19.03.2016
Für eine linke Diskussion zur Flüchtlings- und Integrationspolitik
Vorschläge von linken Gewerkschaftern und Antifaschisten
Gewerkschaftszeitungen wie jene von der IG
Metall und Verdi sparen das Thema aus: Wie gehen Gewerkschafter
mit den Flüchtlingen um? Sind sie Teil der Willkommenskultur? Die
AfD-Stimmenzahl weist aus, dass die Arbeiterklasse erheblich an der
Abwehrfront gegen die Flüchtlinge beteiligt ist. Es wäre
sicher nicht sinnvoll zu verlangen, dass die Gewerkschaften ohne
Konzept des Zusammengehens von Flüchtlingen und hiesigen
kleinen Leuten an Werk gehen. Aber von diesem Konzept ist kaum etwas zu
erkennen. Da finden sich Äußerungen von linken, auch
kommunistischen Gewerkschaftern und Antifaschisten, die einen
Forderungskatalog zu Integration vorlegen. Eine davon entnahmen wir dem
DKP-Blatt „Heiße Eisen“ aus Dortmund,
Märzausgabe 2016:
Bitte um einen Forderungskatalog
Kolumne von Lucas Zeise
Sie haben den Rechtsruck hingekriegt. Pegida marschiert.
Die Flüchtlinge werden diffamiert. Die Alternative für
Deutschland wird als nette Ergänzung für die bisher
regierenden Parteien aufgebaut. Die Regierung erfindet jede Woche neue
Tricks, um die Einwanderung nach Deutschland neu zu regeln und ein
wenig zu begrenzen. Zugleich spielen die Regierungsparteien ein
ödes Theaterstück vor, das ihre Akteure und die von ihnen
befehligten Staatsorgane wie etwa die Kölner Polizei als
gutwillig, aber hilflos vorführt. Dadurch sehen rechte und brutale
Lösungen vernünftig aus. Dann wirkt sogar der leer grinsende
Horst Seehofer geistvoll, wenn er die Begrenzung der einreisenden
Flüchtlinge „ultimativ“ fordert.
Darin besteht unter anderem der Rechtsruck. Dass
nämlich vor allem diskutiert wird, wie man der vom nüchternen
Wolfgang Schäuble genannten „Lawine“ an
Flüchtlingen Herr wird. Hier wird rassistisch, aber zugleich eben
nur unter dem Aspekt des wertfreien effizienten administrativen
Handelns diskutiert.
Was wäre die linke Diskussion? Sie muss
zunächst anerkennen, dass es ein Problem gibt: Das besteht darin,
dass Immigranten in großer Zahl die Konkurrenz unter den
Lohnarbeitern härter macht, besonders den ohnehin schlecht
bezahlten. Es besteht weiter darin, dass billiger Wohnraum sehr schnell
noch knapper wird als ohnehin, und die Mieten steigen werden. Die Angst
um den Arbeitsplatz ist berechtigt. Da hilft der Ruf nach
Solidarität und die Aufforderung wenig, sich nicht spalten und
gegeneinander ausspielen zu lassen. Wenig hilft auch der richtige
Hinweis, den Konzernen komme die Konkurrenz der Arbeitenden gelegen,
sie wollten das – ganz im Stil von damals, als die DDR heimgeholt
wurde – zu einer satten, breit angelegten Lohnsenkung nutzen.
Die allgemeine Antwort der DKP, „Wir müssen
gemeinsam kämpfen“, reiche nicht, schrieb Patrik Köbele
Anfang Februar. Da hat er recht. Aber den gemeinsamen Kampf
intensivieren, wie Patrik vorschlägt (er nennt Aktionen für
die Nutzung leer stehender Wohnungen, die Benennung und Markierung von
Firmen, Inhabern und deren Gewinnen und die Benennung der Ursachen der
Misere), das reicht bestimmt auch nicht.
Es ist ja nicht so, dass Lohnsenkung und Mietanstieg
zwangsläufig sind. Dieses Land kann ohne weiteres eine Million
mehr Menschen gut mit Wohnung und Arbeitsplätzen versorgen. Die
Regierung muss es bloß wollen und entsprechend entscheiden. Ein
Programm zum Bau von einer Million Wohnungen kann in ein, zwei Jahren
realisiert werden. Sie könnten in den Ballungszentren die
Mieten ermäßigen. Zugleich entstünden im Baugewerbe
mehr Arbeitsplätze. Weitere Arbeitsplätze
müssten/könnten im Erziehungs- und Sozialbereich geschaffen
werden.
Das sind alles Forderungen an diese Regierung. Für
so etwas kann man durchaus auch kämpfen und Bündnispartner
gewinnen. Die Forderungen sind eine reale Alternative zur Forderung
nach Begrenzung der Zahl der Flüchtlinge. Wir Kommunistinnen und
Kommunisten täten gut daran, einen klug ausgearbeiteten Vorschlag
zu erarbeiten und ihn schleunigst unter die Leute zu bringen.
Dies sind unsere Grundsätze und Vorschläge für einen solchen Forderungskatalog:
- Umverteilen des Reichtums ‘von oben nach unten‘ – dabei nicht kleckern sondern klotzen
- Die Verfügung über den Reichtum umverteilen – weg von ‘Berlin‘, hin zu den Kommunen
- Die politischen Prioritäten ‘kippen‘ – Kriege beenden, für Frieden und Solidarität leben
- Die Sektoren bewirtschaften, in denen die Marktwirtschaft versagt – also praktisch alle
- Die Produktionsziele demokratisieren – Gebrauchswerte entwickeln gegen die Profitlogik
- Den Schutz der Arbeitenden organisieren – ‘Gute Arbeit‘ für alle erkämpfen und sichern
- Die Perspektive der Jugend organisieren – qualifizierte Bildung und Ausbildung für alle
- Die Arbeit umverteilen – runter mit den Lebens-, Jahres- und Wochenarbeitszeiten
- Grund und Boden vergesellschaften – Privatinteresse, Spekulation und Mafia aushebeln
- Wohnen für alle sichern – gesellschaftlich planen und bauen, kommunal bewirtschaften
- Gesundheit für alle sichern – Umwelt erhalten, Klima schützen und Leben sichern
- Die Asymmetrie des Geschlechterverhältnisses beenden – Frauen und Männer gleichstellen
Der Katalog der zwölf Punkte ist vorläufig,
unvollständig, noch nicht ausgearbeitet oder gar
‘fertig‘ – das lässt Raum für Ideen und
Vorschläge, für Kooperationen, Bündnisse und
Kämpfe.
|