23.06.2016
Kein Friede in Europa ohne
Frieden mit Russland
Veranstaltung
zum 75. Jahrestag des 22. Juni 1941 in Dortmund
Unter Bezugnahme auf die
scharfe Kritik von SPD-Politikern an der deutschen Russlandpolitik
forderte eine Vertreterin der nordrhein-westfälischen VVN-BdA
und der Friedensbewegung auf der Dortmunder Erinnerungskundgebung zum
22. Juni 1941 die ehemaligen Teilnehmer der großen deutschen
Friedensbewegung dazu auf, sich wieder zusammenzufinden. Die
gefährlichen NATO-Provokationen, die von der Bundesregierung
unterstützt werden, müssten beendet werden.
Monika Niehaus (VVN-BdA NRW, Dortmunder
Friedensforum) betonte: "Ich spreche hier als eine Mitstreiterin der
Friedensbewegung der achtziger Jahre, nach der von manchen Seiten so
sehr gerufen wird. Zu Recht, meine ich. Daher gilt: Alle, die
einst mit den Jusos und den Grünen und vor allem den
Gewerkschaften gemeinsam für den Frieden handelten,
sollten sich an diesem 22. Juni vornehmen, wieder ebenfalls
die Lehren aus der Geschichte zu ziehen und wieder zusammenzustehen
für Frieden, gegen Faschismus. Wir wissen es doch seit vielen
Jahrzehnten: Es gibt keinen Frieden ohne und gegen Russland. Handeln
wir entsprechend."
Sie sprach auf der Veranstaltung, die unter dem
Motto „Aus dem Schatten der Erinnerung“ am
Mittwoch, 22. Juni 2016, auf dem Dortmunder Hauptfriedhof am
sowjetischen Mahnmal (Friedhofsteil am Rennweg, jüdischer
Friedhof) stattfand. Es war eine Gedenkstunde in Erinnerung an den
Überfall auf die Sowjetunion durch das nationalsozialistische
Deutschland vor 70 Jahren, gestaltet als Kooperationsprojekt zwischen
dem Museum Karlshorst, Aktion Sühnezeichen, Gegen Vergessen -
für Demokratie e.V., der Stadt Dortmund, der Europaschule
Dortmund, dem Kinderchor der Chorakademie Dortmund, dem Friedensforum
Dortmund, dem Förderverein Steinwache/internationales
Rombergpark Komitee und dem Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge e.V. (LV NRW) mit
Unterstützung der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA NRW).
Die Eröffnung und
Begrüßung nahm Bürgermeister der Stadt
Dortmund Manfred Sauer (CDU) vor. Es folgte die Kranzniederlegung.
„Die Moorsoldaten“ und
„Vois sur ton chemin“ sang der Kinderchor der
Chorakademie Dortmund. Ihr Projekt Namensziegel (Tontafeln mit
Personalien von in Dortmund gestorbenen sowjetischen Zwangsarbeitern
und Kriegsgefangenen) stellten Schülerinnen und
Schüler der Europaschule Dortmund vor.
Zum historischen Hintergrund sprach Prof. Dr.
Bernd Faulenbach (SPD), Vorsitzender von Gegen Vergessen- für
Demokratie e.V. und Mitglied im Bezirksvorstand Arnsberg des Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
Wortlaut der
Rede von Monika Niehaus:
Verehrte Anwesende,
für die Gelegenheit hier zu sprechen,
danke ich Ihnen sehr. Ich spreche hier zum einen für das
Dortmunder Friedensforum, zum anderen spreche ich für die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten, die
1947 von den Überlebenden des Naziterrors gegründet
wurde.
Viele Jahre lang habe ich an der
Anne-Frank-Gesamtschule unterrichtet. Es freut mich daher besonders,
hier junge Leute zu treffen, die wie wir Älteren dieses Datum
22. Juni sehr ernst nehmen.
Der 100. Jahrestag von Verdun stand in den
Schlagzeilen - gut so. Aber der 75. Jahrestag des Überfalls
auf die Sowjetunion wird von vielen Medien und der Politik weitgehend
ebenso ignoriert wie zuvor der 70. In Verdun starben 300.000 Soldaten -
furchtbar! Der deutsche Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion kostete
dort viele Millionen Menschenleben. Das geht unser geschichtliches
Gewissen nach wie vor viel an!
In unfriedlichen Zeiten ist es bitter
nötig, aus dieser Geschichte zu lernen.
22. Juni 1941 - Hitler-Deutschland
überfällt die Sowjetunion. Das sogenannte
‚Unternehmen Barbarossa‘ bedeutete Massenmord,
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies
bezahlten 27 Mio. Sowjetbürger/innen mit ihrem Leben
– als Soldaten, Zivilisten, Opfer von
Massenerschießungen, Juden, KZ-Häftlinge,
Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter/innen – auch hier in
Dortmund.
Die Soldaten und die Zivilbevölkerung der
Länder, die von der Hitler-Wehrmacht überfallen
wurden, erlitten großes Leid. Vor allem die
Zwangsarbeiter/innen und Kriegsgefangenen, die in der heimischen
Rüstungswirtschaft eingesetzt wurden, waren großen
Schikanen ausgesetzt. Viele von ihnen starben an Hunger und
Entkräftung, wurden bei Erkrankung nicht ausreichend
medizinisch versorgt, galten als ‚Untermenschen‘
und wurden so behandelt.
In den Schulen hatten viele von uns Kolleginnen
und Kollegen ehemalige Zwangsarbeiter/innen zu Gast. Das war eine
wichtige Erfahrung für uns alle, Schülerinnen und
Schüler, Lehrerinnen und Lehrer. Valentina Sushenko aus
Taganrog berichtete: Gegen die Zwangsarbeiter in den unterjochten
Ländern fanden regelrechte Menschenjagden statt, die von der
Wehrmacht, der Polizei, der Gestapo und SS durchgeführt
wurden. Alles wurde rekrutiert, was halbwegs arbeitsfähig
schien – Kinder, Alte und Kranke wurden nicht verschont.
Verehrte Anwesende! Liebe Freundinnen und Freunde!
Wie ging es nach 1945 weiter? Schuld und Sühne
dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfolgten in
völlig unzureichender Weise. Nur drei Prozent der Ausbeuter-
und Sklavenhalterfirmen zahlten in eine Stiftung ein, die zur
Entschädigung gegründet wurde.
Das alles müsste eigentlich Grund genug
sein, das Schicksal dieser Menschen nicht zu verdrängen und zu
vergessen. Und dies gerade heute nicht, denn heute, 75 Jahre nach dem
Überfall auf die UdSSR, werden wieder deutsche Soldaten im
Zuge der „Nato-Ostpräsenz“ an die
russische Grenze geschickt.
Gerhard Schröder, einst Juso-Vorsitzender
und großer Mitstreiter der mächtigen
Friedensbewegung meiner Generation, führte dann als Kanzler
Deutschland wieder in den Krieg. Das war unverzeihlich. Doch in diesen
Tagen sagte er etwas Richtiges und Wichtiges. Er sagte in der
Süddeutschen Zeitung:
„1941 überfiel
Hitlerdeutschland die Sowjetunion mit dem Ziel, sie
auszulöschen, ihre Menschen zu versklaven und zu vernichten.
Deutschland hat dort ein epochales Verbrechen begangen. Und es ist ein
Wunder, dass die Völker der Sowjetunion trotzdem zur
Versöhnung bereit waren.“ Weiter sagte er:
„Deshalb tragen wir Deutschen gegenüber Russland
eine besondere Verantwortung.“ Aber was geschieht nun?
Schröder sagt weiter: „Obwohl die Nato-Russland-Akte
keine dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen an der russischen
Grenze zulässt, sollen diese jetzt genau dorthin.
-… Ich halte die Beteiligung der Bundeswehr vor dem
Hintergrund unserer Geschichte für einen großen
Fehler. … Wir sollten jetzt darauf achten, nicht in einen
neuen Rüstungswettlauf einzusteigen.“ Soweit
Schröder. Er verurteilt die Sanktionspolitik der EU gegen
Moskau, die Aufstellung des US-Raketensystems gegen Russland und die
Pläne, Georgien und die Ukraine immer mehr in die Nato
hereinzuführen. Man habe versucht, die Krim zu einem Teil des
Nato-Gebietes zu machen. Vor allem aber sei zu verurteilen: (Zitat)
„75 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion
sollen wieder deutsche Soldaten an der russischen Grenze stationiert
werden. Welche Wirkung muss so etwas in Russland haben?“
Ich spreche hier als eine Mitstreiterin der
Friedensbewegung der achtziger Jahre, nach der von manchen Seiten so
sehr gerufen wird. Zu Recht, meine ich. Daher gilt: Alle, die einst mit
den Jusos und den Grünen und vor allem mit den Gewerkschaften
gemeinsam für den Frieden handelten, sollten sich an diesem
22. Juni vornehmen, wieder die Lehren aus der Geschichte zu ziehen und
zusammenzustehen für Frieden, gegen Faschismus. Wir wissen es
doch seit vielen Jahrzehnten: Es gibt keinen Frieden ohne und gegen
Russland. Handeln wir entsprechend.
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