09.02.2016
Zum Charakter einer antifaschistischen Organisation: Bündnis, nicht Parteiersatz
Dr. Ulrich
Schneider, Generalsekretär der Föderation des Internationalen
Widerstandes (FIR) und einer der Bundessprecher der
Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat einen
Grundsatzartikel zum heutigen Antifaschismus in der „Jungen
Welt“ veröffentlicht. Mehr denn ja braucht unser Land eine
starke antifaschistische Bewegung. Hetze gegen Flüchtlinge und
Gewalt der Rechten nehmen zu. Die Zahl der Teilnehmer an rechten
Bewegungen wächst. Ulrich Schneider führt aus:
Bündnis, nicht Parteiersatz
Zum Charakter einer antifaschistischen Organisation
Von Ulrich Schneider
Ulrich Schneider ist
Bundessprecher der VVN-BdA. Er ist Autor des Buchs
»Antifaschismus – Geschichte einer politischen
Bewegung«, PapyRossa Verlag, Köln 2014
Die Bundesrepublik braucht eine starke antifaschistische
Bewegung. Seit Jahresbeginn hat die Hetze gegen Flüchtlinge und
Migranten weiter zugenommen, die Zahl der Anschläge auf
Asylbewerberheime wächst. Bereits im vergangenen Jahr begann auf
diesen Seiten eine Debatte darum, wie ein moderner Antifaschismus
aufgestellt sein muss. Den Anfang machte am 13. Mai Jürgen Lloyd
von der Deutschen Kommunistischen Partei. Am 28. Mai schrieb Peter
Schaber vom Lower Class Magazine, Antifaschisten müssten sich den
Antiimperialismus wieder aneignen. Marcus Staiger, bekannt aus der
deutschen Hiphop-Szene, äußerte sich auf diesen Seiten am
11. Juli über den Zusammenhang von Patriotismus und Neofaschismus.
Zum 6. Januar 2016 stellte sich dann die »Offensive gegen
Rechts«, ein erfolgreiches österreichisches Bündnis,
vor. In der vergangenen Woche legte die Sozialistische Deutsche
Arbeiterjugend (SDAJ) ihr Konzept von Antifaschismus vor. (jW)
Dass Antifaschismus keine
»Ein-Punkt-Bewegung« sein kann, ist weitgehend unstrittig.
Die traditionellen Verbände formulierten das mit den Worten
»Antifaschismus ist Humanismus in Aktion« oder
»Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung«. Vor fast
zwanzig Jahren entstand die Losung »Zukunftsentwurf
Antifaschismus«. Damit ist klar, dass eine antifaschistische
Organisation sich nicht auf die Bekämpfung von neofaschistischen
und extrem rechten Aktivitäten und Strukturen beschränken
darf.
Schon im Konzept des antifaschistisch-demokratischen
Neuanfangs nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus wurden
politische Eckpunkte formuliert, die zu den Fundamenten einer neu zu
errichtenden Gesellschaft gehören müssen. Dass dabei auch die
ökonomischen Grundlagen einer Gesellschaft hinterfragt werden
müssen, hat Max Horkheimer 1939 prägnant formuliert:
»Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom
Faschismus schweigen.« Denkt man diese Aussage weiter, dann
stellt sich die Frage, ob die Überwindung kapitalistischer
Verhältnisse zu den Grundsätzen antifaschistischer Arbeit
gehören muss.
In der Studentenbewegung der 60er Jahre erhielt sie eine
verkürzte Antwort in der Parole »Kapitalismus führt zum
Faschismus – Kapitalismus muss weg!« In eine ähnliche
Richtung zielen verschiedene autonome Gruppen, wie z. B. die
Antifaschistische Linke Berlin (ALB), in deren selbstkritischer
Auflösungserklärung es hieß: »Der Rassismus der
Mitte, der europaweite Erfolg rechter und rechtspopulistischer Parteien
und Bewegungen und auch der Sozialchauvinismus in weiten Teilen der
Bevölkerung bedürfen neuer Ansätze und Antworten durch
die antifaschistische Bewegung. (…) Es bietet sich für die
radikale Linke die Möglichkeit, an entscheidenden Fragen der Zeit
zu intervenieren und größere Zusammenhänge –
beispielsweise zu imperialer Politik, zum Militarismus des Westens, zu
Neokolonialismus, zu Sozialchauvinismus und kapitalistischer Ausbeutung
– zu erklären. (…) Gerade im Bereich der sozialen
Kämpfe, dem zweiten für uns zentralen Arbeitsfeld, gibt es
zurzeit gesellschaftliche Bruchstellen. Hier muss die radikale Linke
versuchen zu intervenieren, eigene Positionen zu beziehen und
Perspektiven aufzuzeigen.« (siehe jW vom 10. September 2014)
All dies sind in der Tat Aktionsfelder einer radikal
linken Organisation, einer Partei oder Kampforganisation. Und
natürlich engagieren sich antifaschistische Organisationen nicht
allein gegen Faschismus, Rassismus und Krieg, sondern gegen alle Formen
von Repression und Demokratieabbau, gegen Sexismus, soziale
Ungleichheit und Ausgrenzungen, weil solche Entwicklungen nicht mit
einer humanen, sozialen und demokratischen Gesellschaft vereinbar sind.
Es kann meines Erachtens jedoch nicht die Aufgabe einer
antifaschistischen Organisation sein, sich auf all diesen
gesellschaftlichen Konfliktfeldern zu betätigen,
gewissermaßen als Ersatz für eine – vielleicht nicht
vorhandene, oder in der gewünschten Ausprägung nicht
erkennbare – politische Partei. Antifaschistische Organisationen
haben sich in die zentralen gesellschaftlichen Konflikte einzumischen.
Sie sollten insbesondere auch solidarisch bei sozialpolitischen
Auseinandersetzungen, wie z. B. betrieblichen und
gewerkschaftlichen Kämpfen sein. Es wäre aber vermessen und
dem Charakter der antifaschistischen Organisation abträglich,
diese Auseinandersetzung nach der Art einer Partei zu führen.
Das wussten schon die Gründer der
»Antifaschistischen Aktion« in der Weimarer Republik, als
diese der KPD nahestehende Massenorganisation bewusst nicht nach dem
Vorbild einer Partei aufgebaut wurde, auch wenn sie sich in ihrer
politischen Rhetorik nur unwesentlich von Verlautbarungen der KPD
unterschied. Die Gründungsgeneration der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes legte nach 1945 großen Wert auf die
Überparteilichkeit der Organisation, indem sie in die Leitungen
Vertreter aller antifaschistischen Parteien und gesellschaftlichen
Organisationen aufnahmen.
Historische Erfahrungen
Ein Blick in die reiche Geschichte der
antifaschistischen Bewegung hilft bei der politischen Orientierung
für heute. Dabei ist es jedoch wichtig, die ganze Breite der
Erfahrungen zu betrachten und nicht nur Ausschnitte, wie z. B.
Aussagen der KPD von 1932. Zwar findet man dort schon erste
Ansätze zur Überwindung der verhängnisvollen
»Sozialfaschismus«-These (die im Wesentlichen besagte, dass
die Ziele der Faschisten und »Sozialfaschisten« dieselben
seien, der Unterschied in den Losungen und teilweise auch in den
Methoden bestehe) und Konzepte für eine breitere
Bündnispolitik. Aber wichtiger scheint mir in diesem Zusammenhang
der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 mit
seinen vielfältigen Debatten über den Faschismus an der Macht
und die daraus folgenden Konsequenzen für die Zusammenarbeit
verschiedener gesellschaftlichen Schichten zu sein. Georgi Dimitroff
formulierte damals als Konsequenz des Faschismus an der Macht, der alle
gesellschaftlichen Kräfte, die sich nicht seinem Diktat
unterordnen, bedroht, die Priorität des Kampfes um eine
»antifaschistische Volksfront«: »Bei der
Mobilisierung der werktätigen Massen zum Kampf gegen den
Faschismus ist die Schaffung einer breiten antifaschistischen
Volksfront auf der Grundlage der proletarischen Einheitsfront eine
besonders wichtige Aufgabe. Der Erfolg des gesamten Kampfes des
Proletariats ist eng verbunden mit der Herstellung des
Kampfbündnisses des Proletariats mit der werktätigen
Bauernschaft und der Hauptmasse des städtischen
Kleinbürgertums, das die Mehrheit der Bevölkerung sogar in
den industriell entwickelten Ländern bildet.« Dimitroff
betonte, auch gegenüber bürgerlichen Organisationen
müsse die »Taktik unter allen Umständen darauf
gerichtet sein, die ihnen angehörenden Kleinbauern, Handwerker,
Gewerbetreibende usw. in die antifaschistische Volksfront
hineinzuziehen«.
Zum antifaschistischen Erfahrungsschatz gehören
auch die Arbeit des Pariser Volksfrontkomitees (selbst wenn dieses
Modell durch die ideologischen Konflikte der 30er Jahre
überfrachtet wurde) und der internationalistische, bewaffnete
Kampf zur Verteidigung der Spanischen Republik. Hier kämpften aus
vielen Teilen der Welt vor allem Arbeiter verschiedener ideologischer
Orientierung, linksbürgerliche Intellektuelle und aufrechte
Demokraten gegen den Vormarsch des Faschismus und für die
Verteidigung von Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie.
Und diese Perspektive erweiterte sich noch im
Zusammenhang mit dem faschistischen Expansionskrieg, der sich letztlich
gegen die Sowjetunion – den »jüdischen
Bolschewismus« – richtete, der aber in den ersten Etappen
fast alle europäischen Staaten erfasste. Hier wurden
Bündnispartner im antifaschistischen Kampf selbst jene
Kräfte, die sich aus patriotischen Überzeugungen gegen die
faschistische Okkupation und Unterdrückung wehrten. Darunter waren
viele, die einer linken politischen Überzeugung sehr fern standen.
Auch sie waren Teil der antifaschistischen Bewegung, wenn sie bereit
waren, im gemeinsamen Kampf, in dem es keine Vorrechte gab, mitzuwirken.
Ein kurzer Blick auf die Antihitlerkoalition, die mehr
als nur ein militärisches Bündnis von Staaten
unterschiedlicher politischer Orientierung mit dem gemeinsamen Ziel der
Niederwerfung der faschistischen Bedrohung war, macht die potentielle
Breite antifaschistischer Bündnisse deutlich.
Organisation und Bewegung
Der entscheidende Punkt antifaschistischer
Organisationen ist dabei das gemeinsame Handeln für die als
vordringlich angesehenen politischen Zielsetzungen: die Verhinderung
des Aufkommens bzw. des Vormarsches faschistischer Kräfte und die
Verteidigung der Freiheiten sowie der sozialen und demokratischen
Errungenschaften des Volkes.
In diesem Sinne ist eine antifaschistische Organisation
nicht »Gralshüterin« bestimmter Essentials, sondern
sie stellt ihre Existenzberechtigung im praktischen Handeln für
die Ziele des Antifaschismus unter Beweis. Das erwarten viele junge
Antifaschisten, die auf der Suche nach einem organisatorischen
Zusammenhalt sind, von einer solchen Struktur. Es geht ihnen zumeist
nicht so sehr um »Prinzipientreue« oder Klarheit der
Analyse. Wichtiger ist das gemeinsame solidarische Handeln, das
gleichwohl nicht ohne theoretische Reflexion auskommen kann. Aber diese
Zeiten erlauben es vermutlich nicht mehr, sich in die Zirkelarbeit
zurückzuziehen.
Antifaschistische Organisationen müssen
Handlungsangebote bereithalten. Das meint mitnichten einen
sinnentleerten Aktionismus und auch kein Hinterherhecheln hinter den
verschiedenen Naziprovokationen. Neofaschistischen Aufmärschen und
anderen Provokationen ist natürlich entgegenzutreten, aber darin
kann sich die Praxis von Antifaschisten nicht erschöpfen.
Für diesen Kampf benötigt man Mitstreiter.
Dabei gibt es aus historischer Perspektive Verbände, die sich als
»originäre« Bündnispartner der antifaschistischen
Bewegung anbieten. Dazu gehören insbesondere die Organisationen
der Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften als größte
Massenorganisationen und die Arbeiterparteien, in deren eigenen
Interesse schon immer die Bekämpfung einer jeglichen
Rechtsentwicklung stand. Wenn wir gesellschaftlichen Einfluss gewinnen
wollen, müssen wir diese Organisationen in unsere
Bündnisarbeit integrieren.
Natürlich können wir nicht übersehen,
dass es innerhalb dieser Strukturen auch Widerstände gegen breite
Bündnisse gibt. Aber immer wieder sorgen engagierte Gewerkschafter
dafür, dass ihre Organisationen klare Beschlüsse gegen
Neofaschismus und Rechtsentwicklung fassen, auf die sich Antifaschisten
beziehen können. Man konnte in den vergangenen Jahren
vielfältig erleben, wie sich engagierte Gewerkschafter als stabile
Säule in den Bündnissen erwiesen haben.
Innerhalb solcher Zusammenschlüsse sollte es darum
gehen, eine möglichst große Übereinstimmung in der
politischen Orientierung und den Handlungsoptionen zu erzielen. Aber es
ist nicht nur unrealistisch, sondern auch politisch schädlich, in
einem Bündnis ein zu hohes Maß an ideologischer
Übereinstimmung durch Erklärungen oder politische Analysen
der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation zur Voraussetzung
gemeinsamen Handelns zu machen.
Es entspricht seinem Charakter, dass nicht alle Partner
über das gleiche Verständnis von politischer Zielrichtung
oder von Radikalität des Handelns verfügen. Die Kunst der
Bündnisarbeit ist es, eine möglichst breite Zusammenarbeit zu
entwickeln, die allen Teilnehmenden ausreichenden Raum für
eigenständiges Handeln im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung gibt.
Das bedeutet zum Beispiel, dass Blockadeaktionen gegen
Naziaufmärsche oder andere direkte Aktionen durchaus legitime
Mittel sind, selbst wenn nicht alle Kräfte im Bündnis sich
dieser Aktion anschließen können.
Solche Bündnisse – insbesondere wenn sie in
praktisch-politische Aktionen geführt werden – helfen
zumeist auch bei der Bewusstmachung von politischen Fragen
antifaschistischer Strategie, denn »jeder Schritt wirklicher
Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme«. (Karl Marx an
Wilhelm Bracke, 5. Mai 1875)
Bündnis in sich
Keine antifaschistische Organisation kann einen
»Monopolanspruch« erheben. Natürlich wird jede Gruppe
ihr spezifisches Profil hervorheben. Die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ist dabei diejenige
Organisation, die aufgrund ihrer Geschichte und Verbandstradition mit
den Überlebenden der faschistischen Konzentrationslager und den
Frauen und Männern aus dem Widerstand verbunden ist. Die VVN wurde
von diesen Antifaschisten vor annähernd 70 Jahren gegründet
und deren frühere Mitglieder haben die Ideale dieser Organisation
gegen alle Formen von Restauration und Verdrängung der
faschistischen Verbrechen verteidigt. Die VVN als
Überlebenden-Organisation hat sich Anfang der 70er Jahre für
nachgeborene Generationen geöffnet. Gegen Ende dieses Jahrzehnts
entstanden parallel dazu autonome Organisationen, die insbesondere
junge Menschen, die sich dem Gedanken des Antifaschismus verbunden
fühlten, Platz boten. Antifaschismus entwickelte sich seit dieser
Zeit zu einem eigenständigen Handlungsfeld innerhalb der
gesellschaftlichen Auseinandersetzung in der BRD.
Die Tatsache, dass die VVN-BdA die vergangenen sieben
Jahrzehnte – trotz aller politischen, materiellen und
organisatorischen Rückschläge – einigermaßen
erfolgreich und handlungsfähig überstanden hat, hat
sicherlich etwas mit ihrem Bündniskonzept zu tun. Die VVN-BdA hat
sich – trotz klarer Programmatik und theoretischer Fundierung des
eigenen Anspruchs – immer offen gezeigt für verschiedene
Zugänge zu antifaschistischer Arbeit.
In den 50er und 60er Jahren galt die VVN – in den
Augen des Verfassungsschutzes – als kommunistische
Ersatzorganisation, weil sie aus ihren Reihen kommunistische
Widerstandskämpfer selbstverständlich nicht ausschloss.
Umgekehrt war die VVN in der Lage, in ihrem Verbandsleben
nichtkommunistische Antifaschisten in gleichberechtigter und
verantwortungsvoller Position zu integrieren.
Die Aussagen des VII. Weltkongresses der KI wurden in
der VVN positiv rezipiert, aber sie wurden nicht zur
»Eintrittskarte« in die VVN-BdA gemacht. Damit entwickelte
sich die Organisation selbst zu einem Bündnis von Menschen mit
unterschiedlichen politischen Zugängen zum Thema Antifaschismus,
die allerdings der gemeinsamen Überzeugung sind, dass das
Vermächtnis der Häftlinge von Buchenwald noch immer der
Umsetzung harrt.
Viele Mitglieder sind der Überzeugung, dass dies
nur durch Überwindung der ökonomischen Strukturen
kapitalistischer Ordnung möglich sein würde. Auch die
Auffassung, dass Expansionismus und imperiale Hegemonie die Ursache
für Kriege darstellen, wird in der VVN-BdA mehrheitlich vertreten.
Aber niemand war und ist verpflichtet, für ein sozialistisches
Modell (welcher Art auch immer) einzutreten, wenn er innerhalb der
VVN-BdA politisch aktiv werden will.
Eine der großen Leistungen der politischen
Integration war die Zusammenführung mit den antifaschistischen
Verbänden in den neuen Bundesländern. Hier waren und sind
viele engagiert, denen mit dem Ende der DDR der politische Bezugsrahmen
und die Anerkennung ihrer antifaschistischen Lebensleistung beim Aufbau
einer solidarischen Gesellschaft abhanden gekommen war, die sich nicht
damit abfinden wollten und konnten, dass der antifaschistische
Gründungskonsens der DDR nun kapitalistischen Realitäten
geopfert worden war.
Sie brachten völlig andere Kampferfahrungen und
eine andere Sozialisation in diese Organisation hinein, wodurch oftmals
erst nach ausführlichen Diskussionen eine gemeinsame Position
gefunden werden konnte. Insbesondere in diesem Rahmen verwahrten sich
viele dagegen, dass eine antifaschistische Organisation ideologische
»Verbindlichkeiten« formulierte, da man die problematischen
Folgen nicht diskutierter »Generallinien« durchaus noch in
Erinnerung hatte.
In dieser Organisation ist Platz für
unterschiedliche politische Orientierungen, deren einigendes Band der
»Schwur von Buchenwald« ist: Vernichtung des Nazismus mit
seinen Wurzeln und Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der
Freiheit! Diese gemeinsame Überzeugung aller
antifaschistisch-demokratischen Kräfte unmittelbar nach der
Befreiung von Faschismus und Krieg ist Orientierung bis heute
geblieben. Jeder, der versucht, diese Breite der Organisation durch
Festlegungen einzuschränken, widerspricht im Kern der historischen
Tradition der VVN und der Basis erfolgreicher antifaschistischer Arbeit.
Gibt es Essentials?
Mit Antifaschismus verbindet sich kein
Gesellschaftsmodell. Wenn man dennoch von einem »Zukunftsmodell
Antifaschismus« spricht, dann orientiert sich dieses am
antifaschistischen Konsens der Nazigegner unterschiedlicher Couleur in
der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dazu gehören beispielsweise die
gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Hessischen Landesverfassung
von 1946 mit der Sozialisierung der Infrastruktur, der
Schlüsselindustrien, der Banken und Versicherungen oder das
Ahlener Programm der CDU, in dem es hieß, dass der Kapitalismus
den Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden sei.
Dabei war die Ablehnung kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen mit der
Erkenntnis verbunden, dass unkontrollierte wirtschaftliche Macht
unkontrollierte politische Macht bedeutet und dies in
verhängnisvoller Weise zu Faschismus und Krieg, zu Zerstörung
und Elend nicht nur im Deutschen Reich, sondern auch in allen von ihm
angegriffenen Ländern geführt hat. Damit ist klar, dass
antikapitalistische Überzeugungen originärer Bestandteil
antifaschistischer Orientierung sind, ohne diese zur Voraussetzung zu
erheben.
Daher treten Antifaschisten heute ein
- für die Erhaltung und die Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten,
- für die Ausweitung der politischen und gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten,
- für friedliche Lösungen insbesondere zwischenstaatlicher Konflikte,
- für den Auf- und Ausbau einer solidarischen
Gesellschaft, die keine rassistischen oder sozialen Ausgrenzungen
zulässt und soziale Sicherungssysteme entwickelt, die allen ein
menschenwürdiges Leben ermöglicht. Dazu gehören das
Recht auf Arbeit und Wohnung, die Verwirklichung umfassender sozialer
Gerechtigkeit sowie des Rechts auf Asyl und die Hilfe für
Flüchtlinge,
- für die Anerkennung der historischen Leistungen
der Frauen und Männer aus dem antifaschistischen Widerstand,
für ein angemessenes Gedenken der Opfer des Faschismus und damit
für die Entwicklung eines antifaschistischen Geschichtsbildes.
Zentral ist dabei nicht die inhaltliche Anerkennung
dieser gesellschaftlichen Perspektiven, sondern das aktive Handeln
für diese Ziele. Antifaschisten haben zudem heute die
Verantwortung, die Erfahrungen aus der Geschichte des
antifaschistischen Kampfes zu bewahren und weiterzugeben.
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