13.05.2016
AfD auf Kriegs- und NATO-Kurs
In der
Jungen Welt analysieren Wolfgang Gehrcke und Siegfried Ransch die
Außenpolitik der AfD
Zu den reaktionären
und kriegerischen außenpolitischen Vorstellungen in der
Programmatik der „Alternative für
Deutschland“ haben Wolfgang Gehrcke und Siegfried Ransch in
der „Jungen Welt“ (28.4.2016) eine Analyse
vorgestellt. Hier der Wortlaut:
Auf Kriegs-
und NATO-Kurs
Zu einigen
außenpolitischen Vorstellungen im Entwurf des
Grundsatzprogramms der »Alternative für
Deutschland«.
Von Wolfgang Gehrcke und Siegfried Ransch
»Die Bundesrepublik verfolgt eine
orientierungslose Anpassungspolitik. Das führt dazu, dass
zunehmend andere Staaten und Institutionen die deutsche
Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen und
steuern.« So beginnt das Kapitel »Außen-
und Sicherheitspolitik« im 74seitigen Entwurf des
Grundsatzprogramms der »Alternative für
Deutschland« (AfD). Zuerst »beeinflussen«
andere die deutsche Politik, dann »steuern« sie sie
gleich und noch dazu alles »zunehmend«. Das ist
eine Sprache der Demagogie, von der das Programm durchtränkt
ist.
»Sicherheitspolitische Entscheidungs-
und Handlungsfähigkeit in Deutschland und Europa sind
erodiert«, heißt es weiter. »Deswegen (!)
ist Deutschland zunehmend auf den Schutz und die Unterstützung
von Bündnispartnern, besonders der USA, angewiesen und kann
eigene Interessen nicht angemessen vertreten.« Das ist eine
komplette Verdrehung der geschichtlichen Wahrheit. Nach der
Zerschlagung des deutschen Welteroberungsfaschismus hatte das deutsche
Finanz- und Industriekapital seinen Wiederaufstieg und seine
Herrschaftssicherung ganz wesentlich seinen Verbündeten zu
verdanken, namentlich den USA. Und heute werden, trotz einiger
Widersprüche, die »eigenen« Interessen der
multinationalen Konzerne, des Militärs, der Geheimdienste
maßgeblich mittels EU und NATO durchgesetzt, über
sie erzielt die Mittelmacht Deutschland Weltgeltung. Mit der zitierten
Aussage spekuliert die AfD darauf, den breiter gewordenen Strom des
Unbehagens an den verheerenden Folgen US-amerikanischer und NATO-Kriege
in ihre Kanäle zu lenken. Ihre Alternative freilich ist
dürftig, eine »langfristige
ressortübergreifende Gesamtstrategie« für
die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sei erst noch
»zu erarbeiten und umzusetzen. Dabei müssen die
nationalen Interessen und das Wohl des deutschen Volkes im Mittelpunkt
stehen.« Diese deutschtümelnde, völkische
Sichtweise ist ein weiterer Grundzug des Programmentwurfs, der die
sozialökonomischen und politischen Machtverhältnisse
im Inneren wie im Äußeren ausblendet.
Die Vereinten Nationen, so heißt es im
Text, seien für Sicherheit und Frieden in der Welt
unverzichtbar. Das »Ziel« solle sein,
internationale Krisenherde »diplomatisch zu
entschärfen« sowie »humanitäre
Katastrophen«, »Verlust der Heimat von
Bevölkerungsgruppen zu vermeiden«. Ohne Konkretes zu
aktuellen internationalen Krisenherden zu sagen, wird doch auf das gute
Ansehen der UNO bei einem großen Teil der Wähler
gesetzt. Zumal diesen Aussagen sofort eine weitere Aufgabe folgt: Den
»unkontrollierten Wanderungsbewegungen in Richtung
Europa« solle entgegengewirkt werden. Deutschland solle einen
ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten und die
»Feindstaatklausel« gestrichen werden. Zur
nationalistischen Grundposition der AfD gehört die
Unterstellung, dass sich Deutschland nach wie vor in einer
»Opferrolle« befinde und mehr oder weniger
»fremdbestimmt« sei. Diese Position wiederum ist
mit der Propaganda verknüpft, dass das deutsche Volk wieder
»Nationalstolz« entwickeln müsse,
wofür die »deutsch-konservativen Werte«
das Rückgrat bildeten. Der innere Zusammenhang von
konservativem Nationalismus und Nazibewegung bleibt ausgeblendet.
Im Programmentwurf bekennt sich die AfD zur
Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO, diese entspreche
»den außen- und sicherheitspolitischen Interessen
Deutschlands, soweit sich die NATO auf ihre Aufgabe als
Verteidigungsbündnis beschränkt.« Auf
Verteidigung wollen sich die »patriotischen und
europäischen NATO-Bürger« dann aber doch
nicht beschränken, sie gehen »out of area«
und fordern: »NATO-Einsätze außerhalb des
Bündnisbereichs... sollten grundsätzlich unter einem
UN-Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen
berücksichtigt werden.« Der europäische
Teil der Allianz soll »deutlich« gestärkt,
»die militärischen Fähigkeiten der
Streitkräfte« (seien)
»wiederherzustellen«, sie sollen mehr
»Gestaltungsmacht« erhalten. Nationale
wehrtechnische Kernfähigkeiten seien zu erhalten und zu
fördern, die Nachrichtendienste umfangreich zu reorganisieren.
Die AfD verlangt die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht.
Gemeinsame europäische Streitkräfte lehnt sie ab.
Kurz, die AfD präsentiert sich als Aufrüstungspartei,
nur eben in nationalem Rahmen.
Weiter: Die Neuverhandlung des Status alliierter
Truppen in Deutschland stehe auf der Tagesordnung. Die OSZE sei ein
»unverzichtbares Instrument der europäischen
Friedensordnung«. »Das Verhältnis zu
Russland ist für Deutschland, Europa und die NATO von
maßgeblicher Bedeutung, denn Sicherheit in und für
Europa kann ohne Russlands Einbindung nicht gelingen.«
Konflikte in Europa seien friedlich und unter Berücksichtigung
der jeweiligen Interessen zu regeln. In diesen Aussagen zur
Außenpolitik sind traditionelle bürgerlich
konservative Vorstellungen enthalten, die teils auf Bismarck
zurückgehen.
Die AfD sei »für die Freiheit
der Handelswege, der internationalen Kommunikation« (...) und
»für die gleichberechtigte faire Nutzung der
globalen Ressourcen.« So scheinbar harmlos wird der Anspruch
auf Zugang, Ausbeutung und Nutzung von Reichtümern
umschrieben, die anderen gehören. Und damit liegt die AfD
wieder ganz auf der Linie der NATO-Strategie und der Bundesregierung,
die im »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur
Zukunft der Bundeswehr« aus dem Jahr 2006 den
Streitkräften den Auftrag erteilt hatte, weltweit den
ungehinderten »Zugang zu Rohstoffen, Waren und
Ideen« sicherstellen.
Wolfgang
Gehrcke ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke im
Bundestag, Siegfried Ransch sein wissenschaftlicher Mitarbeiter
Der
Bundesverband der Deutschen Industrie findet »kein
Gefallen« an der AfD
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte am 21.
April in einem Gespräch mit dem Präsidenten des
Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, folgende Frage:
»Mit der AfD etabliert sich eine neue Partei mit einem
konservativ-nationalistischen Programm. Wie bewerten Sie
das?« Ulrich Grillo: »Das einzig Positive an den
Erfolgen der AfD ist der davon ausgehende Weckruf an die etablierten
Parteien... Sonst kann ich kein Gefallen an der AfD finden, die gegen
den Euro, gegen Freihandel und gegen Globalisierung ist.«
Das Industriekapital ist zugleich national und
multinational. Eine dumpf nationalistische Partei wie die AfD, die -
völlig unrealistisch - die heutige Welt in eine wie vor 40
oder 50 Jahren zurückverwandeln will, kann zur Zeit keine des
Großkapitals sein. In dem Maße, wie sie den
»etablierten Parteien«, die im wesentlichen die
kapitalistischen Machtverhältnisse politisch und
parlamentarisch tragen, Stimmen abnimmt, wird die AfD als
Gefährdung der bisherigen Regierungsweise angesehen. Deshalb
der »Weckruf« des BDI an die »etablierten
Parteien«, bloß nicht noch mehr Wähler an
die AfD zu verlieren.
Und wie soll das gehen? Ganz wesentlich durch
einen Wettlauf zweier Varianten des Nationalismus, eines aggressiven
Nationalismus, der zugleich starke supranationale Züge
trägt (Merkel: »Ich diene Deutschland.«
Bundeswehr: »Wir. Dienen. Deutschland.«) versus
aggressiver Nationalismus, der mehr oder weniger stark in Gegnerschaft
zu supranationalen Prozessen steht. In einigen EU-Ländern sind
Parteien der zweiten Variante bereits an der Regierung, in anderen
stehen sie an der Schwelle zur Regierungsübernahme.
In Deutschland wird der nationalistische Wettlauf
seit den großen Massenwanderungen von
Kriegsflüchtlingen und Verelendeten nach Europa, von Seiten
der »Etablierten«, vor allem von der CSU unter
Horst Seehofer vorangetrieben und auf der anderen Seite von der AfD,
die sich zugleich auf eine massive Basisbewegung vom Typ Pegida
stützen kann.
Georg Fülberth ordnete die AfD im Neuen
Deutschland vom 17. April für die westlichen Länder
der Bundesrepublik historisch ein: »Die AfD ist im Westen
Fleisch vom Fleisch der bisherigen Volksparteien CDU, CSU und SPD,
deren rechte Sektoren sie gegenwärtig einsammelt.
Häufig sind das waschechte Sozial- und Christdemokrat(inn)en,
die derzeit mit ihren Stammparteien unzufrieden sind und ihnen
zeitweilig den Rücken kehren.«
Für den Zeitraum der vergangenen 70 Jahre
ist das trefflich gesagt. Den östlichen Ländern wurde
erst vor 25 Jahren das bundesrepublikanische parlamentarische System
übergestülpt, die sozialen Verhältnisse der
DDR brachen gleichsam über Nacht weg. Dort gab es solche
sozialen und politischen Schichten, von denen Fülberth
für den westlichen Teil Deutschlands spricht, nicht. Was es
aber massenhaft gab und gibt, das sind sozial degradierte oder verarmte
Selbständige und kleine bis mittlere Unternehmern, aber auch
Arbeiter und Angestellte, die um ihre ökonomische Existenz
bangen. Hier liegt hauptsächlich die soziale Basis
für die entstandene explosive nationalistische Stimmung.
Wolfgang Gehrcke, Siegfried Ransch
Hintergrund
Geordnet oder
ungeordnet: »Raus aus dem Euro«
Dem Kapitel 2 des Programmentwurfs »Euro
und Europa« ist anzumerken, dass der Kovorsitzende der AfD,
Jörg Meuthen, Professor für Volkswirtschaftslehre und
Finanzwissenschaft ist. Die Grundpositionen der AfD zu Euro und EU
können wie folgt zusammengefasst werden: Die EU sei
zurückzuführen auf eine Wirtschafts- und
Interessengemeinschaft souveräner Staaten. Die EU sei
undemokratisch, sie müsse grundlegend reformiert werden. Die
Verträge von Maastricht (1991) und besonders von Lissabon
(2008) seien der Versuch, die EU unumkehrbar zu einem Staat zu
entwickeln. Nur die nationalen Demokratien böten die
nötige Identifikation und Schutzräume für
die Bürger. Die EWG (1957 bis 1992) habe Frieden und
Prosperität gebracht. Die AfD lehne strikt einen
europäischen Bundesstaat ab, ebenso eine gemeinsame
Außen- und Si¬cherheitspolitik der EU(GASP) sowie den
Beitritt der Türkei zur EU. (S. 11)
Die AfD fordert: »Experiment Euro
geordnet beenden«. Sollten Partnerstaaten nicht mitmachen,
solle Deutschland aus dem Euro-Verbund austreten. Die AfD fordert eine
Volksabstimmung zum Euro. (S. 12)
Der Euro habe den Staaten das Wechselkurs- und
Zinskorrektiv genommen. Seit 2010 gebe es deshalb eine
»Dauerrettung« der Währung. Sie verletze
in der Praxis der Staatsanleihenmärkte permanent das Verbot
der Staatsfinanzierung durch die EZB und das Verbot der Haftung
für Schulden anderer Mitgliedsstaaten (Artikel 123 und 125
AEUV, S. 13) Der Euro gefährde das friedliche Zusammenleben
der Völker. Die AfD fordert: Keine deutsche Haftung
für ausländische Banken. (S. 14) Die Bankenaufsicht
soll vollständig in nationale Hände
übergehen. (S. 15) Mit Blick auf AfD-Potential im
»Mittelstand« heißt es: »Es ist
untragbar, dass Griechenland-Anleihen mit einem geringeren Risiko
bewertet werden als Kredite für den deutschen
Mittelstand.« (ebd.)
Diese AfD-Position reagiert zweifellos auf
krisenhafte Zustände in den EU-Finanzen. Die AfD ist auch auf
diesem Gebiet eine Krisen-Reaktionspartei, dies im doppelten Sinn, sie
reagiert auf krisenhafte Zustände, aber mit
reaktionären Zielen.
Ihre Vorschläge öffnen nicht
Wege zur demokratischen Lösung, die sich an den Interessen der
großen Mehrheit von Lohn- und Gehaltsabhängigen
aller EU-Länder orientieren, sondern laufen darauf hinaus,
längst vergangene Zustände zurückzuholen,
aus denen ja die jetzigen Verhältnisse hervorgegangen sind.
Die kritische Haltung der Partei Die Linke zur AfD ist deshalb eine
grundsätzlich andere, als die des
großbürgerlichen Lagers.
Wolfgang Gehrcke, Siegfried Ransch
|