20.10.2015
Gegen den Rufmord – und gegen den Antisemitismus
Zu einer Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Selbstverständlich ist es erlaubt, die
israelische Politik zu kritisieren, erfahren wir von allen Seiten. Aber
wenn es einer tut, dann wird er Antisemit genannt. Dagegen wendet sich
der Linke Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke.
Das haben vielfach Aktivisten der Partei Die Linke und
andere Friedensfreunde erfahren, weshalb es löblich ist, dass
Wolfgang Gehrcke jetzt das Buch „Rufmord – Die
Antisemitismuskampagne gegen links“ herausgegeben hat (papyrossa,
ISBN 978-3-89438-586-6). Ich kann den jungen Mitgliedern der Linken in
Essen empfehlen, sich die Lehren aus diesem Buch zu Herzen zu nehmen.
Die Linksjugend Essen hat vor einem Jahr (im Juli während des
Gaza-Krieges) eine Veranstaltung durchgeführt, in der junge
rassistische Araber und sogar Nazis auftauchten, die die Initiative der
Linksjugend für ihre Zwecke missbrauchten.
Daraus ist zu schlussfolgern: Selbstverständlich
müssen wir Solidarität mit den Palästinensern üben,
aber wir müssen es so tun, dass sich niemand von der
antisemitischen und rechten Seite daran die Hände wärmen kann.
Ich schrieb vor Jahren an eine Jugendgruppe in
Ostwestfalen, der ähnliches widerfahren ist wie den Essenern: Es
ist auf eine Äußerung von Uri Avnery zu verweisen. Sie ist
wichtig, weil manche Leute sich gegen Israels Existenz wenden, Israel
gar auf eine Stufe mit Nazideutschland stellen. Mit einigen, die das
tun, gehen die Kritiker des Rufmords leider sehr milde um. Israel zu
beseitigen, ist jedoch ein
antisemitisches Kriegsprojekt.
Avnery wurde einmal vom „Neuen Deutschland“
gefragt: „Wie können Journalisten und Politiker dem Vorwurf
des Antisemitismus entgehen, wenn Sie sich der israelischen Politik
kritisch gegenüberstellen wollen?“ Der israelische
Friedensaktivist Uri Avnery antwortete: „Sie müssen in ihrer
Kritik deutlich machen, dass sie nicht gegen die Existenz Israels sind,
sondern lediglich das Interesse von Palästinensern und Israelis
gleichermaßen berücksichtigen wollen. Das muss vollkommen
klar sein.“ (ND 27. März 2006) Diese Klarstellung verdient,
in allen Kritiken am „Rufmord mittels
Antisemitismusvorwurf“ verankert zu werden.
Vor vier Jahren hat die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten einen sehr durchdachten Beschluss
ihres Bundeskongresses angenommen (siehe http://www.vvn-bda.de/gegen-jeden-antisemitismus/).
Darin heißt es: „Israel ist der Zufluchtsort für
Jüdinnen und Juden aus aller Welt. Wer diese grundsätzliche
Konsequenz nach der Shoa infrage stellt, kann für uns kein
Bündnispartner sein. … Wer versucht, israelische
Oppositionelle,die mit Sorge analysieren, welche katastrophalen
Folgen die permanente Kriegssituation für die gesellschaftliche
Entwicklung hat, zum Schweigen zu bringen, kann für uns auch kein
Bündnispartner sein.“
Ulrich Sander
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