18.07.2016
Brandgefährlich: Das Schweigen der Medien zu Kriegsvorbereitungen gegen Russland von Deutschland aus
Zu Protestaktionen der Friedensbewegung am
3. Oktober in Essen und Kalkar/Niederrhein ruft auch die VVN-BdA
anläßlich des etwas anderen "Nationalen Feiertags" und der
Tagung des JAPCC (Vereintes Luftkraft Kompetenz Zentrum) in Essen auf.
Siehe http://www.demo-kalkar.de.
Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA weist in einem Beitrag
für die Junge Welt auf Bedeutung des Luftwaffenkommandos Kalkar
für die offensive NATO- und Bundeswehrstrategie in den
Ostseestaaten gegen Russland hin. Der Artikel im Wortlaut.
Schon am 25. Februar 2014 durfte eine Lilia Shevtsova
vom »Carnegie Endowment for international Peace« ganz
eindeutig und gar nicht »for Peace« in der
Süddeutschen Zeitung (SZ) den »Regimechange« in
Russland verlangen, nachdem ein solcher mit Milliarden US-Dollar und
EU- wie NATO-Druck in Kiew gelungen war. »Man müsste im Auge
behalten, dass ähnliche Umwälzungen auch in anderen
Ländern möglich sind. Für den Kreml ist es eine
Existenzfrage. Denn jede Revolution in einem ›Brudervolk‹
kann in der russischen Gesellschaft den Wunsch wecken, diesem Beispiel
zu folgen.« Aber bitte sehr, auch die SZ sieht keine
antirussische Haltung in der derzeitigen Politik des Westens, sie sieht
nur ein »wieder forsch auftretendes Russland«, und die
Kanzlerin wird unkommentiert und zustimmend mit ihrer
Hochrüstungspolitik gegen Moskau zitiert. Auch mit solchen
Darstellungen wird der Frieden gefährdet.
Es heißt: Nichts ist so alt wie die Zeitung von
gestern. Das hätten die Medienmacher von der laut Eigendarstellung
»bedeutendsten überregionalen Tageszeitung« wohl gern,
dass wir alle vergessen, was gestern gesagt und geschrieben wurde. Was
die NATO anbelangt, so werden wir äußerst schlecht
informiert und sollen uns wohl auf das Lesen zwischen den Zeilen
beschränken.
Also dann: In der SZ vom 9. Juli war zu lesen:
»Für einen Angriff sind 4.000 Mann zu wenig«. Auf
derselben Seite wurde der stellvertretende US-Verteidigungsminister
James Townsend zitiert, der einen US-amerikanischen
»militärischen Wiederaufbau in Europa« ankündigt:
»Abschreckung aber sei ›nur wirksam, wenn man auch
tatsächlich in der Lage ist, einen Feind zu
besiegen‹«.
Die SZ, die in militärischen Dingen alles tut, um
uns in die Irre zu führen, deutet damit ungewollt etwas an, was
über die reinen NATO-Heeresvorbereitungen in den
Ostseeländern hinausgeht: die Absicht, einen Krieg gegen Russland
»siegreich« zu führen. Dazu gehören die
Aktivitäten der anderen Waffengattungen, über die wir
allerdings aus der SZ nichts erfahren.
Zum Beispiel über die Vorgänge in Kalkar am
Niederrhein, über die Town send natürlich Bescheid
weiß. Hier haben NATO und Bundeswehr ihren Gefechtsstand, der die
Luftoperationen bis zum Ural steuern kann, und zwar auch die mit
unbemannten Flugzeugen, also Kampfdrohnen, und atomar bestückten
Objekten.
Von der Existenz bewaffneter Roboter und dass diese
ferngesteuert töten können, erfahren wir in der SZ vom 9.
Juli auf Seite 2 ganz nebenbei. Und zwar dort, wo über den
Scharfschützen berichtet wird, der in Dallas/USA Polizisten
erschoss und dann mit einem »ferngesteuerten Gefährt mit
einem Sprengsatz außer Gefecht gesetzt« wurde. Auch
Kampfdrohnen sind Roboter und alles andere als neu, außer wohl
derzeit noch bei der Polizei. Das Militär, auch das deutsche,
übt seit langem von Kalkar aus deren Einsatz.
Der Kommandant des Standortes Kalkar, General Joachim
Wundrak, bezeichnet diesen als einen »ganz großen Player in
den deutschen Streitkräften und der NATO«. In Kalkar/Uedem
bauen Bundeswehr und NATO eine Leitzentrale und die nötige
Infrastruktur für den Hightech-Krieg auf. Auf der vorletzten
Tagung des dortigen »Joint Air Power Competence Centre«
wurde schon 2014 ein immer wahrscheinlicher werdender großer
Krieg (»Major War«) in Europa angekündigt. Die
Militärs entwickeln dafür Pläne unter Einbeziehung eines
»Mixes nuklearer und konventioneller Kapazitäten«, so
steht es im Text »Future Vector« aus Kalkar 2014.
Unter Verweis auf den Ukraine-Konflikt baut die
Bundeswehr eine sogenannte »Speerspitze« mit 2.700 Soldaten
auf, die in Münster stationiert sind und in kürzester Zeit in
jeder europäischen Konfliktregion zum Einsatz kommen sollen.
Zunächst, wie in Warschau beschlossen, in Estland. Die dazu
gehörige luftgestützte Steuerung erfolgt von Kalkar/Uedem
aus. Und hier wird die Gefährlichkeit der angeblich so harmlosen
Stationierungen deutlich, der die Bundesregierung zustimmte.
Die Behauptung, es werde kein neuer Kalter Krieg
angestrebt, ist völlig unglaubwürdig. Der frühere
UdSSR-Präsident Michail Gorbatschow sprach es am 9. Juli
anlässlich des Gipfeltreffens des Militärpaktes
gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax klar aus: »Von
einem Kalten Krieg geht die NATO zu den Vorbereitungen für einen
heißen Krieg über.«
Aus: Junge Welt, 18.07.2016, Seite 4 / Inland
Nachtrag:
Zu meinem Beitrag „Brandgefährlich“ vom
18. 7. 2016 in der Jungen Welt möchte ich noch anmerken, was
wenige Tage nach dem Erscheinen des Beitrags von der Luftwaffenwebsite
zu erfahren war: Die Flugzeuge, die gen Osten operieren und das
deutsche Heer an der Russland-Front unterstützen sollen, werden
nicht nur aus Kalkar/Niederrhein gesteuert, sie werden auch direkt in
Estland stationiert. Siehe Website Luftwaffe 21/22.7.16. Die
Friedensbewegung plant für den 3. Oktober Protestaktionen in
Kalkar und Essen, gegen diese brandgefährliche Entwicklung.
Ulrich Sander, Dortmund
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