17.01.2016
Stellt die Ehrentafel für Wilhelm Knöchel wieder her
Appell an den Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde:
Auf der Mailinglist NS-Zwangsarbeit hat
Ulrich Sander namens der VVN-BdA NRW eine Information über den
Widerstand des Wilhelm Knöchel (1899-1944) veröffentlicht.
Darin wird der Vorstand des Förderkreises Erinnerungsstätte
der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde aufgefordert eine
positive Entscheidung für eine Gedenktafel in Friedrichsfelde
für Wilhelm Knöchel herbeizuführen. Ein Sprecher des
Kreises hat daraufhin auf den Denkmalsschutz in Friedrichsfelde
hingewiesen, der einer Wiederherstellung der Gedenktafel für
Knöchel entgegenstünde.
Wilhelm Knöchel (1899-1944, Dreher und
Bergarbeiter, ZK-Mitglied der KPD ab 1935) war im Krieg Inlandsleiter
der KPD und wurde im Juli 1944 von den Nazis ermordet. Er hat lange
Zeit im Ruhrgebiet gewirkt. Nach dem Krieg hat man eine Zeit lang den
lügnerischen Äußerungen der Gestapo geglaubt, die
gerüchteweise verbreitet hat, das Knöchel seine Genossen
verraten habe. Die SED hat ihn jedoch rehabilitiert, diese
Rehabilitierung aber offenbar 1970 wieder rückgängig gemacht,
denn da verschwand die Ehrentael für Wilhelm Knöchel aus der
Gedenkstätte Friedrichsfelde.
In den 80er Jahren wurde Knöchel erneut durch einen
Artikel im „Neuen Deutschland“ geehrt, ferner durch seine
Würdigung in BRD-Publikationen und Ausstellungen. Den
Würdigungen Knöchels machte Erich Honecker
höchstpersönlich im Sommer 1989 ein Ende. Vor 25 Jahren
erschien im „Neuen Deutschland“ zu dem Vorgang eine
größere Information. Seitdem herrscht Schweigen um den
verdienten Widerstandskämpfer.
Das "Neue Deutschland" vom 8. November 1959 berichtete:
"Wilhelm Knöchel entlarvte die 'Neuordnung Europas' als grausamste
Ausbeutung und Versklavung der unterjochten Völker und rief zur
kämpferischen Solidarität mit den nach Deutschland
verschleppten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern auf. (...) Jeder
Wagen Kohle, den ihr weniger ausfahrt, dient dem Frieden', hieß
es in einem Aufruf an die Bergarbeiter. 'Jeder Wagen, der ruht, spart
deutsche Blut' (an die Eisenbahner)."
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der
Antifaschisten, LV NRW, möchte das Verschweigen Knöchel
überwinden. Zum Denkmalschutz wird festgestellt: „ Es gab
doch die Möglichkeit, die Opfer des Stalinismus zu würdigen;
ungeachtet des Denkmalschutzes wurde das Denkmal in Friedrichsfelde am
Grab von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und an zahlreichen Tafeln
verändert, wohin jedes Jahr tausende Menschen am zweiten Sonntag
im Jahr ziehen, um die führenden Persönlichkeiten der
Arbeiterbewegung zu ehren.“ Der Förderkreis stellte dazu
fest, dass der Gedenkstein gegen den Stalinismus sich außerhalb
der Gedenkstätte befinde.
Der Artikel im „Neuen Deutschland“ (Organ des ZK der SED) vom 8. November 1959 hat den Wortlaut:
Zum 60. Geburtstag des Genossen Wilhelm Knöchel
F = Frieden, Freiheit und Fortschritt
Ein Kapitel aus dem Kampf der KPD gegen Imperialismus, Militarismus und Faschismus
Es war 1942. Da tauchte inmitten der faschistischen
Losungen, die vom Durchhalten und vom „Endsieg“ faselten,
an Häusern und Wänden im Rhein-Ruhrgebiet, in Berlin und
anderen deutschen Städten, über Nacht mit Kreide oder Farbe
angebracht, der Buchstabe „F“ auf. Er war ein Zeugnis der
Tätigkeit antifaschistischer Widerstandskämpfer, das Symbol
der Losung „Frieden, Freiheit und Fortschritt“, unter der
sie alle Schichten des deutschen Volkes zum Kampf gegen den Wahnsinn
des Hitler-Krieges, zum entschlossenen Handeln für die Rettung der
deutschen Nation aufriefen.
Ein Leben für die Arbeiterbewegung
Zu diesen Antifaschisten gehörte Genosse Wilhelm
Knöchel, einer der vielen heldenhaften Kommunisten, die als treue
Söhne der deutschen Arbeiterklasse ihr Leben im Widerstandskampf
für die Befreiung des deutschen Volkes von den Militaristen und
Faschisten einsetzten. Sein ganzes Leben war dem Kampf für die
Sache der Arbeiterbewegung geweiht.
Am 8. November 1899, vor 60 Jahren, wurde Genosse
Wilhelm Knöchel in Offenbach am Main geboren. Bereits als
Sechzehnjähriger schloß er sich dem sozialdemokratischen
Bildungsverein an.
Wilhelm Knöchel
Als Soldat erlebte er die Schrecken des ersten
Weltkrieges und arbeitete 1918 im Ruhrgebiet auf verschiedenen Zechen
als Bergarbeiter. Im Jahre 1920 wurde er Mitglied der Kommunistischen
Partei Deutschlands und kämpfte in ihren Reihen für die
Rechte des werktätigen Volkes. Unversöhnlich trat Wilhelm
Knöchel den reformistischen Gewerkschaftsführern entgegen,
die mit ihrer Theorie von der Klassenversöhnung das gemeinsame,
entschlossene Handeln der revolutionären Gewerkschaften zu hemmen
versuchten. Die Feinde der Arbeiterklasse verfolgten ihn mit Hass und
versuchten schon damals, das Leben des Bergarbeiterfunktionärs
auszulöschen: aber klassenbewußte Arbeiter schützten
ihn vor der Festnahme durch die faschistischen Mordbanden. Die Partei
entsandte den bewährten Arbeiterfunktionär zum Studium an die
Lenin-Schule nach Moskau. 1935 kehrte er im Auftrage des ZK der KPD zur
Unterstützung des antifaschistischen Kampfes nach Deutschland
zurück und war vor allem in Hamburg tätig. Auf der IV.
Reichskonferenz der KPD. im Oktober 1935 (Brüsseler Konferenz),
wurde Genosse Knöchel in das Zentralkomitee der Partei
gewählt.
Vertrauensmann der Saar- und Ruhrkumpel
Im Jahre 1936 arbeitete er unter dem Namen „Alfred
Schröder“ im „Ausschuss deutscher Bergarbeiter“,
dem Kommunisten. Sozialdemokraten, parteilose und christliche
Gewerkschaftsfunktionäre angehörten und dessen Aufgabe es
war, vor allem die Bergarbeiter des Saargebietes und an der Ruhr zum
einheitlichen Handeln gegen Faschismus und Kriegsgefahr zu
organisieren. Wilhelm Knöchel erwarb sich große Verdienste,
indem er auch die Bergarbeitergewerkschaften anderer Länder zum
gemeinsamen solidarischen Kampf gegen die drohende Gefahr eines
faschistischen Raubkrieges aufrief.
Vom Vertrauen seiner Kollegen getragen, wurde er 1938
als Vertreter der deutschen Bergarbeiter Sekretär der Exekutive
der Bergarbeiterinternationale. Als leitender Funktionär der
Abschnittsleitung West der KPD unterstützte er von Holland aus den
antifaschistischen Kampf im Rhein-Ruhrgebiet. Im Januar 1939 nahm
Wilhelm Knöchel an der bedeutungsvollen Berner Konferenz der KPD
teil, die den Kampf zum Sturz der Hitler-Diktatur und gegen die
verbrecherischen Kriegspläne des deutschen Imperialismus als
„höchste nationale Aufgabe“ des deutschen Volkes
bezeichnete.
Als der von Hitler provozierte Krieg begonnen hatte,
schuf Genosse Knöchel unter schwierigsten Bedingungen
Voraussetzungen für den Einsatz der Instrukteure des ZK der KPD in
Deutschland. 1941 folgte er ihnen nach Deutschland, wo es ihm gelang,
Verbindungen zu illegal kämpfenden Kommunisten in Berlin, Hamburg,
Bremen, Leipzig. Chemnitz, Karlsruhe und Frankfurt (Main) aufzunehmen.
Friedenskampf im Reich der Krupp und Thyssen
Das Schwergewicht der antifaschistischen Arbeit dieser
Genossen lag in der Metropole der deutschen Rüstungsindustrie an
Rhein und Ruhr, wo sie gestützt auf zahlreiche Verbindungen in den
wichtigsten Städten und Betrieben, die Parteiorganisation festigen
und neue Mitglieder gewinnen konnten. Unter der verantwortlichen
Redaktion des Genossen Knöchel erschienen regelmäßig
die illegalen Zeitungen der „Friedenskämpfer“, das
„Ruhr-Echo“, die „Freiheit“ und „Der
patriotische SA-Mann“. Dazu kam die Herausgabe zahlreicher
Flugblätter und Klebezettel.
Wilhelm Knöchel und seine Genossen knüpften
mit ihrer Arbeit an die wachsende Friedenssehnsucht aller Schichten der
Bevölkerung an und zeigten den Ausweg aus der drohenden
Katastrophe. In einem Aufruf der illegalen Parteikonferenz im
Rhein-Ruhrgebiet vom Mai 1942 wurden alle Kommunisten verpflichtet,
„Volkskomitees für den Frieden“ zu bilden. In einem
Artikel des „Ruhr-Echo“ vom Mai 1942 schrieb Genosse
Knöchel, daß die „Naziclique und die hinter ihr
stehenden Finanzkapitalisten die Alleinschuldigen und Nutznießer
des Krieges sind“, die durch „eine wahrhafte
Volksrevolution gestürzt, enteignet und für immer
unschädlich gemacht werden“ müssen, damit „unser
Volk nicht noch ein drittes Mal in den Krieg gestürzt werden
kann“, sondern sich die „Voraussetzungen schafft, ein
neues, freies, demokratisches Deutschland“ aufzubauen.
Wilhelm Knöchel entlarvte die .Neuordnung
Europas‘ als grausamste Ausbeutung und Versklavung der
unterjochten Völker und rief zur kämpferischen
Solidarität mit den nach Deutschland verschleppten
Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern auf. Die illegalen Materialien
sind unvergängliche Zeugnisse des proletarischen
Internationalismus, der Treue und des Vertrauens zur Sowjetunion.
„Hitlers Todesoffensive wird das gleiche Schicksal
bereitet“ wie „1918 der kaiserlichen Armee... die sich zu
Tode gesiegt hat“, schrieb Genosse Knöchel. Das deutsche
Volk wurde ermahnt, im nationalen Interesse den Kampf „zum Sturz
Hitlers aus eigener Kraft zu führen“. „Jeder Wagen
Kohle, den ihr weniger ausfahrt, dient dem Frieden“, hieß
es in einem Aufruf an die Bergarbeiter. „Jeder Wagen, der ruht,
spart deutsches Blut“, wandten sich die Genossen an die
Eisenbahner.
„...für ein friedliches Deutschland leben und kämpfen“
Bereits im März 1942 setzte sich Wilhelm
Knöchel im „Friedenskämpfer“ mit jenen Illusionen
auseinander, daß von den Hitler-Generalen das Ende des Krieges
und eine grundlegende Änderung der Dinge erwartet werden
könnte. „Hitler stürzen und damit einen ehrenvollen
Frieden erringen" kann nur das werktätige Volk, hieß es in
diesem Artikel. Das unter seiner Mitarbeit aufgestellte Aktionsprogramm
forderte demokratische Freiheiten, die Enteignung der Kriegsverbrecher
und die Schaffung eines friedliebenden demokratischen deutschen
Staates. „Für ein solches Deutschland zu leben und zu
kämpfen, ja, wenn es sein muß, zu sterben, ist die Pflicht
eines jeden anständigen Menschen, für den Deutschland, mein
Vaterland, mehr ist als eine heuchlerische Phrase.“
Im Frühjahr 1943 gelang es der Gestapo, leitende
Funktionäre festzunehmen, unter denen sich auch Genosse
Knöchel befand. Seine Gesundheit war durch die jahrelange
aufopfernde Tätigkeit bereits aufs schwerste" erschüttert.
Dennoch vermochten die Hitler-Faschisten es nicht, den unbeugsamen
Kämpfer zu brechen. Am 20. Juni 1944 wurde Wilhelm Knöchel;
vom faschistischen „Volksgerichtshof“ unter Vorsitz des
berüchtigten Blutrichters Freisler zum Tode verurteilt. Gemeinsam
mit seinen Genossen Erich und Charlotte Garske, Alfred Kowalke, Wilhelm
Beuttel, Jakob Weiter, Willi Seng, Alfons Kaps, Albert Kamradt und
Luise Rieke gab er sein Leben für eine glückliche Zukunft des
deutschen Volkes.
„Frieden, Freiheit und Fortschritt“ —
das war die Losung, unter der diese mutigen Antifaschisten ihren Kampf
führten. In ihrem Geiste und mit dem gleichen Ziel tritt heute die
widerrechtlich unterdrückte KPD als Führerin der
Arbeiterklasse und aller friedliebenden Kräfte in Westdeutschland
den Bonner Imperialisten und Militaristen entgegen. Die KPD wird die
Ziele, für die Wilhelm Knöchel und seine Genossen
kämpften, und die heute in der DDR, dem ersten
Arbeiter-und-Bauern-Staat der deutschen Geschichte, Wirklichkeit
werden, auch in Westdeutschland zum Siege führen.
Heinz Schumann /Cläre Quast
Vor 25 Jahre hieß es im Neuen Deutschland vom 23. Juli 1994:
Der Fall Wilhelm Knöchel - Zum 50. Todestag eines zu Unrecht geschmähten Kommunisten und Widerstandskämpfers
Zeitweise der innere Staatsfeind Nr. 1
Von Prof. Dr. HEINZ KÜHNRICH
Am 18. Juli 1944, zwei Tage vor dem Attentat auf Hitler,
unterschrieb der Nazi-Justizminister eine Liste mit 15 Personen, deren
Hinrichtung er auf den 24. Juli ansetzte. Einer von jenen war Wilhelm
Knöchel, der daraufhin im Zuchthaus Brandenburg
(Havel)-Görden ermordet wurde. Das Urteil war vom 1. Senat des
sogenannten Volksgerichtshofes unter Vorsitz des berüchtigten
Roland Freisler gefällt worden. In der Urteilsbegründung
hieß es Knöchel müsse zum Tode verurteilt werden, weil
er „als die Spitze der ganzen Reichs- und volksfeindlichen
kommunistischen Verratsarbeit bei uns für alles verantwortlich
ist, was an kommunistischem Verrat überhaupt im Jahre 1942 von
innen heraus gegen unser kämpfendes Volk geschah; für alles
und für alle, die er eingesetzt oder mit denen er gearbeitet
hat“. Knöchel war quasi zum inneren Staatsfeind Nr. 1
erklärt worden.
Schelte für einen ND-Beitrag
Wilhelm Knöchel (8.11.1899 bis 24.7.1944). Die Aufnahme stammt vermutlich aus dem Jahr 1942. Foto: ND-Archiv
Wer war dieser Mann, der tatsächlich zeitweilig
während des zweiten Weltkrieges der illegal in Deutschland
tätigen KPD Vorstand und dennoch kaum bekannt ist, der in
Veröffentlichungen der Alt-BRD als Gestapo-Helfer eingeordnet und
dessen versuchte Ehrung anläßlich seines 45. Todestages in
der DDR 1989 (ND v 24.7.1989) auf den Unwillen Honeckers stieß,
was zur Folge hatte, daß die Zeitung „Medienschelte“
(siehe ND vom 26.3.1994) erhielt. Ein in der „Wochenpost“
vorgesehener zweiseitiger Beitrag über Knöchel wurde
daraufhin abgesetzt. Dem Autor wurde lediglich mitgeteilt, Honecker
habe geäußert, „Verräter bleibt
Verräter“ Damit waren die Ergebnisse von damals mehr als
fünfzehnjährigen Recherchen vom Tisch gewischt, denen
zu-folge Knöchel zu Unrecht des Verrats beschuldigt worden war.
Fast schien es, als ob, die in einigen Medien der
Bundesrepublik auf die knappe „ND“-Publikation erfolgte
Reaktion („SED rehabilitiert ehemaligen
KPD-Funktionär“ schrieb der „Tagesspiegel“ am
25. Juli 1989) eine Gefahr signalisierte. Aber für wen? Liegt eine
Antwort darin, daß Knöchel zeitweilig zum Spielball
deutsch-deutscher Auseinandersetzungen geworden war, Gestapo-Akten
über ihn zur Munition gegen die DDR-Führung umfunktioniert
worden waren? Oder darin, daß Knöchels Schicksal mit dem von
Herbert Wehner verknüpft war? Wilhelm Knöchel, am 8. November
1899 geboren, gehörte zu der Generation, deren Leben durch den
ersten Weltkrieg, die Unruhen der Novemberrevolution, die politischen
Auseinandersetzungen, das soziale Elend in der Weimarer Republik, Jahre
der Arbeitslosigkeit und schließlich den Vormarsch des
Hitlerfaschismus geprägt waren. In und mit der KPD hoffte er, am
besten für soziale Gerechtigkeit und Frieden eintreten zu
können. Er sammelte rasch praktische Erfahrungen in der
Organisationsarbeit (er wurde Politischer Leiter des Unterbezirks
Offenbach und Mitglied der Bezirksleitung Ruhrgebiet der KPD) und in
journalistischer Tätigkeit als Redakteur. Ende 1932 entsandte ihn
die KPD in die Sowjetunion zum Studium an der Internationalen
Lenin-Schule in Moskau. Als „Oberberater“, verantwortlich
für mehrere frühere Parteibezirke, arbeitete er 1935
längere Zeit im Bezirk Hamburg-Wasserkante, nahm an der
„Brüsseler“ und der „Berner“ Konferenz der
KPD 1935 bzw 1939 teil, wurde zum Kandidaten und dann zum Mitglied des
ZK gewählt. Sein wahrer Name war nur wenigen bekannt. Die meisten,
die mit ihm zu tun hatten, kannten ihn nur als „Erasmus“,
als „Alfred Schröder“ oder als „Alfred“.
1936 wurde Knöchel nach Amsterdam entsandt, half
dort die Abschnittsleitung Nord-west (später West) der KPD
aufzubauen. Sie war für das Rhein-Ruhrgebiet und für Teile
Norddeutschlands verantwortlich. Knöchel kannte keine
Berührungsängste mit Sozialdemokraten und bürgerlichen
Antifaschisten. So finden wir ihn gemeinsam mit dem Sozialdemokraten
Franz Vogt 1936 an der Spitze des Ausschusses freigewerkschaftlicher
Bergarbeiter Deutschlands, und in dieser Funktion wurde er 1938 auch
als Mitglied der Exekutive der Bergarbeiter-Internationale
gewählt, einmalig für ein KPD-Mitglied. Mit Vogt zeichnete er
verantwortlich für die regelmäßige Herausgabe der
„Bergarbeiter-Mitteilungen“ und der
„Bergarbeiter-Zeitung“.
Diese Zusammenarbeit hätte beispielgebend wirken
können, aber die Massenrepressalien unter Stalin, die damit
eingehergehende Re-Dogmatisierung des Einheits- und
Volksfrontgedankens, schließlich die durch den Abschluß des
deutsch-sowjetischen Nichtangriffs- und Freundschaftspaktes
eingetretenen Veränderungen lähmten zunehmend auch
Knöchels Wirken. Danach, so sagte Knöchel am 19. März
1943, war „eine gemeinsame Arbeit zwischen Sozialdemokraten und
Kommunisten nicht mehr möglich“.
Erst im Dezember 1939 erfuhr er von den in Moskau
gefaßten Neuorientierungen. Sie besagten unter anderem, daß
Knöchel, dem die Führung der KPD-Emigration in den
west-europäischen Ländern übertragen worden war, die
Abschnittsleitung West auflösen und mit den meisten Mitarbeitern
und Mitgliedern nach Deutschland einreisen sollte. Heinrich Wiatrek,
Karl Mewis, Herbert Wehner und Richard Stahlmann, die sich in Schweden
bzw Dänemark aufhielten, bekamen den Auftrag, nach Deutschland zu
gehen und eine Landesleitung als neues operatives Führungsorgan zu
bilden, dem dann, wenn Knöchel von den Niederlanden aus
dazugestoßen wäre, vier ZK-Mitglieder angehört
hätten.
Die Entwicklung verlief jedoch nicht nach diesem
Fahrplan. Wehner wurde in Schweden verhaftet, von dort ins Land
entsandte Instrukteure wurden fast durchweg festgenommen. Einzig
Charlotte Bischoff, von Wehner gesandt, konnte sich am Widerstand im
Lande beteiligen. Mit ihr traf sich auch Knöchel mehrmals in
Berlin, obwohl ihm aus Moskau angewiesen war, wegen des angeblichen
„Verrats“ von Wehner aus Sicherheitsgründen keinerlei
Kontakt zu Personen aufzunehmen, die aus Schweden kamen.
Ein weitverzweigtes illegales Netz
Gestützt auf vor dem Kriege existierende
Anlaufstellen, nicht unwesentlich auf die Mitwirkung
niederländischer Antifaschisten, schleuste Knöchel seit 1940
einen Teil der ehemaligen Mitarbeiter der Abschnittsleitung ein (Willi
Seng, Alfons Kaps, Alfred Kowalke, Albert Kämradt, Wilhelm
Beuttel, Jakob Weiter). Als einzigem Mitglied des ZK gelang es
Knöchel, während des Krieges auf getarntem Wege (mit falschem
Paß als Silberputzer der Mitropa im Januar 1942) nach Deutschland
einzureisen.
Am 25. März 1942 meldete die Gestapoleitstelle
Düsseldorf, man habe die Februar-Ausgabe einer illegalen Zeitung
mit dem Titel „Der Friedenskämpfer“ gefunden. Im Juli
wies die Gestapozentrale an, einen befürchteten
„Massenvertrieb“ einer weiteren ihr bekanntgewordenen
Zeitung mit dem Titel „Freiheit“ und neue Ausgaben von der
„Friedenskämpfer“ zu verhindern. Sie würden
„von ein- und demselben Personenkreis“ stammen. Zu
ergänzen wäre, daß mit den Zeitungen
„Ruhr-Echo“ und „Freiheit“ auch ehemalige
Bezirksorgane Ruhr und Niederrhein der KPD erneut herausgegeben wurden,
ebenso die Zeitung „Der patriotische SA-Mann“ Das war das
Werk Wilhelm Knöchels und seiner Mitarbeiter.
Verständlich, daß dies die Nazis
aufschreckte. Die Beunruhigung wuchs, als am 1. Oktober 1942 der
faschistische Rundfunkabhördienst eine Meldung eines
amerikanischen Senders aufnahm, in der berichtet wurde, daß in
Deutschland illegale Zeitungen Verbreitung finden, u.a. „Der
Friedenskämpfer“ und „Ruhr-Echo“. Die Gestapo
vermutete eine verzweigte und starke illegale Organisation mit
beträchtlichen Verbindungen ins Ausland. Erst Anfang 1943
wußte sie, daß diese Annahme richtig war. Viele halfen,
eine Landesleitung der KPD zu formieren, deren Leitung nun von Moskau
aus allein Knöchel übertragen worden war. Es entstand eine
sich immer mehr verzweigende illegale Organisation mit Verbindungen in
zahlreiche Landesteile, auf dem Seewege über die Niederlande und
Schweden nach Moskau, teils über ein in den Niederlanden
existierendes Funknetz (das Daniel Goulooze leitete) nach Moskau.
Knöchel half auch, manche Hoffnungen der Moskauer
KPD-Führung auf einen baldigen antifaschistischen
Stimmungsumschwung in Deutschland zu dämpfen, so in seiner
Ausarbeitung „Hitlerdeutschland nach dem dritten
Kriegswinter“ Eine eigene Funkverbindung von Berlin aus sollte
den Kontakt nach Moskau stabilisieren, ihn noch regelmäßiger
und schneller gestalten, zumal die „Rote Kapelle“ um Arvid
Harnack und Harro Schulze-Boysen zerschlagen worden war, zu der es
offensichtlich Verbindungen gab. Knöchel berichtete vor seiner
Verhaftung noch nach Moskau, daß die Herausgabe der „Roten
Fahne“ vorbereitet und das Erscheinen eines
Funktionärsorgans („Der Parteiarbeiter“) sowie einer
Jugendzeitschrift vorgesehen sei. Er glaubte, daß seine Arbeit
weiter erfolgreich sei und regte in Moskau auch an, „es wäre
gut, wenn bestimmte Aufrufe mit ZK unter-schrieben werden könnten.
Kann ich das machen, auch wenn ich vorläufig allein bin?“
All dies waren, auch wenn die Ausmaße und die
Wirkung dieser Tätigkeit nicht überbewertet werden sollten,
einmalige Leistungen des Widerstandes. Keiner anderen illegalen
Organisation gelang es, monatelang mehrere Periodika herauszugeben,
dabei Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Unternehmer und
Offiziere anzusprechen. Es ist auch belegt, daß neue Impulse,
viele praktische Hinweise für den antifaschistischen Kampf von der
Landesleitung nach Moskau gelangten. In das vom ZK der KPD im Dezember
1942 über den Deutschen Volkssender verbreiteten
„Friedensmanifest an das deutsche Volk und an die deutsche
Wehrmacht“ waren Gedanken Knöchels eingeflossen. In einem
Bericht von Mitte 1942 an das ZK hatte er geschrieben, es gelte
Kampfausschüsse in Betrieben, Städten und Dörfern zu
bilden, aus denen „ein Nationalkomitee hervorgeht, das den Willen
des ganzen Volkes verkörpert und berufen ist, dem stürzenden
Regime als nationale Regierung entgegenzutreten.“
Als das Nationalkomitee „Freies Deutschland“
gegründet wurde, war Knöchel bereits in Haft. Im Dezember
1942 hatte die Gestapoleitstelle Düsseldorf durch Zufall einen
ersten brauchbaren Hinweis erhalten. Am 11. Januar 1943 begannen die
Verhaftungen. Knöchel wurde am 30. Januar 1943 in der Wohnung der
Eheleute Garske verhaftet, kurz vor Mitternacht. Aus den Gestapoakten
läßt sich rekonstruieren: Erst 18 Tage nach seiner,
Verhaftung gab er .seine Identität als Mitglied des ZK und Leiter
der Parteiarbeit in Deutschland zu. Adressen und Treffs zu kennen,
leugnete er; seine Aussagen waren in der Regel nichtssagend. Offenbar
wollte er Zeit gewinnen, damit seine noch in Freiheit befindlichen
Mitarbeiter ihre Spuren verwischen konnten.
Nachdem ihm aus den Fragen der Gestapoleute das
Ausmaß der Verhaftungen klar geworden war, und er beurteilen
konnte, welche Gefahr dem Netz auch in den Niederlanden drohte,
entschloß sich Knöchel zu einem ungewöhnlichen Schritt.
Er bot der Gestapo seine Mitarbeit an beziehungsweise ging auf ein
entsprechendes Angebot zum Schein ein. Knöchel hoffte, man werde
ihn zu Lokalterminen führen oder als sogenannten V-Mann einsetzen
und er könnte dann eine Gelegenheit zur Flucht finden, mindestens
aber dafür sorgen, bedrohte Mitarbeiter zu warnen. Doch die
Gestapozentrale in Berlin, der Wilhelm Knöchel vorgeführt
wurde, lehnte dies ab.
In dem „Schlußbericht“ der Gestapo vom
1. April 1943 fällt kein Wort darüber, daß Knöchel
in irgendeiner Weise die Ermittlungen unterstützt habe. Dessen
ungeachtet verbreitete die Gestapo, um andere zu verunsichern,
Knöchel habe umfangreiche Aussagen gemacht. Nach 1945 kursierten
noch immer diese Gerüchte. Aufgefundene Schriftstücke mit dem
Angebot Knöchels, mit der Gestapo zusammenzuarbeiten, wurden
dahingehend gedeutet, daß Knöchel nicht standgehalten habe.
Seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre geriet der Fall Wilhelm
Knöchel zunehmend zum Spielfeld deutsch-deutschen kalten Krieges
auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung. Gewürdigt wurde
Knöchel in der 1966 erschienen achtbändigen „Geschichte
der deutschen Arbeiterbewegung“ und in einer Fernsehserie
„Kämpfer und Sieger“.
Gerüchte - Munition im kalten Krieg
Daraufhin schalteten sich westdeutsche Historiker ein
(so Hermann Weber 1966 im „Vorwärts“ - Knöchel
habe die KPD-Emigrationsführung unter Gentsch in Amsterdam der
Gestapo ausgeliefert - oder Joseph Volmer 1968 ebenfalls im
„Vorwärts“). Der Fall Knöchel wurde Munition im
kalten Krieg, Auf Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom
November 1970 wurde daraufhin Knöchels Name in der
Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde
gelöscht. Im zweibändigen, 1970 herausgegebenen Buch
„Deutsche Widerstandskämpfer 1933 - 1945. Biographien und
Briefe“, wurde der Name Knöchel gleich gar nicht
aufgenommen. Im sechsbändigen Werk „Deutschland im zweiten
Weltkrieg“ wird er noch des „Parteiverrats“
bezichtigt.
Es ist kaum zu ermessen, was Knöchel in der Haft
aushalten mußte. Über seinen Zustand schrieb er selbst am
24. März 1944 an seine Schwester: „Ich bin schon wieder im
Krankenhaus. Das sagt, glaube ich, alles. Lungenentzündung,
Rippenfellentzündung, Magengeschwüre u. Magensenkung, eine
schwere Gesichtsrose mit wochenlanger gänzlicher Erblindung, die
noch immer teilweise und vorübergehend auftritt und zu all dem
noch Lungentuberkulose, das alles innerhalb des letzten
Jahres...“ Und am 20. April 1944 teilte er mit:
„…auch das wird einmal sein Ende finden.“ Es fand
sein Ende mit der Hinrichtung am 24. Juli 1944. Für Wilhelm
Knöchel gab es keine Gnade. Krank, von der Haft und den
Folterungen zermürbt, wurde er von den Henkern zur
Richtstätte getragen. Er starb einsam, ohne Kontakt zu Freunden.
Briefe waren nicht weiterbefördert worden. Wir sollten ihn als
einen anständigen Deutschen nicht vergessen.
Siehe auch:
Friedensmanifest der westdeutschen Friedensbewegung erneut erschienen
Ein Dokument aus dem Widerstand 1942
Den Wortlaut des Friedensmanifests vom 6. Dezember 1942, verfasst von
Wilhelm Knöchel (KPD-Leiter im Inland) und
veröffentlicht in „Der Friedenskämpfer“,
Januar 1943, legen wir hiermit erneut vor. Es war beschlossen von
einer „Westdeutschen Beratung der nationalen
Friedensbewegung“. Die DKP Dortmund veranstaltete 1983 eine
Ausstellung über die Widerstandskämpfer Wilhelm Knöchel
und Hans Grüning. Dazu entstand eine Dokumentation, die von der
VVN-BdA Dortmund im Reprint herausgegeben wurde.
http://www.nrw.vvn-bda.de/brosch.htm#knoechel
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