17.01.2016
Die Kölner
Sexualverbrechen und die Folgen für die
„Willkommenskultur“
Eine humane, solidarische
Flüchtlings- und Einwanderungspolitik verlangt gerade nach
Köln die Beachtung folgender Gebote: a) Diskriminierung und
sexuelle Bedrängung von Frauen muss strikt bekämpft
werden – gleich von welchen Gruppen sie ausgeht, ob von
Ausländern oder Deutschen. Und b): Gewalt hat vor
allem eine Ursache: Soziales Elend, das Versagen von Glück.
Integration kann nur gelingen durch Bildung für alle, Arbeit
für alle, Einkommen für alle, Solidarität
untereinander. Das stellt Conrad Schuhler in isw-muenchen.de
fest. Sein Beitrag im Wortlaut:
Die
Kölner Sexualverbrechen und die Folgen für die
„Willkommenskultur“
von Conrad Schuhler
11.01.2016: In der Silvesternacht 2015/2016 haben
in den Bahnhöfen von Köln, Hamburg, Stuttgart und
anderen Städten viele hunderte betrunkene und enthemmte
Männer Jagd gemacht auf Frauen. Haben sie brutal begrapscht
und angemacht bis hin zu Vergewaltigungen. Die Polizei hat nirgendwo
entschieden eingegriffen. Allein in Köln liegen mittlerweile
(10.1.2016) rund 400 Anzeigen von Frauen vor. Die Medien berichteten
zwar sehr zögerlich, doch fehlte in keinem Bericht der
Hinweis, dass es sich bei den Horden um „nordafrikanisch oder
arabisch aussehende Männer“ gehandelt habe. Der
„Spiegel“ meint, die Vorfälle
hätten das Zeug dazu, eine Wende in der deutschen
Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik auszulösen.
Für Merkels Zuwanderungspolitik seien sie der GAU, der
größte anzunehmende Unfall.
Tatsache ist, dass der CDU-Bundesvorstand, dem
wiederum Merkel vorsitzt, eine gute Woche nach den Vorfällen
seine „Mainzer Erklärung“ abgab, worin
unter dem Stichwort „Zur Sicherheit“ der
Polizeistaat weiter ausgebaut und die
„Willkommenskultur“ vollends abgebaut wird. Die
Schleierfahndung, d.h. verdachtsunabhängige Personenkontrollen
sollen in allen Bundesländern ausgedehnt werden. Auf und im
Umfeld von Bahnhöfen und in öffentlichen
Verkehrsmitteln werden Videokameras eingesetzt. Wer sich
gegenüber polizeilichen Einsatzkräften
„grob ungebührlich und respektlos“
verhält, muss mit schärferen Ordnungsstrafen rechnen.
Asylberechtigte und Flüchtlinge sollen von Asylberechtigung
und Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sein, wenn sie eine
Straftat begangen haben, auch wenn die Freiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Die per Vorratsdatenspeicherung
gesammelten Informationen sollen künftig auch von
Verfassungsschutzbehörden genutzt werden. Die
Sicherheitsbehörden des Bundes werden um 4000 Stellen
verstärkt, ihre Ausrüstung wird erheblich verbessert.
Kanzlerin Merkel verkündete während der Tagung
wiederholt, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen in kurzer
Frist erheblich zu reduzieren sei. Vizekanzler Gabriel und
Justizminister Maas von der SPD haben der neuen Richtung
öffentlich zugestimmt.
Die politische Instrumentalisierung der
Silvester-Schandtaten ist also in vollem Gange. Nach den Vorgaben aus
Berlin und München geht die Fahrt stramm nach rechts. Ganz im
Sinne von Donald Trump, dem Immobilienmilliardär und
republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten, der sagte,
Deutschland erlebe jetzt „massive Angriffe auf seine
Bevölkerung, ausgeführt von Einwanderern, die ins
Land gelassen wurden“. Trump hatte vor einigen Wochen dazu
aufgerufen, Muslimen prinzipiell die Einreise in die USA zu verwehren.
In diese Richtung zielen auch die Rechten hierzulande: Das Land
abschotten, die vorhandenen Flüchtlinge so schnell wie
möglich loswerden.
Eine humane,
solidarische Flüchtlings- und Einwanderungspolitik verlangt
dagegen gerade nach Köln die Beachtung folgender Gebote:
Diskriminierung
und sexuelle Bedrängung von Frauen muss strikt
bekämpft werden – gleich von welchen Gruppen sie
ausgeht. Ob von Ausländern oder Deutschen.
Die Bedrängung der Frauen in
Köln geschah offenbar in der Regel in Form gemeinschaftlich
begangener sexueller Belästigung durch Gruppen von
Männern. Dieses Phänomen ist in arabischen
Ländern schon länger unter dem Begriff
„taharrush gamea“ bekannt. Es ist eine verheerende
Enthemmung und Entgleisung von Männern, die in ihren
Gesellschaften längst nicht mehr in Respekt und
wirtschaftlichem Erfolg und der daraus entspringenden
Möglichkeit einer Familiengründung leben
können. Sie sind entwurzelt, auch vom Islam, der bekanntlich
Sex außerhalb der Ehe verbietet. Umso mehr versuchen diese
Männer, im öffentlichen Raum, der traditionell als
den Männern gehörig aufgefasst wird, den Machismo zu
demonstrieren.
Das ist eine soziologische Erklärung,
keinesfalls eine moralische Relativierung. Diese Anschläge auf
Leib und Leben und Würde von Frauen müssen mit aller
Entschiedenheit bekämpft werden, auch mit Polizei und
Gerichten. Doch braucht es dazu keine neuen Strafgesetze, wir brauchen
vielmehr eine Staatsgewalt, die im Rahmen der Gesetzlichkeit kompetent
vorgeht. Die Kölner Vorfälle fanden statt, weil sich
die Polizei als unfähig erwies, die Lage rechtzeitig zu
prognostizieren, ihre Kräfte entsprechend einzuteilen und dann
vor Ort zielstrebig einzusetzen. Die Gesetze waren alle vorhanden, die
polizeilichen Mittel und Direktiven nicht.
Von besonderer Widerwärtigkeit ist die
Hernahme der Kölner Vorfälle durch rechtsextreme
Demagogen, die sich bislang stets als große
Verächter der Frauenbewegung hervorgetan haben, nun sich aber
als Verteidiger der Frauenrechte in die Brust werfen. Jürgen
Elsässer, Pegida-Sympathisant und Herausgeber des
„Querfront“-Magazins Compact, schreibt zu
„Köln“: „Aus Multikulti wird
Bürgerkrieg… Der Einmarsch von weit über
einer Million Neusiedlern im vergangenen Jahr –
großteils Männer im Hormonüberschussalter
– hat die ohnedies angespannte Lage eskalieren lassen. Als
erstes trifft es die Schwächsten: die Frauen. Was sich ..
abgespielt hat, war der Einsatz von sexueller Gewalt zur
Demütigung des weiblichen Teils der einheimischen
Bevölkerung“. Bislang hat sich der Herr immer den
Frauenrechtlerinnen entgegen geworfen. Zum Beispiel so:
„Warum die Feministinnen, obwohl in der krassen Minderheit,
trotzdem immer weiter marschieren, ist schnell erklärt: Sie
genießen die Unterstützung des
Großkapitals. Die Zerschlagung der Familie und die Entwertung
der Väter bringt die Frauen in die Fabrik – als
deren Konkurrentinnen drücken sie das Lohnniveau.“
Dietmar Koschmieder, der in der Jungen Welt die
Elsässer-Zitate zusammengetragen hat, fasst dessen Leitbild
zusammen: „Frauen gehören in den Ehestand, an den
Herd, an die Seite des Ehemanns.“
Es sind aber nicht nur rechte Demagogen, die das
Sex-Thema verlogen aufblasen. Unsere eigene Kultur ist weithin
frauenfeindlich, frauenschänderisch. Bis 1997 war
Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand. In einer aktuellen
repräsentativen Studie des Familienministeriums geben 58 % der
Befragten an, nach ihrem 16. Lebensjahr sexuell belästigt
worden zu sein. Die Hauptgefahr droht im eigenen Zuhause –
von Eltern, Verwandten, Nachbarn. In der Empörung
über die „islamischen Horden“ versichert
man sich der Moral, die man selber nicht hat.
Gewalt hat vor
allem eine Ursache: Soziales Elend, das Versagen von Glück.
Integration kann nur gelingen durch Bildung für alle, Arbeit
für alle, Einkommen für alle, Solidarität
untereinander.
Die Morde an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
von Charlie Hebdo und die an den sich vergnügenden
Pariserinnen und Parisern im November 2015 wurden ausgeführt
von Kindern von Einwanderern aus Afrika und Nahost. Sie waren
Einwanderer der zweiten Generation.Eingewandert und doch
völlig ausgeschlossen vom materiellen und kulturellen Leben
der Gesellschaft. Gefangen in Banlieues, in Vorstädten,
eigenen Vierteln, „Parallelgesellschaften“, in
denen der Mangel, der Frust, die Drogen, Kriminalität als
Überlebensgeschäft zu Hause sind. Natürliche
Zuchträume nicht nur der Klein-Kriminalität, sondern
auch des Terror-Nachwuchses. Ähnlich ist die Lage in den
Ländern Afrikas und des Nahen Osten, wo der
„Islamismus“ sich als Bewegung gegen die
bestehenden Machtverhältnisse aufschwingt.
Dies ist keine Parteinahme für den
Islamismus sondern im Gegenteil dafür, die offenbar
desaströsen Machtverhältnisse zu ändern. In
Deutschland werden wir, wenn die Diffamierung und Verelendung der
Flüchtlinge weiter anhält, bald Millionen Menschen
unter uns haben, die am Rande des Existenzminimums oder darunter hausen
und ständig wachsenden Feindseligkeiten ausgesetzt sind. Heute
leben fünf Millionen Muslims in Deutschland, denen man
zusehends ihre Qualität als normale, mit den Menschenrechten
ausgestattete Staatsbürger bestreitet. Wenn diesen
Entwicklungen nicht Einhalt geboten wird, dann wird die deutsche
Gesellschaft, die wir kennen, und erst recht die, die wir anstreben,
nicht mehr existieren beziehungsweise nie zustande kommen. In der
Flüchtlingsfrage wird sich auch die Frage von Demokratie und
unserer allgemeinen Zukunft entscheiden.
Wenn wir also keine millionenfachen
Paria-Gesellschaften wollen, dann müssen wir dafür
sorgen, dass alle Flüchtlinge Bildung erhalten; dass alle
Arbeit bekommen; dass alle ein Einkommen erzielen, das gut zum Leben
reicht; dass alle an unseren Sozialsystemen teilhaben können;
dass wir, die Flüchtlinge und die Deutschen, in
Solidarität miteinander umgehen.
Conrad Schuhler
Übernommen von http://isw-muenchen.de/
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