19.03.2016
Geschichtsvergessenheit im NPD-Verbotsverfahren
Ein erstes wichtiges Ergebnis der zu Ende
gegangenen Hauptverhandlung zum Verbotsantrag gegen die NPD vor dem
Bundesverfassungsgericht ist die Feststellung, dass
Verfahrenshindernisse nicht vorlägen. Der Verlauf der
Verhandlung machte allerdings deutlich, dass bei der
Entscheidungsfindung der Ideologie der NPD zwar Bedeutung beigemessen
wird, dem aktuellen Stand der Parteiarbeit aber mindestens genauso. Das
Haus muss also erst richtig brennen, bevor mit den Löscharbeiten
begonnen werden darf. Diese Frage wirdt der
Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA in einem Kommentar zum
Verbotsverfahren ebenso auf, wie die, ob hier wirklich die
historischen Erkenntnisse der 20er und 30er Jahre berücksichtigt
werden. Der Wortlaut:
Ein erstes wichtiges Ergebnis der zu Ende gegangenen
Hauptverhandlung zum Verbotsantrag gegen die NPD vor dem
Bundesverfassungsgericht ist die Feststellung, dass
Verfahrenshindernisse nicht vorlägen. Mit anderen Worten, die
Innenministerien konnten die ihnen unterstellten VS-Behörden
diesmal erfolgreich daran hindern, ein Verbotsverfahren erneut durch
die Anwerbung von V-Leuten zu sabotieren. Dies ist das Ergebnis eines
enormen öffentlichen Drucks und vielleicht auch ein Stück
Einsicht bei zumindest einigen Innenministern.
Die großmäuligen Ankündigungen der
NPD-Vertreter, das Verfahren bereits zu Anfang platzen zu lassen, haben
sich damit auch gleich erledigt.
Der Verlauf der Verhandlung machte allerdings deutlich,
dass bei der Entscheidungsfindung der Ideologie der NPD zwar Bedeutung
beigemessen wird, dem aktuellen Stand der Parteiarbeit aber mindestens
genauso. Das Haus muss also erst richtig brennen, bevor mit den
Löscharbeiten begonnen werden darf.
Auf diesen Zug ist ein Großteil der
Medienberichterstattung aufgesprungen und versucht, das NPD-Verbot
niederzuschreiben. Es wird kaum thematisiert, dass selbst eine nur
kleine neofaschistische Partei erhebliche gesellschaftliche
Auswirkungen hat. So ist sie u.a. Vorreiter für Themen und Thesen
– Stichwort „Diffamierung und Abwehr von
Flüchtlinge“ – die dann von anderen aufgegriffen und
umgesetzt werden.
Ignoriert wird, dass plötzliche Auf- und
Abschwünge für diese Art Parteien kennzeichnend sind. Vor
allem aber wird völlig auf eine historisch-politische Einordnung
verzichtet. Es ist, als hätte man noch nie etwas von Hitler
gehört oder davon, dass die NSDAP über weite Strecken der
1920er Jahre auch nicht viel mehr als eine Splitterpartei gewesen ist.
Faschistische Ideologie und Praxis haben ein katastrophisch
zerstörerisches und mörderisches Potential. 71 Jahre nach dem
Ende des historischen Beweises scheint das weithin vergessen zu sein.
Das alles findet während eines dramatischen
Aufschwunges der AfD als einer Art „NPD light“ statt. Die
Akzeptanzzunahme für Rassismus, Nationalismus und
Sozialdarwinismus lässt auch das Original NPD profitieren und an
Bewegungsspielraum gewinnen. Im Gegensatz zur – nicht zum
erstenmal – kampagnenartig verbreiteten Mär von der
angeblichen Bedeutungslosigkeit der NPD, lässt sich feststellen,
dass diese Organisation gerade dabei ist, wieder Tritt zu fassen.
Insbesondere ihre Funktion als verbindendes Element zwischen
rassistischer Initiative, gewalttätiger Aktion und biederer
Parteiarbeit ist zumindest regional bereits eine ernste Gefahr für
Geflüchtete und für andere von der NPD als
„Gegner“ definierte Personenkreise.
Aufgefallen ist zwar nun doch selbst dem
sächsischen Ministerpräsidenten, dass sein Bundesland ein
„Problem mit Rechtsextremismus“ habe. Aber weder er, noch
die Medien wissen noch, dass der erste Ausdruck des
„Sachsen-Syndroms“ die Etablierung einer
NPD-Landtagsfraktion gewesen ist. Bis heute verschärft die NPD,
z.B. mittels den Parteiverlages in Riesa, die Situation durch ihre
Aktivitäten.
Ein Verbot der NPD würde nicht nur die
Zerstörung einer Organisationsstruktur bedeuten, sondern auch die
Kriminalisierung ihrer Ideologie verstärken. Das wäre ein
schwerer Schlag insbesondere auch für die AfD. Diese müsste
sich dann damit auseinandersetzen, dass ihr wesentlicher Inhalt -
explizit oder verbrämt ausgedrückt –, in einem anderen
Fall höchstrichterlich der gesellschaftlichen Ächtung
ausgesetzt wurde.
Thomas Willms
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