01.05.2016
Erfahrungen aus 50 Jahre
Kampf gegen die NPD – Nun auch alle Kraft gegen die AfD
Was folgt diesmal auf die
Große Koalition? Fragt der VVN-BdA-Bundessprecher Ulrich
Sander. Auf jeden Fall gilt nun: Alle Kraft gegen die AfD. In
einem Beitrag für „Unsere Zeit“ schreibt
er weiter: „Ende der 60er Jahre erreichte die NPD einen
ähnlichen Aufstieg wie heute die AfD. Sie stand kurz vor dem
Einzug in den Bundestag. Die Verhinderung der NPD als Bundestagspartei
war ein historischer Sieg der Demokratie. Die Geschichte wäre
anders verlaufen, hätten die antifaschistischen
Kräfte nicht die NPD für lange Zeit in die
Bedeutungslosigkeit gedrängt.“
Denn CSU-Strauß und CDU-Kiesinger und
starke Teile der Union, die bis 1969 mit der SPD in der
Großen Koalition waren, wollten endlich wieder allein
regieren, waren dazu aber nicht in der Lage. Sie schmiedeten daher
Pläne mit der NPD.
Die Nationaldemokratische Partei (NPD), eine
neofaschistische und kriegstreiberische Organisation, von alten Nazis
gegründet und geführt, gefördert von den
reaktionären Kräften in der BRD hatte 1965 bei den
Bundestagswahlen zwei Prozent der Stimmen erhalten. Die Landtagswahlen
1966 brachten dieser neofaschistischen Partei einen
beträchtlichen Stimmenzuwachs. Sie konnte Wahlerfolge von
durchschnittlich acht Prozent, zum Teil bis zehn Prozent erzielen. 48
NPD-Ab geordnete gab es bereits in sechs von zehn Landtagen, 179
Abgeordnete in Kreis-und Gemeindeparlamenten.
Die Massenmedien, Radio-, Fernsehen und Presse
beruhigten das erschreckte Volk – und das Ausland. Sie
verbreiteten Berichte des Bundesinnenministeriums, das die rechte
Gefahr verharmloste und die „Hoffnung" aussprach,
„daß es den demokratischen Kräften in der
NPD“ gelingen möge, „die Partei in eine
zwar nationalkonservative, aber doch der freiheitlichen Grundordnung
unserer Verfassung verpflichtete Richtung zu führen.“
Die Wirtschaftsgewaltigen und
reaktionären Kräfte in der BRD betrachteten die NPD
bereits als Reserve für den Fall, daß die
große Koalition auseinanderbricht. Mangels Migranten sah die
NPD in den Gewerkschaften und den Linken ihren Hauptfeind, zudem
strebten sie vehement nach Veränderung der Nachkriegsgrenzen.
Sie war – wie heute die AfD – eine zum Krieg
bereite Partei.
Franz Josef Strauß erklärte
1967 als Minister der großen Koalition,
„daß eine Koalition mit der NPD nicht für
alle Zeiten ausgeschlossen” sei. Der Bundeskanzler Kurt Georg
Kiesinger (CDU) hatte laut Berliner Morgenpost vom 28.2.1967 selbst die
NPD ins Spiel gebracht, als er über die Bundestagswahlen 1969
äußerte, daß, „falls keine der
großen Parteien die absolute Mehrheit erringt, eine kleine
Koalition, jedoch mit der NPD möglich“ sei.
Der Bundeskongreß der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes im Juli 1969 hatte die Hauptlosung
„Die Einigung der demokratischen Kräfte versperrt
der NPD den Weg in den Bundestag“ herausgegeben. Alle
Veranstaltungen, Gedenkfeiern, Infostände und Diskussionen
waren geprägt von der Mobilisierung der
Öffentlichkeit gegen NPD und Neonazismus. Diese Mobilisierung
wurde von den Gewerkschaften und den Jugendverbänden
unterstützt. Hunderttausende von jungen Menschen haben
zusammen mit den alten Widerstandskämpfern in allen
Städten und Ländern der BRD in hervorragender Weise
die Demokratie gegen die organisierten Rechtskräfte
verteidigt. Sie haben die Losung der VVN wahrgemacht und 1969 der NPD
den Weg in den Bundestag versperrt. Aber immerhin bekam diese 4,9
Prozent der Stimmen.
Die Große Koalition konnte nach dem
Willen der Wähler nicht mehr fortgesetzt werden. Zum ersten
Mal seit 1948 war die CDU/CSU von der Regierungstätigkeit im
Bonner Bundeshaus ausgeschaltet.
Heute ist es offensichtlich, daß es ohne
diese Zurückdrängung der NPD keine Regierung unter
Willy Brandt gegeben hätte, auch keine Politik der Entspannung.
Die Abwehr der NPD war nicht leicht. Die
großen Kundgebungen, Gegendemonstrationen, Verhinderung der
Aufmärsche der Neonazis waren überall mit
Schlägereien der militanten Neonazis verbunden. Antifaschisten
erzwangen z. B in Duisburg, daß die NPD eine geplante
Kundgebung absagen mußte. Der sozialdemokratische
Polizeipräsident von Duisburg, Hans Jürgensen,
urteilte daraufhin in einer Presseerklärung vom 2.10.1969:
„Wenn die Mittel und Methoden auch nicht
immer zu billigen waren, so haben die meist jugendlichen
Gegendemonstranten doch das Verdienst, den Bürgern unseres
Landes die Gefahr des Rechtsradikalismus sehr deutlich vor Augen
geführt zu haben. Wo andere von politischer Auseinandersetzung
nur geredet haben, haben sie gehandelt. Unsere Jugend
müßte ja geradezu seelisch krank sein, wenn sie nach
all den Erfahrungen, die wir in Deutschland mit einem extremen
Nationalsozialismus gemacht haben, nicht leidenschaftlich gegen das
Aufkommen eines neuen Nationalismus eintreten würde
...“
Wenn es gelungen ist, die NPD unter fünf
Prozent zu halten, dann soll man sich bei denen bedanken, die nicht
müde wurden, den wahren Charakter der NPD aufzuzeigen: Dadurch
wurde sie daran gehindert, Masseneinfluss zu erlangen.
Die Prognosen und Wahlergebnisse der heutigen AfD
weisen eine ähnliche Stärke aus wie sie seinerzeit
die NPD hatte. Aus jener Zeit gilt es die Lehren zu ziehen und alle
Kraft der Friedens-, Gewerkschafts- und Antifabewegungen auf das Ziel
zu richten, den Einzug der AfD in den Bundestag zu
verhindern. Noch besteht die Chance wie Ende der 60er Jahre, und sie
muss genutzt werden. Es hat keinen Zweck, sich auf die Schwüre
der Unionsparteien: „Nie mit der AfD“ zu verlassen.
Die AfD-Führung wies in der Wahlnacht nach den
jüngsten Landtagswahlen vieldeutig darauf hin, dass es wieder
eine bürgerliche Mehrheit gäbe. Die AfD wird Kreide
fressen und sich als Partner der Union andienen, und diese wird nicht
abgeneigt sein, wenn es darauf ankommt, einen scharfen Rechtsschwenkt
vorzunehmen, wenn sie nur Kriegskurs und Demokratie- wie
Sozialdemontagen fortsetzen kann. Eine internationale Ablehnung einer
deutschen Ultrarechts-Mittekoalition, wie sie noch 1969 seitens des
Auslandes erfolgt wäre, bliebe übrigens diesmal aus;
man betrachte nur all die fürchterlichen Entwicklungen in
Nachbarländern rundum.
Alle Chancen, mit einer Mehrheit links von der CDU
und einem Politikwechsel eine Wende in Deutschland zu vollziehen,
dürften dann für sehr lange Zeit zunichte gemacht
sein.
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