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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.07.2016

Telefonisches Echo auf einen Leserbrief: Gründungsmitglied der VVN-BdA meldet sich

Kürzlich rief Frau Inge B. aus dem einem Seniorenstift in Dortmund bei der VVN-BdA an: Sie ist 94 Jahre alt, hat lange nach der VVN-BdA gesucht und mit Hilfe der Ruhrnachrichten die Telefonnummer gefunden:

„Na, gibt es die denn noch. Ich gehörte doch früher auch dazu.“ Bei Kriegsende war sie 22 Jahre alt. Sie habe meinen Leserbrief (mit Er-wähnung der VVN-BdA) gelesen. Sie erzählte mir, dass sie aus einer jüdisch-katholischen Mischehe stammt. Vater (katholisch) wurde entlassen bei der Bank und bekam weit weg eine Arbeit. Die Mutter wurde von der Gestapo in Berlin in eine Kellerwohnung mit anderen Jüdin-nen  gesteckt.

Sie selbst musste von November 44 bis April 45 in einem kleinen Ort im Sauerland in einer Metallfabrik Zwangsarbeit leisten. Die Engländer befreiten sie. Dann kam sie nach Dortmund zurück, Vater und Mutter auch. Eine Anzahl der Verwandten kamen im KZ ums Leben. Unter Bezug auf den Leserbrief sagt sie: „Den Oberbürgermeister müssen wir aber mal zu uns rüber ziehen,“ sagte sie. „Den mögen Sie wohl nicht?“ Ich sagte, das ist nicht die Frage, ich finde den schon ganz in Ordnung, aber das Problem ist, dass er einknickt vor der Polizei und die lässt dann die Nazis gewähren, er beschimpft dann jedoch die linken Demonstranten. „Das ist ganz furchtbar“, sagte sie, es sei furchtbar, was geschehe. Der IS komme immer näher. Die Jugend habe keine Ahnung. Und die Nazis dürfen marschieren. Und dann betonte sie noch: Dass die Nazis in Huckarde an unser Denkmal ran durften, das sei ganz besonders schlimm.

Ulrich Sander, Dortmund

Mein Leserbrief hatte den Wortlaut:

Zu Ihren Berichten zum Naziaufmarsch:

Mich bringt unser OB Sierau bei solchen Gelegenheiten wie am Samstag immer ins Grübeln, manchmal kommen Zweifel auf, ob er  den richtigen Ton trifft.

Da kommen Nazis aus ganz Deutschland hierher, und es kommen Polizisten aus dem ganzen Land, um das höchst zweifelhafte (siehe Artikel 139 GG) Demonstrations-„Recht“ der Nazis zu gewährleisten, und die Polizisten gehen so weit, die Nazis ans VVN-Denkmal in Huckarde heranzulassen! Wir als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN, gegründet 1946 von den überlebenden NS-Opfern) unternehmen große Anstrengungen, um ebenfalls bundesweit zu mobilisieren.  Und dann kommen unsere Freunde hierher und werden vom OB nicht etwa begrüßt, sondern als „Reisekader“, womöglich sogar gewalttätige bezeichnet. Wann wird in Dortmund endlich zur Kenntnis genommen, dass die Losung „Nazis raus aus unserer Stadt“ nicht ausreicht? Wir brauchen nicht nur „bunt statt braun“ in Dortmund, sondern auch „Bunt statt braun, aber auch statt olivgrün (Krieg!)“ in ganz Deutschland.

Ulrich Sander, Dortmund
Bundessprecher der VVN-BdA