19.06.2016
Hochschule kooperiert
für den Cyberkrieg
Neue
gefährliche Waffengattung entsteht
Alljährlich
demonstriert die nordrhein-westfälische Friedensbewegung am 3.
Oktober in Kalkar gegen den Aufbau der Luftwaffenbasis für
automatisierte Waffen und Kampfdrohnen, die von dort eine Reichweite
bis an den Ural haben und schon jetzt die Kampfdrohneneinsätze
von Ramstein ersetzen können. Die Bundesregierung hat
beschlossen, eine neue Waffengattung für den Cyber- und
IT-Bereich neben Luftwaffe, Heer und Marine aufzubauen. Alles ohne
Beschlussfassung des Parlaments! Prof. Rudolph Bauer (Bremen) hat dazu
in „Ossietzky“ Einzelheiten
veröffentlicht. Er schreibt:
Bundesministerin von der Leyen hat
angekündigt, die von ihr befehligten Truppen für den
internationalen Cyberkrieg zu rüsten. Dazu werden
Informatikerinnen und Informatiker benötigt. Insgesamt sollen
im Cyber- und IT-Bereich 13.500 Dienstposten geschaffen werden. Aber
woher die künftigen Stelleninhaber nehmen? Auf dem
Arbeitsmarkt werden sie für die entsprechenden Zivilberufe in
der Wirtschaft umworben. Unter den eingewanderten Flüchtlingen
aus Syrien scheinen die militärtüchtigen
Nachwuchs-Informatiker nicht üppig zu sein. Und die
Bundeswehrhochschulen in München und Hamburg liefern offenbar
auch nicht das dringend benötigte Personal. Mit sieben
Ingenieursstudiengängen sowie drei wirtschafts-, zwei sozial-,
einem sport- und zwei geisteswissenschaftlichen Studiengängen
sowie mit drei Fachhochschul-Curricula ist ihr Output für den
Cyber War jedenfalls wenig ergiebig. Was also tun?
Das Unternehmen Bundeswehr ist auf die Idee
gekommen, IT-Krieger unter den Geschlechtsgenossinnen der Ministerin
anzuwerben, und zwar dort, wo sie als materiell wenig bemittelte
Studierende sich leicht für den Dienst in der Truppe
ködern und verpflichten lassen: bei den Studentinnen an
Fachhochschulen. Eine dieser Institutionen – sieben sind
vorgesehen – ist die Hochschule Bremen (offiziell als
University of Applied Sciences firmierend). Hier wurde ein
Kooperationsvertrag zwischen der Hochschulleitung und dem Unternehmen
„Bundeswehr“ abgeschlossen, wonach ab dem
Wintersemester 2016/17 der duale Frauenstudiengang Informatik
für wehrtaugliche Kommilitoninnen geöffnet werden
soll.
Der Protest dagegen beschränkte sich
bislang nicht nur auf die Studierenden des Allgemeinen
Studentenausschusses, die vorbildlich eine Sitzung des Akademischen
Senats aufmischten. Einspruch gegen den Kooperationsvertrag wurde unter
anderem auch vom Bremer Friedensforum erhoben, von der Linksfraktion
der Bremischen Bürgerschaft sowie vom Forum InformatikerInnen
für Frieden und gesellschaftlich Verantwortung (FIfF). Dessen
Beiratsmitglied Ralf E. Streibel hat aus Protest seine
Lehrtätigkeit im Rahmen des Frauenstudiengangs eingestellt.
(Streibels lesenswert argumentierender Offener Brief an die Rektorin
der Hochschule ist unter www.kramschubla.de/hsb nachzulesen.)
Das FIfF bringt zum Ausdruck, dass es Bedenken
hat, „der Bundeswehr direkten Zugang zur Hochschule Bremen
als einer zivilen Bildungseinrichtung zu gewähren und dort
Informatikerinnen für den Krieg auszubilden“. Der
InformatikerInnen-Verband verweist zur Begründung auf die
Truppen-Website bundeswehrkarriere.de, wo für das
Bachelorstudium im technischen Bereich unter anderem mit der Aussage
geworben wird: „Sie werden in internationalen Einrichtungen
der Rüstungskooperation eingesetzt und arbeiten oft mit
Vertretern europäischer Partnerstaaten, den USA sowie der
ausländischen Industrie zusammen. Sie arbeiten im Bundesamt
für Ausrüstung, Informationstechnik und
Nutzung.“
Der Bremer Universitätsprofessor
Hans-Jörg Kreowski betont als FIfF-Vorstandsmitglied:
„Bei der Kooperation handelt es sich um einen krassen
Verstoß gegen die Zivilklausel der Hochschule, in der es
heißt: ,Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen
dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische
Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten
mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab ...' Diese
Formulierung ist auch ganz im Sinne des Bremischen Hochschulgesetzes,
in dem in § 4 Absatz 1 als eine Aufgabe herausgestellt wird:
,Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium
ausschließlich friedliche Zwecke.' Eine Kooperation mit der
Bundeswehr kann diesem Grundsatz in keiner Weise
genügen.“
Kreowski weiter: „Wir sehen einen
direkten Zusammenhang zwischen der verstärkten
Präsenz des Militärs in zivilen Bildungseinrichtungen
und den Plänen der Bundesregierung, neben Heer, Marine und
Luftwaffe einen neuen militärischen Organisationsbereich
für den Cyber- und Informationsraum (CIR) aufzustellen, was
für sich genommen bereits eine äußerst
problematische Entwicklung im weltweiten Rüstungswettlauf
darstellt.“ „Wir fordern die Leitung der Hochschule
Bremen auf“, schließt Kreowski, „sofort
von dem Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr zurückzutreten
und sich auf die Zivilklausel zu besinnen, also Studium, Lehre und
Forschung ausschließlich und vollständig zivil
auszurichten!“
Das Bremer Friedensforum bedauert es ebenfalls,
dass die Hochschule Bremen sich trotz Zivilklausel der zunehmenden
Militarisierung der Gesellschaft öffnet und vertraglich
zusichert, mit der Bundeswehr zu kooperieren. Es protestiert gegen den
Kooperationsvertrag und fordert seine Annullierung. Wie Hartmut Drewes,
der Sprecher des Friedensforums, erklärt, sei der Vertrag im
Zusammenhang mit der zurzeit personell wie materiell betriebenen
Aufrüstung der Bundeswehr zu sehen. Die bundesdeutsche Armee
solle speziell für einen Cyberkrieg fit gemacht werden.
Zugleich werde die Bevölkerung in allen Bereichen, vom
Kindergarten bis zu den Hochschulen, von den Industriebetrieben bis in
die religiösen Gemeinschaften hinein auf eine weitere
Militarisierung eingestimmt.
In diesem Sinne fordert auch ein
Entschließungsantrag der Bremischen Fraktion der Linken vom
3. Mai: „Zivilklausel umsetzen – Keine
Studiengangskooperation zwischen Bremischen Hochschulen und der
Bundeswehr“. Dagegen verlangt die
Bürgerschaftsfraktion der CDU: „Arbeit von
Hochschulen und Bundeswehr stärken – Kooperationen
unterstützen“. Die Regierungskoalition aus SPD und
Bündnis90/Die Grünen windet sich. Man vernimmt aus
ihren Reihen das tolldreiste Argument, die Truppe sei doch eine
„Friedensarmee“, und die Kooperation mit ihr diene
dem Frieden. Das gegenwärtige Bremer
Regierungsbündnis verfügt einer neuesten Umfrage
zufolge nicht mehr über die Mehrheit unter den
Stimmbürgern.
Aus Ossietzky 13/2016, S. 460-462.
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