11.05.2016
Als die Globkes die Republik
prägten
Wird
das Bundeskanzleramt wirklich durchleuchtet?
Vorigen Samstag zogen mal
wieder Nazis durchs Regierungsviertel in Berlin. Sie zogen auch vors
Bundeskanzleramt. Nicht nur draußen waren sie
präsent. Auch darin: So hängt zum Beispiel im 4.
Stock ohne jeden weiteren Kommentar das Porträt von Hans Maria
Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt von 1953 bis 1963.
Er war vom ersten bis zum letzten Tag des NS-Regimes auch hoher Beamter
im Reichsinnenministerium mit dem Schwerpunkt der Teilnahme an der
Judenverfolgung. Dazu schreibt VVN-BdA-Bundessprecher Ulrich Sander in
einem Zeitungsbeitrag:
Jetzt wurde bekannt, dass auch das
Bundeskanzleramt auf seine NS-Vergangenheit untersucht werden soll. Um
die besondere Rolle Globkes nicht allzu auffällig werden zu
lassen, haben die mit der Untersuchung beauftragten Institute
angekündigt, sie wollten auch sämtliche weiteren
Staatssekretäre aller Ressorts der Adenauerzeit mit
durchleuchten – um so Globke als einen von vielen erscheinen
zu lassen. Das dürfe schwierig werden, denn Globke
war der oberste Personalchef der Bundesregierung und sorgte
für seine Leute.
Schon vor 1953 war er als hoher Ministerialbeamter
die rechte Hand des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Die USA
wollten die Bundesrepublik als Bollwerk gegen den Kommunismus und sahen
in Konrad Adenauer den Kanzler mit naziunverdächtigem,
konservativem Image. Dieser fand nichts dabei, den Kommentator der
Nürnberger Rassengesetze und Verfasser der
Durchführungsbestimmungen zur Ausbürgerung und
Deportation der Juden Globke zum höchsten politischen Beamten
der Bundesrepublik zu machen. Er war Schreibtischtäter wie
Adolf Eichmann, aber anders als dieser nie verurteilt. Als Eichmann
Globke als Entlastungszeugen forderte, kaufte ihn Adenauer mit geheimen
Waffenlieferungen an Israel frei.
Denn Globke war kein NSDAP-Mitglied, jedoch
parteiloser katholischer Antisemit. Viele katholische
Persönlichkeiten schwiegen zu den Judenverfolgungen, jedoch
wehrten sie sich gegen die Euthanasie, weshalb Adolf Hitler die
Vernichtung der geistig Behinderten nicht dem Innenministerium und auch
nicht der Gestapo übertrug, sondern diese Aktion unter eigener
Regie durchführte. Sogar Gestapochef und Judenmörder
Heinrich Müller bewahrte seine behinderte Tochter vor dem
langen Arm des Führers.
Als amtlich bestellter Judenhasser war Globke
schon vor der NS-Zeit im Innenministerium tätig. Im November
1932 entstanden unter Globkes Federführung Verordnungen und
Erlasse zum Namensrecht. Sie sollten es Juden unmöglich
machen, einen als jüdisch geltenden Familiennamen abzulegen:
„Jede Namensänderung beeinträchtigt die
Erkennbarkeit der Herkunft aus einer Familie, erleichtert die
Verdunkelung des Personenstandes und verschleiert die
blutsmäßige Abstammung.“ Das Gesetz half
mit, zehn Jahre später die Listen der zu deportierenden Juden
zusammenzustellen.
Bei den Recherchen zu Globke machte der
Fernsehautor Jürgen Bevers vor fünf Jahren einen
sensationellen Fund: Die verschollen geglaubten 40 Seiten
Aufzeichnungen Adolf Eichmanns in der Gefängniszelle. Sie
belasten Globke, den Mitverfasser und Kommentator von Gesetzen gegen
die Juden. Er war führend beteiligt an der Vorbereitung der
Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November
1935, dem Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes vom
18. Oktober 1935 und dem Personenstandsgesetz (3. November 1937). Das
„J“, das in Pässe von Juden
eingeprägt wurde und das Tragen des Judensterns hat Globke mit
konzipiert. Juden hatten als zweiten Vornamen Sara bzw. Israel ihrem
Namen hinzuzufügen.
In der Zeit des Bundeskanzlers Konrad Adenauer war
Hans Globke
als „graue Eminenz“
verantwortlich für die Koordination der Kabinettsarbeit, der
Einrichtung und Kontrolle von BND und Verfassungsschutz sowie
für Fragen der CDU-Parteiführung. Dass Reinhold
Gehlen, ehemals Geheimdienstchef unter Hitler, erster Chef des
Bundesnachrichtendienstes werden konnte, ist Globke ebenso mit zu
verdanken wie die Einsetzung Felix von Eckardts, Drehbuchautor
faschistischer Hetzfilme unter Goebbels, der oberster Chef des
Bundespresseamtes werden konnte. Globke verwaltete maßgeblich
die Wirtschaftsspenden der CDU, die über die
„Staatsbürgerliche Vereinigung“ flossen.
Im Jahr 1961 erschien im zu Bertelsmann
gehörenden Rütten & Loening-Verlag
Reinhard-M. Streckers Buch „Dr. Hans Globke –
Aktenauszüge, Dokumente“, das auf Recherchen
Streckers in polnischen und tschechischen Archiven beruhte. Globke
versuchte, die weitere Veröffentlichung gerichtlich zu
verhindern oder die Bücher durch den BND aufzukaufen. Auch
manche seiner Nachfolger im Bundeskanzleramt waren Anhänger
der Nazis gewesen: So Ex-Wehrwirtschaftsführer Ludger Westrick
und Karl Carstens (Ex-NSDAP). Im Bundeskanzleramt wurden die
Fäden gezogen, um die antifaschistische, der VVN nahestehende
Wochenzeitung „Die Tat“ zu vernichten, die immer
wieder Globke und andere entlarvte.
Das Präsidium der VVN hatte am 31. Juli
1959 bei der im Herbst 1958 geschaffenen Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung von NS-Verbrechen in
Ludwigsburg eine Anzeige gegen Bundesminister Theodor
Oberländer, einst Teilnehmer am Hitlerputsch in
München, eingereicht, der in der Ukraine an Judenverfolgungen
beteiligt war. „Die Tat“ kündigte auf der
ersten Seite neben einem Foto von Oberländer an:
»Dieser Mann ist heute eine ›hochgestellte
Persönlichkeit‹. Wir bringen in der
nächsten Ausgabe Enthüllungen über seine
Vergangenheit.“ Die Ankündigung löste bei
Oberländer Panik aus. Er wusste im Unterschied zu den
offiziellen Lügen um seine Teilnahme an der faschistischen
Besatzungs- und Vernichtungspolitik im Osten und konnte die Brisanz
wahrheitsgemäßer Mitteilungen absehen. Am 22.
September erörterte er die Situation mit Adenauer und Globke.
Der Minister begab sich in den Abendstunden des 22. September nach
Fulda, wo die Wochenzeitung gedruckt wurde. Er erreichte die
Beschlagnahme der Ausgabe Nr. 39. »Bereits Anfang Oktober
1959 wurden zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Innenministerium und
Oberländers Haus Möglichkeiten diskutiert, wie man
gegen die VVN vorgehen kann. Oberländers Verdruss
über die Machenschaften der VVN traf sich mit dem von
Bundesinnenminister Gerhard Schröder, der auf Grund seiner
SA-Vergangenheit das jüngste Ziel einschlägiger
VVN-Veröffentlichungen geworden war. Er favorisierte ein
VVN-Verbot. Dies Verbot kam nicht zustande, weil die
Bundesverwaltungsrichter, die es verfügen sollten, sich als
alte Nazis erwiesen.
Nicht in jedem Fall setzten sich die Globkes
durch. Doch sie schafften es viel zu oft. Ob die angekündigten
Untersuchungen im Bundeskanzleramt dies aufdecken werden?
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