06.09.2015
Straßentheater auf
dem DGB-Friedensfestival in Dortmund
Die vielen Kriege und was
dagegen zu tun ist, wurden mit einem Straßentheater im Rahmen
des Dortmunder DGB-Friedensfestivals vom Bündnis Dortmund
gegen rechts thematisiert. Dem Bündnis gehören u.a.
das Dortmunder Friedensforum, die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes (VVN-BdA) und DIDF an. Am 4. September wurde „Von
Krieg zu Krieg – wir sagen Nein“ dargestellt. In
mehreren Texten wurden die Kriege und ihre Folgen verdeutlicht. Hier
sind die Texte von Ula Richter und Volker Toebel:
Moderation
Mit einem Straßentheater/einer
Antikriegsaktion wollen wir deutlich machen, wie viele Opfer durch die
Kriege, die USA und NATO seit den 90er Jahren entfesselt haben, zu
beklagen sind. Dabei haben wir nicht alle Kriege, die seit den 90er
Jahren wüten, erfassen können und auch die
Opferzahlen sind z.T. geschätzt, da viele Opfer nicht
registriert werden und immer weiter gestorben wird.
„Von
Krieg zu Krieg: wir sagen NEIN!“
Mit dem NATO- Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999
unter deutscher Beteiligung wurde die Büchse der Pandora
geöffnet. Krieg folgte auf Krieg. Es geht letztlich immer um
das Gleiche: die Neuordnung der Welt nach den Interessen der einen
Weltmacht USA und ihrer westlichen Verbündeten. Es geht um die
Besetzung wichtiger geostrategischer Gebiete, den freien Zugang zu den
Märkten weltweit, die Ausbeutung der knapper werdenden
Ressourcen.
Jugoslawien, das sich unter Milosewitsch dem
freien Markt nicht öffnen wollte, war den geostrategischen
Interessen Richtung Osten im Wege. Milosewitsch musste weg! (von den
Medien wahlweise als „Mörder“
und neuer „Hitler“ präsentiert.) Das
Schüren nationaler Konflikte, die schnelle Anerkennung der
nach Unabhängigkeit strebenden Teilrepubliken zerlegten das
Land in kaum lebensfähige Kleinstaaten, in denen Nationalismus
und Rassismus an der Tagesordnung sind. Ein gnadenloser Bombenkrieg
traf die Zivilbevölkerung, zerstörte Städte
und Infrastruktur und verseuchte den Boden in weiten Teilen
Jugoslawiens. Die Zahl der Todesopfer wird mit 118.000 angegeben. Die
Flüchtlinge, insbesondere die Roma, die aus diesen
Ländern zu uns kommen, fliehen vor rassistischen,
lebensbedrohlichen Übergriffen, vor Armut, Arbeitslosigkeit
und Perspektivlosigkeit.
Afghanistan,
2001
Afghanistan geriet im „Kalten
Krieg“ zwischen die Fronten des Ost- West- Gegensatzes. Die
SU marschierte ein und versuchte, das Land zu stabilisieren, z.B. durch
Alphabetisierung, allerdings mit geringem Erfolg. Die USA und in ihrem
Gefolge Pakistan unterstützten die Mudschaheddin als Gegner
der SU, die nach dem 9. September 2011 (jetzt als
„Taliban“) im Kampf der USA „gegen den
Terror“ zum „Bösen schlechthin“
gemacht wurden. Seither ist das Land im Kriegszustand, zerrissen
zwischen Kämpfen rivalisierender Banden und
ausländischer Militärmächte (NATO, mit
deutscher Beteiligung). Letztlich geht es hier wie andernorts um
geostrategische Vorteile. Die Anzahl der Toten in diesen
Auseinandersetzungen kann nur geschätzt werden; sie wird mit
68 000 angegeben.
Das Land wird bis heute von zehntausenden
Flüchtlingen verlassen, deren Dörfer
zerstört, deren Arbeitsplätze vernichtet wurden,
deren Hoffnungen auf ein menschenwürdiges Leben im Chaos
versunken sind. Hier lässt sich noch einmal deutlich der
tödliche Ablauf rekonstruieren: Päppeln von
Widerstandsgruppen als Vorbereitung der Destabilisierung traditioneller
Strukturen; Umwertung dieser Gruppen („Taliban
müssen weg!“) zu schlimmsten Feinden; Krieg und
Zerstörung von Nation und Gesellschaft.
Irakkrieg, 2003
Die riesigen Öl- Vorkommen und seine
geostrategische Lage machten den Irak zum Ziel westlicher
Begehrlichkeiten. Der Krieg beginnt mit einer besonders dicken
Lüge: Saddam Hussein besitzt Massenvernichtungswaffen! Saddam
Hussein muss weg! Auch er wird zum „Schlächter,
Teufel Hitler“ dämonisiert. i dem Luft- und
Bodenkrieg der USA u. der NATO wurden unter anderem mit Uran
angereicherte Waffen, Streubomben und weißer Phosphor
eingesetzt. Ergebnis: zerstörte Städte,
zerstörte Infrastruktur, verseuchte und vergiftete Umwelt. Die
Zahlen der Opfer gehen von 100.000 bis über eine Million aus
und es wird weiter gestorben an den Kriegsfolgen und durch
islamistische Mordgruppen, die das Land terrorisieren.
Libyen, 2011
Libyen, das bevölkerungsärmste
Land der vom „arabischen Frühling“
betroffenen Staaten, hat die höchsten Opferzahlen zu beklagen:
30 000 allein im Jahr 2011, als die NATO unter Führung der USA
auf der Seite der Aufständischen in die innerlibysche
Konfrontation eingriff. Deutschland hielt sich offiziell raus,
unterstützte aber die NATO- Operationen ideell und logistisch.
Ghaddafi war sicher ein Gewaltherrscher, aber der Ruf
„Ghaddafi muss weg!“ war keineswegs dadurch
motiviert, sondern war Teil des US- Versuchs, die Verhältnisse
im Nahen und Mittleren Osten nach den US- eigenen geostrategischen
Interessen neu zu ordnen.
Das Land ist heute zerrissen und in internen,
kriegerischen Auseinandersetzungen begriffen, die Zahl der Toten auf 45
000 angewachsen, das libysche Volk der Aggression der IS-
Mörderbanden ausgesetzt. Am Beispiel Libyens zeigt sich
besonders, dass Krieg Not und Elend gebiert, und das Chaos, das er
hervorbringt, ist keineswegs kreativ, sondern mörderisch!
Gaza, 2014
Der Gaza-Konflikt ist so alt wie der Staat Israel,
also über 65 Jahre. Heute wollen wir aber nur auf die
besonders blutige Konfrontation vom Sommer 2014 eingehen. Nach Angaben
der UNO kamen 2.205 Palästinenser ums Leben, 18.000 Wohnungen
wurden beschädigt oder zerstört, und 108.000
Palästinenser wurden obdachlos. Dieses bisher nie dagewesene
Ausmaß an Todesopfern und Zerstörung ist kein
Zufall. Es ist die Folge einer bewussten Änderung der Art und
Weise, in der die israelische Armee (IDF) ihre Kriege führt.
Diese Änderung begann im Jahr 2005. Sie
zeigt eine radikal veränderte Perspektive. Der Schutz von
Zivilisten genießt hierin keine Priorität mehr.
Stattdessen legt sie eine "Hierarchie des Lebens" fest, die vier Ebenen
umfasst. Zuerst kommt das Leben israelischer Staatsbürger,
gefolgt von dem Leben der IDF- Soldaten. Das Leben feindlicher
Zivilisten kommt an dritter Stelle und zuletzt die feindlichen
Kämpfer. Diese Hierarchie bestimmt, dass es die Pflicht der
Armee ist, alles zu tun, um zu verhindern, dass IDF-Soldaten zu Schaden
kommen, auch wenn dies dazu führt, dass unschuldige
palästinensische Zivilisten im Gazastreifen darunter leiden.
Wir wollen nicht bestreiten, dass auch die
palästinensische Gegenseite brutal vorgeht, aber
gegenüber den israelischen Aggressionen in Form von
Siedlungspolitik, Einengung des Lebensraums der Palästinenser,
ständiger Schikanen, der beschriebenen
„neuen“ Art der Kriegführung sowie dem
Anspruch Israels, ausgehandelte Waffenstillstände nach
Belieben einseitig aufzukündigen, fällt das kaum ins
Gewicht! Und die USA halten ihre schützende Hand über
Israels Politik gegen die Palästinenser!
Ukraine/Donbass,
2012
Neben Balkan und dem nahen und mittleren Osten ist
Russland ins Visier der USA, der NATO und der EU geraten.
„Wer die Ukraine hat, hat Russland.“, das wussten
hohe Militärs schon vor 1914.
Mit der bedingungslosen westlichen
Unterstützung der antirussischen Putschregierung in der
Ukraine wird erstmals seit dem Ende des kalten Krieges direkt an
Russlands Grenzen gezündelt. Politik und Medien
schießen sich auf Moskau ein. Putin, dem sie die alleinige
Schuld am Ukraine-Konflikt anlasten, ist wahlweise ein
„Tyrann, eine Sphinx, ein Teufel oder auch gleich wieder
Hitler“. Soll auch Putin „weg“? Die
Provokationen gegen Russland lassen Schlimmes befürchten: erst
die NATO-Ost-Erweiterung, die gegen alle internationalen Absprachen bis
an die Grenzen Russlands geht, jetzt die Aufrüstung und
Verlegung von Truppen und schwerem Kriegsgerät in die
Nachbarstaaten, - unser Land soll mit einer „superschnellen
Eingreiftruppe“ die „Speerspitze“
übernehmen-, sind alarmierend. Noch wird der Konflikt in einem
blutigen Bürgerkrieg in der Ukraine ausgetragen, indem
ukrainische Armee und faschistische Verbände Städte
und Zivilbevölkerung der aufständischen Republiken
Donez und Luhansk bombardieren. Die Zahl der Opfer seit 2014 wird auf
über 6000 geschätzt, - es wird weiter gestorben.
Dieser noch regionale Krieg trägt aber
das Potential eines großen Krieges in sich. Seit 1945 war
diese Gefahr noch nie so groß.
Kurdistan, 2015
Die Geschichte des kurdischen Volkes ist eine
Geschichte von Unterdrückung und Verfolgung und eine
Geschichte ihres Kampfes um Unabhängigkeit. Der
türkische Staat lässt foltern, morden, ihre
Dörfer in Brand stecken und hält ihren politischen
Führer Öcalan seit 16 Jahren auf der
Gefängnisinsel Imrali gefangen. Seit den 80er Jahren fielen
mehr als 40.000 Kurden der türkischen Politik zum Opfer. Nach
einer kurzen Entspannungsphase schlägt das türkische
Regime jetzt wieder zu. Statt die Terrorgruppe IS anzugreifen, zielen
seine Bomben und Raketen auf die Kurden, die als einzige erfolgreich
die Mordbanden des IS bekämpft haben. Damit bezweckt Erdogan
dreierlei: *Er will die prokurdische HDP schwächen, die mit 13
% bei den Wahlen abgeschnitten hatte und damit die Alleinregierung von
Erdogans AKP vorerst beendete, er will verhindern, dass sich
in Nord- Syrien autonome kurdische Republiken dauerhaft etablieren und
drittens will er mit einem Korridor auf nordsyrischem Boden und einer
Flugverbotszone den Kampf gegen die laizistische Assad-Regierung
optimieren.
Die „westliche
Wertegemeinschaft“ schweigt zu diesem Vorgehen, haben sie
doch mit der Türkei das gleiche Ziel: Assad zu
stürzen.
Syrien, 2012
Der “arabische
Frühling“ wurde in Syrien bald zum blutigen Herbst.
Die Demonstrationen gegen die Assad-Regierung und die harte Reaktion
der Regierung darauf waren Grundlage für immer
schärfere Auseinandersetzungen. Anstatt die krisenhafte
Entwicklung mit diplomatischen Mitteln zu deeskalieren, setzten die USA
und ihre Verbündeten auf den Sturz Assads. „Assad
muss weg!“, war auch hier die Parole, auch er wurde zum
„Schlächter, Tyrannen“
…erklärt, um einen Regime-change durchzusetzen. Die
Ziele sind die gleichen wie im Krieg gegen den Irak und Libyen: die
Neuordnung des arabisch/nordafrikanischen Raums im Interesse des
Westens, der Zugriff auf Öl, Gas und die Bodenschätze
des Landes. Die Opposition, die auf den militärischen Sturz
der Regierung setzte, wurde mit Geld und Waffen unterstützt,
fundamentalistische Mordgruppen, die in den reaktionärsten
saudi-arabischen Staaten und der Türkei ausgebildet und
bewaffnet werden, werden mit Billigung und Unterstützung des
Westens ins Land geschleust und entfesseln blutigen Terror gegen die
Zivilbevölkerung. Das Ergebnis: ein Land in Schutt und Asche,
eine hungernde, traumatisierte Bevölkerung, hunderttausende
auf der Flucht. Die Zahl der Todesopfer wird bis jetzt mit mehr als
220.000 beziffert. Das Morden und Sterben geht weiter.
Mittelmeer,
heute
Das Mittelmeer ist kein Staat, aber auf ihm wird
Krieg geführt. Die blutigen Auseinandersetzungen in Syrien,
Libyen, Afghanistan und anderen Ländern, an denen der Westen
durchaus Schuld trägt, treiben Hunderttausende Menschen aus
ihrer Heimat in Richtung Europa in der vagen Hoffnung auf ein
sichereres Leben. Ein großer Teil flieht über das
Mittelmeer.
Weder die EU noch ihre Mitgliedstaaten erheben
Statistiken über gestorbene Flüchtlinge auf dem
Mittelmeer. Tote Flüchtlinge, die an den Küsten
angespült werden, werden anonym bestattet und dadurch (fast)
jeder Zählung entzogen.
So bleibt die Dimension der
Menschenrechtsverletzungen durch die europäische
Abschottungspolitik im Dunkeln.
Die französische Zeitung Le Monde
diplomatique hat eigene Berechnungen angestellt, nach denen zwischen
2000 und 2013 über 23 000 Flüchtlinge auf dem Weg von
Afrika/ dem Mittleren Osten nach Europa gestorben sind. Diese Zahl
dürfte bis heute auf über 30 000 angewachsen sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dieser Zahl nicht nur
die auf dem Meer zu Tode gekommenen Flüchtlinge enthalten
sind, sondern auch die Opfer des Landweges. Die große
Mehrzahl allerdings ist ertrunken, andere starben an Hunger oder Durst,
an Kälte oder Unterkühlung, erstickten in
Laderäumen.
Frontex und Eurosur wurden nicht zur Rettung von
Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten ins Leben gerufen, im
Gegensatz zu „Mare nostrum“, dem Programm, das zu
teuer war. Mit dem Ausbau von Abwehrmechanismen und einem Mehr an
Kontrolle wird die Zahl der Toten an Europas Grenzen weiter dramatisch
zunehmen.
Bitten der
Kinder (Bertolt Brecht)
Die Häuser sollen nicht brennen.
Bomber soll man nicht kennen.
Die Nacht soll für den Schlaf sein.
Leben soll keine Straf sein.
Die Mütter sollen nicht weinen.
Keiner sollt müssen töten einen.
Alle sollen was bauen
Da kann man allen trauen.
Die Jungen sollen’s erreichen.
Die Alten desgleichen.
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