Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

20.12.2015

Verschleppt, versklavt

Ulrich Sander hat das Protokoll seiner Recherchen zur Zwangsarbeit vorgelegt

Der Iwan kam auch bis Bochum « könnte dieses Buch von Ulrich Sander auch heißen. Jede andere Stadt in Deutschland wäre wohl ebenso geeignet, denn ZwangsarbeiterInnen aus der Sowjetunion und anderen besetzten Ländern wurden im Faschismus gleich millionenfach nach Deutschland verschleppt. »Der Iwan kam bis Lüdenscheid« ist das Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit. Diese hat exemplarischen Charakter. (Aus einer Rezension)

Wenn die alliierten Armeen eine Stadt erreichten, ermordeten die Faschisten oft schnell noch Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die später als Zeugen gegen ihre Betriebe und deren Besitzer hätten aussagen können. Beeindruckend sind ihre Lebensläufe. Ihr Alter reichte von 12 bis zu 80 Jahren. Die Faschisten versklavten alle, die ihnen einigermaßen verwertungsfähig erschienen.

Das Tagebuch liefert Beispiele dafür, wie kapitalistische Unternehmen und konservative Politiker noch Jahrzehnte nach der Befreiung vom Faschismus versuchten, Recherchen über das Los der Naziopfer zu verhindern. Noch zu wenig bekannt ist das Geschehen in den Arbeitserziehungslagern. Arbeiter, die zu schwach für den 14-stündigen Arbeitstag waren, wurden in besondere Lager eingewiesen, die von den Industrieunternehmen initiiert und von der SS oder der Gestapo verwaltet wurden. Die dort vorgenommenen »Arbeitserziehungsmaßnahmen « endeten nicht selten im Mord an den Eingewiesenen.

Uli Sander ist es gelungen, das Schicksal von 7.500 Zwangsarbeitern aufzuklären. Er fand dafür Hilfe im Stadtarchiv in Lüdenscheid. Etwa 1.500 Überlebenden konnte er durch seine Arbeit zu einer geringfügigen »Entschädigung« verhelfen.

Wolfgang Dominik

Ulrich Sander: Der Iwan kam bis Lüdenscheid – eine Zwangsarbeiterrecherche, Papy Rossa Verlag, Köln 2015, 237 Seiten, 15,90 Euro

Aus: Junge Welt, 17.12.2015 und Mailinglist ns-zwangsarbeit