27.10.2015
Netanyahu ist ein
Lügner: Der Mufti war´s, Hitler ist es nicht gewesen
Der Mufti war´s,
Hitler ist es nicht gewesen! So erzählte uns der
große israelische Führer Benjamin Netanyahu eine
neue Version der Geschichte von der Vernichtung der
europäischen Juden noch vor seinem Treffen mit Frau Merkel.
Denn darum ging es Israels Premier: Die Unruhen rund um den Jerusalemer
Tempelberg, den möglichen Beginn einer neuen Intifada, einer
palästinensischen Erhebung gegen das israelische Regime, als
faschistisch zu denunzieren. Zu dieser Feststellung kommt Ulrich
Gellermann von der Plattform Rationalgalerie.
Er schreibt weiter:
Die westliche Welt hat müde
gelächelt, Ohrfeigen wären eher angebracht gewesen.
Der gemeinte Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini,
betrachtete fraglos die Nazis als Bündnispartner in seinem
Kampf gegen die von den Briten unterstützte jüdische
Besiedlung Palästinas. Und nach der allgemein
üblichen, dummen Methode "Der Feind meines Feindes ist mein
Freund" versuchte al-Husseini bei den Nazis Freunde zu finden. Doch
längst hatten die Nazis die Vernichtung der Juden geplant und
brauchten den Mufti dafür wirklich nicht. Das wissen die
israelische Historiker, und das weiß sogar Netanyahu. Aber
lieber lügt er, als über das eigentliche Thema zu
sprechen: Die Verzweiflung der Palästinenser.
Denn die jungen palästinensischen
Messerstecher, die gern als Terroristen in deutschen Medien auftauchen,
sind nichts anderes als Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit: Rund
60 Prozent der Bevölkerung im israelisch besetzten
Palästina leben unterhalb der Armutsgrenze, 35 Prozent der
jungen Erwachsenen sind arbeitslos, Minderjährige werden vor
israelische Militärgerichte gestellt, viele von ihnen
füllen die Gefängnisse, hunderte
palästinensischer Schulen wurden im Zug israelischer
Militäraktionen zugunsten des Landraubs zerstört. Das
sind die Methoden, mit denen Terroristen gezüchtet werden.
Unterdrückung, Besetzung und Apartheid erleben
Palästinenser jeden Tag. Und es war nur eine Frage der Zeit,
bis sie die erduldete israelische Gewalt mit eigener Gewalt
beantworteten. Ein auswegloses Unterfangen, denn die westlichen
Unterstützer der israelischen Militärmaschine, die
deutschen und US-amerikanischen Lieferanten von Waffen und Geld,
rüsten Israel immer weiter auf. So siegt die gut organisierte
Besatzungsmacht gegen den spontanen, individuellen Widerstand.
Es war ausgerechnet der israelische General Moshe
Dajan, der nach dem Sechstagekrieg Israelis und Palästinenser
am Tempelberg trennte: Muslime sollten in den beiden Moscheen al-Aksa
und Felsendom oben auf dem Tempelberg beten, Juden an der Klagemauer
unten. Und es sind orthodoxe Juden, die diese Praxis bisher
unterstützten: Sie dürfen erst wenn der Messias
kommt, wieder an den heiligen Ort. Das schert die aggressiven Vertreter
israelischer Siedlungspolitik wenig: Der radikale jüdische
Aktivist Yehuda Glick hat in diesem Jahr vor Gericht erstritten, auf
dem Tempelberg beten zu dürfen. Schon zuvor, 2007, hatte das
oberste israelische Gericht islamische Begräbnisse am
Fuß des Tempelbergs verboten. Die Polizei wurde angewiesen,
in Beton gegossene, aber noch nicht belegte Gräber zu
Füßen der Umfassungsmauer zu zerstören. So
wird ein muslimisches Heiligtum Schritt für Schritt in ein
jüdisches umgewandelt und spiegelt doch nur die praktische
israelische Politik der Enteignung von Palästinensern
zugunsten von Juden.
Dieser praktische Rassismus ist gerade in
Jerusalem gut zu beobachten: Laut des israelischen Komitees gegen
Hauszerstörungen (ICAHD) wurden von 1967 bis 2003 kaum
Baugenehmigungen für die palästinensischen Einwohner
erteilt, während in dem gleichen Zeitraum 90.000 Wohneinheiten
für jüdische Siedler geschaffen wurden. Zwar
dürfen sich Palästinenser in Jerusalem an
palästinensischen Wahlen beteiligen, müssen ihre
Stimme aber in Postämtern abgeben, damit Israel dies als
Briefwahl von „im Ausland lebenden
Palästinensern“ bezeichnen kann. Besucher und
Ehegatten aus der Westbank müssen untertänigst beim
israelischen Innenministerium um Erlaubnis ersuchen. Seit der Zweiten
Intifada werden solche Genehmigungen kaum mehr ausgestellt. Im Ergebnis
dieser Apartheid-Politik zeigt ein EU-Bericht von 2011 auf,
dass inzwischen etwa 10.000 Kinder ohne Aufenthaltsrecht in der Stadt
leben, weil ein Elternteil aus der Westbank stammt.
In Berlin traf Netanyahu den deutschen
Außenminister Steinmeier, die EU Außenbeauftragte
Mogherini, Frau Merkel und den amerikanischen Außenminister
Kerry. Warme Worte, sogar mahnende, konnte man manchmal hören.
Und immer wieder erzählten die Medien von einer "Spirale der
Gewalt", als gäbe es irgendwo einen unbekannten Uhrmacher, der
die Gewaltfeder immer wieder neu aufzöge. Es ist der
Lügner Netanyahu, offenkundig stellvertretend für
eine israelische Mehrheit, der an der Spirale dreht. Es sind die
jüdischen Siedler auf Palästinensergebiet und in
Jerusalem, von denen jene Gewalt ausgeht, die Gewalt auslöst.
Wer dem Lügner die Hand reicht, macht sich schuldig.
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