03.03.2016
VVN-BdA-Vorsitzende Cornelia
Kerth zur Querfrontdiskussion: Antifaschismus und Friedensbewegung
gehören zusammen
„Die VVN-BdA war,
ist und bleibt ein wichtiger Teil der Friedensbewegung in diesem Land.
Gerade deshalb nehmen wir uns das Recht, uns an Diskussionen
über ihre Entwicklung zu beteiligen, besonders, wenn wir
Probleme sehen.“ Das schreibt Cornelia Kerth zu einem Artikel
in der „antifa“ Nr. 1/16 und fährt fort:
Das war zuletzt in Zusammenhang mit den
„Mahnwachen für den Frieden“ der Fall, wo
sich unter den Rednerinnen und Rednern der wöchentlichen
Veranstaltungen häufig auch eindeutige Vertreterinnen und
Vertreter der extremen Rechte zu allen möglichen Themen
äußerten, für die ihnen sonst keine
öffentliche Plattform zur Verfügung steht.
KritikerInnen einer Zusammenarbeit wurde schnell von einigen Aktiven
vorgeworfen, die Spaltung der Friedensbewegung zu betreiben, bzw. neue
Einheit zu hintertreiben. Immerhin führte die Kritik dazu,
dass Teile der „Mahnwachen“ sich genötigt
sahen, Grenzen nach rechts zu definieren. Mit dem Aufkommen von PEGIDA
verschoben sich die Gewichte erneut: Auf Grundlage gemeinsamer
Vorbehalte gegen das politische System und einer auf den Begriff
„Lügenpresse“ gebrachten Medienkritik kam
es zu neuen Allianzen, z. B. beim Veranstaltungsformat EnDgAme.
Die „Montagsmahnwachen“ sind
inzwischen aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Was
von ihnen blieb, sind ihre Spuren in der politischen Positionierung von
Teilen der Friedensbewegung, die wir höchst bedenklich finden.
1. Vertritt man – gemeinsam mit der
extremen Rechten – die Meinung, die Bundesrepublik
Deutschland sei kein souverän agierender Staat und unser
zentrales Problem sei die Unterwürfigkeit deutscher Politiker
unter die Interessen der USA, verstellt das den Blick auf den wieder
erstarkten deutschen Militarismus, der den neuen deutsche
Weltmachtanspruch begleitet. Ein Beispiel dafür ist die Sicht,
der Konflikt in der Ukraine sei nur der amerikanischen Frontstellung
gegen einen "eurasischen Block" geschuldet.
Ist man hingegen - wie wir - der Auffassung, dass
die BRD als europäische Führungsmacht agiert und
somit eigene Macht- und Herrschaftsinteressen vertritt, dann muss man
dem entgegentreten. Das gilt für alle, besonders aber
für AntifaschistInnen, die mehr als alle anderen im Blick
haben müssen, was das nach innen und nach außen
bedeutet. Dann steht im Mittelpunkt der eigenen Aktivität vor
allem die deutsche Politik, die z. B. in der Ukraine eigene Interessen
verfolgt. Dann muss z. B. die Kritik am Drohnen-Krieg sich nicht nur
gegen das US-amerikanische Kommandozentrum in Ramstein, sondern auch
gegen das NATO-Hauptquartier für
„Luftkriegsoperationen“ in Kalkar und die
Anschaffung eigener Kampfdrohnen für die Bundeswehr richten.
2. Als Vereinigung, gegründet von
AntifaschistInnen, die den Faschismus an der Macht kennenlernen
mussten, gilt der rasanten Rechtsentwicklung in Deutschland und Europa
unsere größte Sorge. Leider müssen wir
feststellen, dass ein Teil der rechtspopulistischen und
neofaschistischen Organisationen ausgerechnet aus Russland
unterstützt wird. Es ist bekannt, dass die Front National in
Frankreich ihre Wahlkämpfe mit russischen Krediten finanziert.
Es ist ebenso bekannt, dass Netzwerke dieser Parteien aus Russland
gefördert werden; in diesem Zusammenhang durfte auch Udo Voigt
(NPD) nach St. Petersburg reisen und dort agieren. Die jüngste
rassistische Mobilisierung im deutsch-russischen Milieu durch russische
Medien und den Außenminister, ferner die rassistische
Positionierung des russischen Ministerpräsidenten gegen die
Aufnahme von Flüchtlingen in Europa sind ein neuer
Höhepunkt dieser Entwicklung. Wir finden es deshalb
problematisch Russland als Bündnispartner zu begreifen.
3. Anders als Bündnisse mit Faschisten
war die Anti-Hitler-Koalition keine Querfront nach rechts sondern das
größtmögliche Bündnis zur
Bekämpfung der Faschisten unter den Bedingungen des Krieges.
Seinen Sieg am 8. Mai 1945 feiern wir auch in diesem Jahr als Tag der
Befreiung.
4. Auf deutschen Straßen tobt der
rassistische Mob, nächtens legt die terroristische Fraktion
Brände an Unterkünfte für
Geflüchtete oder greift sie selbst und ihre
Unterstützer/innen an. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit wird die AfD schon bald flächendeckend die
Rolle des parlamentarischen Arms der extremen Rechten
übernehmen. Auch auf PEGIDA- und AfD-Kundgebungen werden die
USA (und ihre deutschen "Handlanger" in Politik und Medien) als
Hauptfeind ausgemacht und auf Russland als Bündnispartner
gesetzt. Die Millionen Flüchtlinge, die nach Europa kommen,
werden vor allem als Folge amerikanischer Politik angeprangert.
Wir sehen, dass die Fluchtursachen auch ganz
wesentlich deutscher Politik geschuldet sind und nehmen diese in die
Verantwortung. Dazu gehört, dem rechten Treiben gegen
Geflüchtete endlich ein Ende zu machen. Das bedeutet
für uns heute mehr denn je, jedem nationalistischen
Geschwätz - sei es auf der Straße oder im Parlament
- entschieden entgegenzutreten. Wer das nicht tut, weil er glaubt auf
Grundlage des verbindenden Anti-Amerikanismus neue
Bündnispartner gewinnen zu können und dafür
auf eine klare Abgrenzung nach rechts verzichtet, sägt an dem
Ast, auf dem alle potentiellen Opfer der neuen Faschisten sitzen.
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