22.04.2016
"Erinnern heißt handeln"
Befreiungsfest zum Gedenken an die Befreiung von Wuppertal
"Erinnern heißt handeln" (Esther
Bejarano) - Dies war das Motto des Befreiungsfestes in diesem Jahr. Am
16. April 1945 wurde Wuppertal durch die US-Armee befreit.
Dieses Datum ist seit einigen Jahren Anlaß zu
Gedenkveranstaltungen zusammen mit Gästen aus verschiedenen
Ländern mit Verbindungen zu Wuppertal
- als Zeitzeugen
- als ihre Angehörigen
- als offizielle Gäste
Der Widerstand gegen die deutsche Besatzung hatte in
Belgien und den Niederlanden Verhaftungen mit Inhaftierungen im
Gefängnis Bendahl in Wuppertal zur Folge. Gäste aus den
Niederlanden und aus Belgien waren in diesem Jahr Gäste beim
Befreiungsfest. Ein Höhepunkt war die Einweihung des Rita und
Izchok Gerszt-Parks, gewidmet den beiden jüdischen
Widerstandskämpfern aus Wuppertal, die in Bernburg und Auschwitz
ermordet wurden. Angehörige der Familie leben verstreut in
der ganzen Welt. Bei der Einweihung des Parks konnten Angehörige
aus Frankreich dabei sein. Mit mehreren Redebeiträgen -dabei
auch der Beitrag von Klara Tuchscherer- steuerte die
Zeltveranstaltung im Deweerth`schen Garten auf den musikalischen
Höhepunkt. Dabei waren Dirk Hespers und Erik Schellhorn,
Roswitha Dasch und Katharina Müther und zum Schluß Esther
Bejarano mit der Microphone Mafia. Veranstaltet wurde die Feier
vom Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal in
Kooperation mit der AG Kinder des Widerstands und der VVN/BdA NRW.
Rede von Klara Tuchscherer in Wuppertal den 15.4.2016
Es brennt….
1029 Anschläge auf Flüchtlings- und
Asylbewerberunterkünfte gab es allein im Jahr 2015 fast 3 pro Tag,
gem. Sendung „Hart aber fair“ von Frank Plasberg. Die
Anzahl der Kriege und Terroranschläge ist kaum noch zählbar
und überschaubar.
Es brennt… Und es brennt mir am Herzen.
Bei dem Vorschlag, dass ich heute hier zum 71. Jahrestag
der Befreiung von Wuppertal rede, dachte ich daran, dass die Zeit der
Sonntags- bzw. Freitagsreden vorbei ist.
Liebe
Anwesende. Ich darf mich kurz vorstellen: mein Name ist Klara
Tuchscherer und ich stehe hier für die „Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes“ mit dem Zusatz „Bund der
Antifaschisten“ und für die „Kinder des
Widerstandes“ mit dem Zusatz „Antifaschismus als
Aufgabe“. Auch die heutige Veranstaltung hat nicht nur den Titel
„Erinnern“ Er heißt „Erinnern heißt
Handeln“. Das Erinnern können wir, teilweise, wenn auch
nicht immer, den Historikern überlassen. Handeln müssen wir
selbst. Und da reicht es nicht mit Druck auf einem Button im Internet
eine Petition oder einen Aufruf zu unterschreiben. Es ist gut dass es
heute die technische Möglichkeit gibt. Aber es reicht nicht. Wir
können den Rechten nicht die Straße überlassen.
Es reicht, meiner Meinung nach aber auch nicht gegen die
Rechten auf die Straße zu gehen, nur weil da was los ist. Wir
müssen wissen was gestern geschah und was heute geschieht. Damit
können wir unser Handeln begründen. Wissen ist mehr als eine
Anhäufung von Schulzensuren.
Daher haben wir uns als Kinder des Widerstandes
zusammengetan um über den alten wie den neuen Faschismus
aufzuklären und uns gegen Geschichts-verfälschung
einzusetzen. Aber auch um unsere Eltern zu rehabilitieren, denn viele
wurden nach 1945 wieder diskriminiert, gerichtlich verfolgt bis hin zur
Aberkennung des Verfolgtenstatus. Der Titel „Kinder des
Widerstandes“ ist dabei weiter zu fassen. Enkelkinder, Nichten,
Neffen und auch Menschen die persönlich durch Berichte von
Widerstandskämpfern geprägt wurden, sind eingeladen bei uns
mitzumachen.
Wir gehen in Schulen, Vereine, Gewerkschaftsseminare,
kirchliche Gruppen um über das Schicksal unserer Eltern und
Großeltern zu berichten. Wichtig ist uns auch immer auf die
Solidarität während der Zeit des Faschismus hinzuweisen. Was
wäre aus den Menschen, die aus Deutschland während der Zeit
des Faschismus flüchten konnten ohne die Solidarität der
Bevölkerung in den Niederlanden, Belgien und Frankreich und
anderer Länder, geworden.
Nur weil zum Beispiel französische Bauern Alice
Czyborra nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich
versteckten, konnte sie überleben. Alice Czyborra geb. Gingold
beschreibt dies in der 1. Broschüre, die wir als „Kinder des
Widerstandes herausgaben. Dort ist auch ein Zeitungsartikel des Neuen
Deutschlands über die Wuppertalerin , Barbara Simoleit abgedruckt.
In dem artikel wird der Widerstand ihrer Großeltern Albert und
else Lange gewürdigt.
Ich habe einige Exemplare der Broschüre zum Verkauf dabei.
Unser neues Projekt, und das ist auch für Wuppertal
wichtig, ist die Herausgabe einer Broschüre mit Berichten
Angehöriger von Widerstandskämpfern aus dem Bergischen Land.
Gerne nehmen wir noch Beiträge entgegen. Ich möchte darauf
hinweisen, dass jeder und jede der Betroffenen bei uns mitmachen kann.
Wir sind nicht wie in der Einladung steht, eine Arbeitsgemeinschaft in
der VVN-BdA. Wir sind eine eigenständige Gruppe, die aber
dankenswerterweise von der VVN-BdA unterstützt wird.
Liebe Anwesende,
fast alle von uns haben keinen Krieg mehr erlebt. Mit
dieser Unwissenheit über die Schrecken des Krieges wird heute
Politik gemacht, aufgerüstet, Waffen in alle Welt verschickt und
damit immer mehr Kriege angezettelt. Da passt es nicht in die virtuelle
Welt des cleanen Krieges, dass reale Kriegsopfer zu uns flüchten.
Wir feiern heute den Tag der Befreiung in Wuppertal. Der
Tag der Niederschlagung des deutschen Faschismus wird in Frankreich,
Tschechien, der Slowakei, in den Niederlanden, Italien, Rußland,
Weißrußland, Armenien, Kasachstan, Georgien, Montenegro als
Feiertag begannen. Die VVN-BdA fordert die Einrichtung eines nationalen
Gedenktages zum 8. Mai. Wir sollten uns dem anschließen.
Der Tag der Befreiung ist auch für mich
persönlich ein lebenswichtiger Tag. Mein Vater (Karl Schabrod) kam
nach fast 12-Jahren KZ und Zuchthaus in Werl frei. Im Mai erreichte er
zu Fuß seine Heimatstadt Perleberg, in der meine Mutter evakuiert
war und 9 Monate später kam ich zur Welt. In der Hoffnung auf eine
bessere Welt haben meine Eltern mich groß gezogen.
Doch erschüttert stehe ich heute hier und muss rufen: Es brennt….
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, heißt es im Schwur von Buchenwald.
Es gibt wieder Kriege, es gibt schreckliche faschistische Taten, die kaum geahndet und schlimmer noch: vertuscht werden.
Empören wir uns, wehren wir uns, handeln wir!
Fotogalerie:
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