemein
machen sollte. Uns ist dabei klar, dass wir nicht alle
RassistInnen vom Gegenteil überzeugen können, aber wir wollen
die Linie der Akzeptanz neu ziehen. Damit klar wird: ‚Wenn
du bestimmte Ansichten vertrittst, überschreitest du die
rote Linie.‘“
Da sage mir, dem UZ-Leser, doch mal jemand, was daran falsch ist? Hat mir keiner sagen können.
Deshalb arbeite ich in diesem Bündnis mit.
Weiter im lloydschen Text: „Als
Herrschaftsideologie des Imperialismus fungiert Rassismus im
Inneren als antidemokratische, gegen die Gleichheit gerichtete Welt-
und Geschichtsdeutung. Er dient zur Anheizung des
Konkurrenzkampfes innerhalb der Arbeiterklasse und anderer
nichtmonopolistischer Teile der Bevölkerung…“.
Ja hätte Jürgen Lloyd doch an dieser Stelle seinen Text
abgeschlossen mit dem Aufruf, sich am Bündnis „Aufstehen
gegen Rassismus“ zu beteiligen. Es wäre ein guter Text
geworden. Klare Position, Rassismus dient der Spaltung der
Arbeiterklasse. Also reihen wir MarxistInnen uns in diesem
Bündnis ein.
Nein, was tut er? Er polemisiert gegen das Bündnis:
„Wenn wir ihnen (er meint die unzufriedenen Teile …
der Bevölkerung) mit einer moralisierenden Verurteilung
rassistischer Ideen entgegentreten oder ihnen gar drohen, sie
jenseits einer ‚roten Linie‘ … auszugrenzen,
isolieren wir uns von ihnen“. Da rufe ich Jürgen Lloyd
zu: Mit dieser Haltung isolierst Du die DKP von denjenigen, die
ernsthaft, moralisch, politisch, humanistisch oder auch
„nur“ juristisch davon überzeugt sind, dass es
erforderlich ist, Rassismus zu bekämpfen, nicht abstrakt, sondern
in seiner heute schreienden Erscheinungsform in Gestalt der AfD
& Co. Wer darauf wartet, dass sich die Massen von der
herrschenden Monopolbourgeoisie abwenden, diese stürzen und
vermittels des Werkzeugs „Sofortprogramm der DKP“
erst die antimonopolistische Demokratie und dann den Sozialismus
aufbauen werden, kann auch gleich regelmäßig Kirche,
Synagoge oder Moschee besuchen. Zur Verbesserung der Welt
trägt es nicht bei.
Schließlich: mit einer solchen Handlung
müßte die DKP auch ihre Mitglieder dazu aufrufen, sich
nicht mehr in Gewerkschaften zu organisieren und schon gar nicht,
sich dort zu engagieren. Weiterhin gutes Gelingen in der
selbstgewählten Isolierung.
Norbert Birkwald
Ach so: Ich war seit 1971 Mitglied des MSB Spartakus und
der DKP. Ich erhielt 1975 als Lehrer Berufsverbot, mit der
Begründung, Mitglied der DKP zu sein. Aus der DKP bin ich in den
achtziger Jahren ausgetreten, weil ich es nicht länger
ertragen konnte, dass sich meine Partei mit sich selbst
beschäftigt, statt Verbündete zu sammeln, um den
Klassengegner zu bekämpfen. Wahrlich, ich bin nicht ausgetreten,
weil Menschen wie Emil Carlebach, Peter Gingold, Kurt Bachmann
mir und vielen anderen GenossInnen immer wieder eindringlich die
Notwendigkeit antifaschistischer Bündnispolitik
erläutert haben. Ich bin seit 1972 Mitglied der VVN und arbeite
dort aktiv mit. Ich bereite mit meinen betroffenen KolegInnen den
45. Jahrestag des „Radikalenerlasses“ vor. Natürlich
bin ich Mitglied der Gewerkschaft, seit 1968, es hat mir nicht
geschadet…
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