06.11.2015
Nazis rufen „Nazis
raus!“ – Die faschistische Verdrehung der Wahrheit
Der Schriftsteller Akif
Pirinçci hat
in seiner PEGIDA-Rede am 19. Oktober 2015 gemutmaßt, deutsche
Politiker hätten den Wunsch, patriotische Deutsche in
Konzentrationslagern zu internieren. Viele Medien gaben seine
Äußerungen sinnentstellend verkürzt so
wieder, als
hätte er gefordert, die Konzentrationslager – etwa
für
Flüchtlinge – wieder zu öffnen. Diese Falschdarstellung wurde inzwischen
zurecht kritisiert. Aber natürlich hatte der Autor
Pirinçci dieses
Missverständnis einkalkuliert und die beim Wort
„KZ“
grölenden Nazis im Publikum verstanden ihn wohl doch nicht
ganz
falsch. Interessanter ist aber die Frage: Was steckt hinter
dieser
Taktik der neuen Rechten, ihre Gegner als Nazis zu denunzieren? Wieso
bezeichnete Pirinçci deutsche Politiker als
„Gauleiter
gegen das eigene Volk“? Wieso setzt Lutz Bachmann den Bundesjustizminister Heiko
Maas mit dem nationalsozialistischen Propagandaminister Joseph Goebbels
gleich?
Wieso wird von Nazis in letzter Zeit so häufig
„Nazis
raus!“ in Richtung der Gegendemonstranten skandiert? Diesen
Fragen geht der Journalist Michael Bittner in seinem Gastbeitrag nach:
Es ist nichts Neues, dass radikale Rechte sich
Taktiken
und Symbole von radikalen Linken aneignen. Die deutschen Rechten
verfügten über keine eigene rebellische Tradition,
sie waren
immer brav und gehorsam, als mit der Novemberrevolution 1918/1919
plötzlich die Demokratie über sie hereinbrach. Nun
mussten
sie revolutionär werden, wussten aber nicht, wie das geht.
Also
stahlen sie die Formen der linken Opposition und prägten sie
zum
nationalen Widerstand um. Nichts anderes passiert heute wieder. Die
„autonomen Nationalisten“ tragen Schwarz, wickeln
sich
Palästinensertücher um den Nacken und reden vom
Widerstand
gegen den Kapitalismus, wenn sie ans Totschlagen der Juden denken. Auch
die neofaschistische Bewegung PEGIDA
hat inzwischen viele Strategien der Linken gestohlen und pervertiert:
Die Montagsdemonstrationen 1989/90 richteten sich gegen eine Diktatur,
nun richten sie sich gegen die Demokratie. Die Sitzblockaden, die
früher in Dresden gegen Naziaufmärsche zum 13.
Februar
stattfanden, werden jetzt von besorgten Bürgern
vor geplanten Flüchtlingsheimen nachgespielt. Die
Lichterketten gegen Rassismus werden zu patriotischen Menschenketten, die als „lebende Grenze“
Deutschland symbolisch abschotten.
Zu dieser wohlbekannten Taktik der Enteignung
gehört die Taktik der Umkehrung der Wahrheit. Auch sie ist
nicht
neu. Wenn Rechte ihre Gegner als „antideutsche
Rassisten“,
als „Linksfaschisten“ oder gleich als
„Nazis“
verunglimpfen, dann verfolgen sie damit zwei Ziele. Zum einen sollen
die Begriffe entwertet werden. Dies ist schon einigermaßen
gelungen. „Rassist“, „Faschist“
und
„Nazi“ sind heute bereits Allerweltsbeleidigungen,
die
jeder gegen jeden gebraucht, sodass die wirklichen Rassisten,
Faschisten und Nazis sich um solche Vorwürfe kaum mehr
kümmern müssen. Es dauert gewiss nicht mehr lange,
bis die
ersten Demonstranten bei PEGIDA Transparente mit Aufschriften wie
„Rassist und Spaß dabei“ oder
„Nazi? Na
und?“ zeigen werden. Die Umwertung der Begriffe macht
jedenfalls
atemberaubende Fortschritte: Als „Nazi-Keule“ gilt
heute
schon nicht mehr der Baseballschläger in der Hand eines
Rechtsextremisten, sondern die antifaschistische Kritik am
Nationalsozialismus der Gegenwart.
Aber die Pervertierung der Wahrheit hat noch einen
zweiten Zweck. Damit er guten Gewissens prügeln und morden
kann,
muss der Faschist, der doch auch immer weinerlicher
Spießbürger bleibt, sich selbst zum Opfer und seine
Opfer zu
Tätern machen. Der Angriff muss zur Selbstverteidigung
stilisiert
werden. Dies gelingt durch die Verdrehung der Tatsachen: Der Bedroher
wird zum Bedrohten, die Bedrohten zur Bedrohung. Gibt es
hierfür auch historische Beispiele? Es gibt sie. Und
wir
nennen sie in der fröhlichen Zuversicht, in Bälde den
Ruf
„Nazi-Keule!“ aus dem Mund von Nazis erschallen zu
hören.
Ich
will
heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen
Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die
Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen,
dann wird
das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des
Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in
Europa.
Mit diesem Worten kündigte Adolf Hitler
in einer
Rede vor dem Reichstag am 30. Januar 1939 den Völkermord an
den
europäischen Juden an. Bemerkenswert ist auch hier die
Verdrehung
der Wahrheit, die Vertauschung von Täter und Opfer. In seiner
infamen Lüge verriet Hitler doch zugleich auch die Wahrheit:
Indem
er vorgab, die Deutschen vor einer Vernichtung durch das
Judentum
schützen zu wollen, kündigte er die Vernichtung der
Juden
durch die Deutschen an. Ganz dementsprechend rechtfertigte Heinrich
Himmler in seiner berüchtigten Posener Rede am 4.10.1943 die
laufende Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern:
Wir haben das
moralische
Recht, wir haben die Pflicht unserem Volk gegenüber, das zu
tun,
dieses Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen.
Wenn die Faschisten von heute sich wieder durch
Antifaschisten, Zuwanderer oder Muslime bedroht wähnen, so
wissen
wir, was das zu bedeuten hat. Wir sollten die neuen Faschisten stoppen,
bevor aus der Verdrehung der Wahrheit in der Sprache wieder Terror in
der Wirklichkeit wird.
Michael Bittner
Zuerst erschienen unter: http://michaelbittner.info/2015/11/03/nazis-rufen-nazis-raus-die-faschistische-verdrehung-der-wahrheit/
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