09.09.2015
Auf den Spuren der Ermordeten: Zwangsarbeiter Wladimir Naumov in Düsseldorf und Dormagen
Professor Dr. Wladimir Iljitsch Naumov (83)
wurde als Kind 1943 von den Nazis aus der überfallenen Sowjetunion
ins Deutsche Reich deportiert. Hier kam er als elf Jahre alter
Zwangsarbeiter in die Textilfabrik „Bleiche“. Dabei hatte
er das Glück, das zwei Millionen sowjetischer Zwangsarbeiter nicht
hatten: Er entkam der „Vernichtung durch Arbeit“ und
überlebte. Aus Dankbarkeit und in Verantwortung geht er seit
seiner Befreiung den vielfältigen Spuren der Zwangsarbeiter nach.
Seine Aufmerksamkeit gilt den toten und überlebenden Opfern und
ebenso dem Widerstand gegen das Naziregime.
Seine
erste Station in Düsseldorf war daher jetzt die neue
Informationstafel, die am Rheinufer an den ermordeten Nazigegner
Hilarius Gilges erinnert. Von früheren Besuchen kannte Naumov
bereits das Gilges-Relief von 1988 am Josef-Beuys-Ufer, das inzwischen
allerdings recht verwittert ist. Die neue Tafel erinnert detaillierter
und umfassender an Hilarius Gilges, der hier von Nazis am 20. Juni 1933
im Alter von 24 Jahren ermordet worden war. Gilges war den Nazis
besonders verhasst, denn er passte nicht in ihr Rasseschema vom
weißen Arier. Außerdem war er Kommunist und Schauspieler in
der KPD-Agitationsgruppe „Nordwest ran“ von Wolfgang
Langhoff. Das genügte den Schergen des Klassenfeindes, ihn zu
brutal erschlagen.
Vom
Rhein ging es die wenigen Schritte zur Reuter-Kaserne 1, heute eine
Dependance der Kunstakademie. 1933 wurde hier eine Dienststelle der SS
mit einem Foltergefängnis eingerichtet. Der Maler Karl Schwesig
(KPD), Mitglied der Künstlergruppe Junges Rheinland, gehörte
zu den Folteropfern. Er hinterließ zahlreiche Arbeiten, auf denen
er eindrucksvoll die Verfolgung durch den NS-Terror darstellte. Eine
Gedenktafel erinnert daran, dass viele Folteropfer anschließend
in Konzentrationslager verschleppt wurden.
Das benachbarte Hauptgebäude der Kunstakademie ist
ein Symbol der widersprüchlichen Haltung vieler Künstler
gegenüber dem Nationalsozialismus. Es gab Profiteure wie den
Bildhauer Arno Breker, der wegen seiner arischen Heroen als Hitlers
Lieblingsbildhauer galt und verspottend als der Schöpfer des
Schamhaar-Realismus eingeordnet wurde. Andere Künstler wie Otto
Pankok stellten sich dem Naziregime entgegen. Paul Klee und viele
Kollegen wurden der Akademie verwiesen. Nach 1945 wollte der neue
Direktor, Ewald Mataré, die alten Nazi-Professoren nicht im Amt
belassen. Das wurde ihm verwehrt. Arno Breker dagegen wurde
ausgehalten. Er bekam Aufträge von Hermann Josef Abs, Hugo Henkel,
von den Brüdern Quandt, von Rudolf-August Oetker, Paul Girardet,
Gustav Schickedanz – von Adenauer und Ludwig Erhard.
Im Umfeld der Akademie hatte Hilarius Gilges in der
Ritterstraße 36 bis zu seiner Ermordung gelebt. Der Platz direkt
vor dem Haupteingang wurde 2003 in Hilarius-Gilges-Platz benannt. Auf
den mehrfachen Vorschlag der DKP, dass sich die Kunstakademie
entsprechend nun die Anschrift Hilarius-Gilges-Platz 1 geben möge,
reagierte die Rektorin der Akademie, die US-amerikanische Bildhauerin
Rite McBride, mit keiner Zeile.
Der Rundgang machte für Professor Naumov deutlich,
wie ambivalent die Erinnerungskultur in Düsseldorf gehandhabt
wird: einerseits intensive Aufarbeitung wie etwa in der Mahn-und
Gedenkstätte an der Mühlenstraße, andererseits
Unterschlagung wie am Eingang des Industrie-Clubs an der Elberfelder
Straße, wo Hitler und die Großindustriellen am 26. Januar
1932 ihren Pakt zur Vernichtung der Gewerkschaften, Kommunisten und
Arbeiterbewegung schmiedeten.
Der Opfer des Krieges gegen die
„Untermenschen“ aus dem Osten wurde bei den Besuchen von
den Sowjetischen Ehrenfriedhöfen am „Gallberg“ und auf
dem Gerresheimer Waldfriedhof sowie zusammen mit dem Bürgermeister
auf dem Alten Dormagener Friedhof mit zahlreichen Gästen von der
VVN, von Vereinen und Parteien gedacht. Auf dem Weg zum
sowjetischen Gräberfeld galt das Gedenken auch den beiden
Antifaschisten Theodor Andresen und Aloys Odenthal.
Uwe Koopmann
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