19.11.2015
Gedenkstätte
lädt zur Lesung ein
Der
Iwan kam bis Lüdenscheid - und Bochum und anderswo
Die Gedenkstätte
„Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid
e.V.“ versendet diese Einladung zur Lesung: Liebe
Mitglieder und Freunde der Ge-Denk-Zellen, jeder Krieg besteht aus
vielen Tätern und Opfern. Hinsichtlich der ca. 2.900
gestorbenen Lüdenscheider Soldaten ist es meistens nicht
möglich festzustellen, wer mehr zur ersten oder zur zweiten
Gruppe gehörte. Mit der zweitgrößten
Gruppe, die zu mehr als 80 % aus Opfern bestand, hat sich Ulrich Sander
beschäftigt. Ca. 7.500 Fremd-/Zwangsarbeiter wurden aus den
europäischen Nachbarländern nach Lüdenscheid
gebracht und waren hier überwiegend in der
Rüstungsindustrie tätig. Mehr als 700 mussten hier
ihr Leben lassen.
Über die Forschungsarbeit in
Lüdenscheid schrieb Ulrich Sander das Buch:
„Der Iwan kam bis Lüdenscheid
– Protokoll einer Recherche zur Zwangsarbeit.“
http://www.buch.de/shop/home/artikeldetails/der_iwan_kam_nur_bis_luedenscheid/ulrich_sander/ISBN3-89438-582-0/ID41097753.html
Daraus liest der Autor am DIENSTAG, den 24.
November 2015, um 19.30 Uhr im Grünen Saal des Kulturhauses
Herzlich sind Sie /seid Ihr und alle
Interessierten eingeladen.
http://www.ge-denk-zellen-altes-rathaus.de
Hier eine
Rezension zum Buch:
Der Iwan kam
auch bis Bochum
könnte das Buch von Ulli Sander auch
heißen. Jede andere Stadt in Deutschland wäre wohl
ebenso geeignet, denn ZwangsarbeiterInnen aus der Sowjetunion und
anderen besetzten Ländern wurden im Faschismus gleich
millionenfach nach Deutschland verschleppt. „Der Iwan kam bis
Lüdenscheid“, Protokoll einer Recherche zur
Zwangsarbeit, hat exemplarischen Charakter.
Das gilt auch für die Morde an
ZwangsarbeiterIinnen am Ende der faschistischen Diktatur. Wenn die
alliierten Armeen eine Stadt erreichten, ermordeten die Faschisten
– mit Hilfe der jeweiligen Unternehmen – oft
schnell noch Zwangsarbeiter*innen, die eventuell später als
Zeugen gegen ihre Betriebe und ihre Besitzer bzw. das oft unmenschlich
agierende Aufsichtspersonal aussagen könnten.
Für mich ist dieses Tagebuch ein
Beispiel, wie auch 50 oder 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus
Städte, kapitalistische Unternehmen und vor allem konservative
Politiker oft alles Mögliche bis hin zum Datenklau versuchen,
Recherchen über ZwangsarbeiterInnen zu verhindern.
Für mich gab es auch neue Informationen über
Arbeitserziehungslager. Es ist kaum zu glauben, aber
Zwangsarbeiter*innen, die vielleicht krank oder zu schwach zur
14-stündigen Zwangsarbeit waren, wurden in besondere Lager
eingewiesen. In diesen Lagern, die von den Industrieunternehmen
initiiert wurden und von der SS oder Gestapo verwaltet wurden, waren
die „Arbeitserziehungsmaßnahmen“ noch
grausamer und bedeuteten oft Mord an den Zwangsarbeiter*innen.
Ulli Sander gelang es, das Schicksal von 7500
ZwangsarbeiterIinnen aufzuklären, weil er
solidarische Mitarbeiter*innen etwa des Stadtarchivs in
Lüdenscheid fand. Etwa 1500 der Überlebenden konnte
Ulli durch seine Arbeit zu einer gewissen
„Entschädigung“ verhelfen.
Beeindruckend auch die Lebensläufe
einiger ZwangsarbeiterInnen: Ihr Alter reichte von 12 (!) Jahren bis 80
(!) Jahre. Ein Hinweis darauf, dass die Faschisten alle versklavten,
die ihnen einigermaßen verwertungsfähig aussahen.
Dieses gut 1 ½ Jahre umfassende
Tagebuch Ulli Sanders hat mich auch besonders beeindruckt, weil trotz
aller Widerstände mit Zähigkeit, Ausdauer und
Fleiß immer noch neue Erkenntnisse über den
Faschismus vor unserer Haustür zu entdecken sind.
Die VVN-BdA lädt Ulli Sander Anfang des
nächsten Jahres zu einer Veranstaltung über sein Buch
ein.
Wolfgang Dominik
Siehe auch: http://vvn-bda-bochum.de/archives/13059
Rezension aus Antifaschistische Bochumer
Blätter 2/2015. November 2015
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