17.04.2016
Warnung vor neuem
Verfassungsbruch
Sehr
viel Gemeinsamkeit von Bundestagsparteien in der Frage der
Bundeswehreinsätze im Innern
Die CDU hält seit
Jahren Schubladenpläne zum Einsatz der Soldaten im Inneren
bereit, geschaffen von Militärs. Vorige Woche wurde die
Schublade mal wieder geöffnet. Die SPD-Minister sagten: Wir
verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch, und die CDU echote: Und wir
auch in Hindelang. Vorabdruck aus unsere zeit von Ulrich Sander.
Bereiten sich Sicherheitsbehörden
auf Unruhen und Aufstände in
Deutschland und Europa vor? Rolf Gössner, Anwalt, Publizist
und
Vizepräsident der Internationalen Liga für
Menschenrechte, befürchtet
eine problematische und folgenschwere Entwicklung. Auf einer Tagung der
International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) vor
kurzem in Wiesbaden, sprach Rolf Gössner über eine
"schleichende
Militarisierung der Inneren Sicherheit." Im Interview mit Telepolis
geht Gössner auf eine 6 Quadratkilometer große
Übungsstadt der
Bundeswehr ein, die derzeit in Sachsen-Anhalt entsteht und zur
Übung
des militärischen Straßen- und Häuserkampfs
im "urbanen Ballungsraum"
dienen soll.
Nachdem die Stadt mit Namen
"Schnöggersburg"
fertiggestellt ist, "werden Bundeswehr-, EU- sowie
NATO-Kampfverbände
gemeinsam den 'asymmetrischen' Krieg und Häuserkampf in
Großstädten
proben - für bewaffnete Konflikte der Zukunft, für
Auslandseinsätze,
aber auch für künftige Bürgerkriegs- und
Militäreinsätze in
europäischen Städten und im Innern des Landes",
erklärt Gössner im
Telepolis-Interview.
Er befürchtet, dass angesichts
einer stärker
werdenden sozialen Spaltung in Europa derzeit sowohl auf
geheimdienstlicher als auch auf militärischer Ebene vorgeplant
wird, um
gegebenenfalls gegen drohende Aufstände in den
Bevölkerungen gewappnet
zu sein. Gössner kritisiert eine Politik, die die
möglicherweise
bevorstehenden Konflikte als reine "Sicherheitsprobleme" betrachtet,
aber die sozialen und ökonomischen Faktoren und Ursachen
für
Missstände, die zu Unruhen und Aufständen, auch zu
Kriminalität, Gewalt
und Terror führen könnten, nicht entschärft
und bekämpft. R.G.
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Für Einsätze wie am Hindukusch
wurde im März 2014 vom Bundestag eine Kommission unter Leitung
des ehemaligen Verteidigungsministers Volker Rühe (CDU)
geschaffen, die der Überprüfung der Parlamentsrechte
– sprich: ihrer Abschaffung – dient. Vorerst bei
Auslandseinsätzen. Aber wenn Eile geboten ist, wird sicherlich
ein Weg gefunden, um auch ohne Änderung des Grundgesetzes, nur
in Anwendung des Artikels 35 mit all seinen Gummiformulierungen und
BVG-Interpretationen die Bundeswehr im Innern einzusetzen.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2012 den
bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren für
verfassungsgemäß erklärt, wenn es
„katastrofische“ Entwicklungen gäbe und
wenn – etwa beim Abschuss von angeblich mit Terroristen
besetzen Flugzeugen - vorher die Regierung gefragt wird. Das
Gericht überschritt seine Kompetenzen, denn die
Verfassungsänderung – und dies ist eine –
ist dem Bundestag mit zwei Drittel Mehrheit vorbehalten. Nun verlangt
die CDU dennoch eine Verfassungsänderung bzw. noch
militärfreundlichere Auslegungen. Denn offenbar ging das
Gericht den Unionspolitikern und den hinter ihn stehenden
Generälen - den Autoren der geplanten neuen
Verteidigungspolitischen Richtlinien - nicht weit genug. Doch
schon seit Jahren okkupiert die Bundeswehr illegal Aufgaben, die mit
der Verfassung nicht im Einklang stehen.
Es begann vor elf Jahren. Am 17. Februar 2005
wurde das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der
Streitkräfte beschlossen. Kern des Gesetzes: Das Alter, bis zu
dem Reservisten einberufen werden können, steigt von 45 auf 60
Jahre. Geregelt wird darin auch der Einsatz von Reservisten im Krieg
und im Inneren des Landes. Petra Pau von der Linkspartei PDS
führte aus: »Reservistinnen und Reservisten sollen
in den Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer
weltweit agierenden Interventionsarmee aktiv einbezogen
werden.« Es handelt sich laut Bundeswehr um mindestens
550.000 einsatzbereite Reservisten, und ihre Zahl wächst Jahr
um Jahr. Pau: Mit dem Gesetz will man den „Einsatz der
Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland
vorbereiten.“ Die Regierung weise „Reservistinnen
und Reservisten entsprechende Aufgaben zu.«
Sämtliche organisatorischen und
infrastrukturellen Voraussetzungen für den
militärischen Einsatz im Inneren sind schon geschaffen worden,
ohne dass die SPD oder die Grünen widersprachen. Daran muss
derjenige erinnert werden, der sich auf die vollmundigen Absagen der
SPD an den neuen Unionsvorstoß verlässt. Ein
sozialdemokratisch geführtes Bundesland, und zwar
Mecklenburg-Vorpommern, hat – und dies mit Hilfe der
Linkspartei (damals PDS) – beim G8-Gipfel in Heiligendamm
2007 die unbewaffnete Unschuld verloren und Truppen gegen Demonstranten
herangeholt sowie gemeinsame Kommandostäbe von Bundeswehr und
Polizei wirken lassen.
Es existieren nunmehr bundesweit
militärgeführte Kommandostäbe der
„Zivil-militärischen Zusammenarbeit“, die
von allen Kommunen und Landkreisen klaglos hingenommen wurden.
Dafür wurden Räume in den Rathäusern und
Landratsämtern geschaffen. Ein Oberst führt das
Kommando über die Polizei, Verwaltung, die Feuerwehr, den
Technischen Hilfsdienst. Dazu kommt ein
„Heimatschutz“, bestehend aus einer
Reservistenarmee, die kurzfristig von den genannten
Kommandostäben und vom Reservistenverband zusammengerufen
wird. Sie steht beispielsweise beim Abbau des Streikrechtes durch
Einsatz von Soldaten im öffentlichen Dienst bereit. Und die
Reservisten üben schon mal die Bekämpfung von
Demonstranten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die
Linkspartei vom 28. August 2009 hervor, die von Ulla Jelpke (MdB) so
kommentiert wurde: "Die Bundesregierung hält sich damit alle
Optionen für den Militäreinsatz im Inneren offen. Die
ZMZ-Kommandos wirken gleichsam als militärische
Vorauskommandos, die schleichend in die zivilen Verwaltungsstrukturen
einsickern. Das Konzept der ZMZ läuft damit letzten Endes auf
einen offenen Verfassungsbruch hinaus."
Bundeskanzlerin Merkel hat schon lange
festgestellt: Die Grenze zwischen Innerer und
Äußerer Sicherheit ist nicht mehr da. Wo eine
EU-weite Innenpolitik die nationale Innenpolitik ergänzt,
bisweilen ersetzt, da kommt es zu Bundeswehreinsätzen, um
Grenzschutzaufgaben zu lösen. Allerdings an den
EU-Außengrenzen. Kein Widerspruch des Koalitionspartners!
Schäuble und andere haben die Migrationsentwicklung schon vor
längerer Zeit als Aggression gegen unser Land dargestellt. Und
nun soll diese Entwicklung militärisch bekämpft
werden können.
Und die SPD ist bereits jetzt immer dabei. Auch
die „rot-grünen“ Länder haben
Vereinbarungen mit der Bundeswehr geschlossen, welche die
militaristische Durchdringung des Bildungswesens ermöglichen.
Bereits Jugendliche ab 15 Jahren werden mit Einladungen zu Werbeshows
überhäuft, auf die militärische Berufswahl
eingestellt und von Jugendoffizieren indoktriniert.
Die SPD-regierten Länder Rheinland-Pfalz
und Nordrhein-Westfalen lassen unwidersprochen Kampfdrohnenkriege von
ihrem Gebiet zu, beziehungsweise dulden sie ihre Vorbereitung in
Ramstein und Kalkar. Ende Januar 2010 fand in Nordrhein-Westfalen unter
Beteiligung der Bundeswehr die Katastrophenschutzübung
LÜKEX statt, die man besser als
Bürgerkriegsmanöver bezeichnen sollte. Tausende
Polizei- und Bundeswehrangehörige übten gemeinsam den
Kampf „gegen den inneren Feind“. Nie
aufgeklärt wurde der Absturz eines
„Terroristenflugzeugs“ auf
nordrhein-westfälischem Territorium nach einem
Zusammenstoß mit Bundeswehrflugzeugen am 23. Juni 2014
über dem Sauerland; alle drei Flugzeuge wurden von Kalkar aus
dirigiert. Solche Abschüsse aus eigener militärischer
Anmaßung heraus sind verfassungswidrige Handlungen, wie
Karlsruhe im März 2012 feststellte (BVG 2 PBvU1/11). Und
verfassungswidrig sind die neuen Pläne der CDU/CSU ebenfalls,
welche derzeit – die Terrordebatte und die
Flüchtlingskrise nutzend – von „der
Mitte“ vorangetrieben werden.
Antifaschisten verurteilten die Pläne der
Union zum Bundeswehreinsatz im Innern und forderten die Gewerkschaften
auf, bei ihrer Opposition zum Verfassungsbruch durch die Bundeswehr zu
bleiben und sich aktiv einzumischen. Die VVN-BdA erklärte: Der
Terrorismus muss mit rechtsstaatlichen, auch polizeilichen Mitteln
bekämpft werden. Die militärischen "Kriege gegen den
Terror" haben weltweit die Gefahren nicht gebannt, sondern
erhöht. Das wurde auch in den letzten Monaten in Europa wieder
deutlich.
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