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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

31.07.2015

Zum Antikriegstag 2015: Nicht schon wieder Aufrüstung und Kriegsbereitschaft!

Verantwortung für Frieden in der Welt übernehmen, Völkerrecht stärken!

Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begannen zugleich die untrennbar miteinander verbundenen Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus: Vernichtungskrieg und Holocaust. Wir gedenken an diesem 1. September, der vielerorts als Antikriegstag oder Weltfriedenstag begangen wird, der unzähligen Opfer und bekräftigen: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Mit diesen Worten beginnt ein Papier der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) zum 1. September 2015, dem Antikriegstag. Konkret und ganz aktuell wird gefordert, der Rückzug der deutschen Patriot-Raketen von der Grenze zu Syrien, keine Hilfe Deutschlands für den Krieg der Türkei gegen die Kurden. Die Beschaffung von waffenfähigen Drohnen soll gestoppt werden. ABC-Waffen sollen verboten, geächtet und vernichtet werden. „Wir fordern den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel.“ Und weiter: „Wir fordern offene Grenzen insbesondere für Menschen auf der Flucht vor Verfolgung und Not.“

Der Text, der als Flyer verbreitet wird, hat den Wortlaut:

Antikriegstag 2015: Nicht schon wieder Aufrüstung und Kriegsbereitschaft! Verantwortung für Frieden in der Welt übernehmen, Völkerrecht stärken!

Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begannen zugleich die untrennbar miteinander verbundenen Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus: Vernichtungskrieg und Holocaust. Wir gedenken an diesem 1. September, der vielerorts als Antikriegstag oder Weltfriedenstag begangen wird, der unzähligen Opfer und bekräftigen: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Das Resultat nach fünfeinhalb Jahren Blutvergießen waren mehr als 60 Millionen Menschen, die dem Nazi-Terror, dem Holocaust und dem Vernichtungskrieg zum Opfer gefallen waren. Sie bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben. Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie- und Rüstungsindustrie und Banken waren die Gewinner von „Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter/innen. Diese Gewinne bildeten die Grundlage des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik, während die Opfer um jede Mark Entschädigung kämpfen mussten und bis heute kämpfen müssen.

Wir alle, die wir heute leben, verdanken die Grundlagen eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai 1945. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreier. Ihren völkerrechtlichen Vereinbarungen für den Frieden sind wir verpflichtet.

Von Deutschland sollte nie wieder Krieg ausgehen...

Nach den bitteren Erfahrungen, dass Deutschland zum zweiten Mal in einem halben Jahrhundert Europa mit Krieg überzogen hatte, wurden 1945 im historischen Potsdamer Abkommen entschiedene Maßnahmen und Regelungen getroffen, die sichern sollten, dass dieses Land nie wieder den internationalen Frieden bedroht.

Deutschland sollte entmilitarisiert werden. Handlungen zur Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen sollten Deutschland verboten sein – und Entsprechendes bestimmen noch immer Verfassungsartikel des Grundgesetzes, so zum Vorrang des Völkerrechts vor dem nationalen Recht (Artikel 25), zum Verbot von Angriffskriegen (Artikel 26) und zur Bekräftigung antifaschistischer und antimilitaristischer alliierter Rechtsvorschriften (Artikel 139).

Willy Brandt erklärte dazu in seiner Rede vor dem Plenum der UNO zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen 1973: „Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist.“

Diese Gesetzgebung ist u.a. festgehalten im  bekannten Kontrollratsgesetz von 1945. Darin heißt es: „Der deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Einhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.“

Ein neuer deutscher Militarismus entsteht

Den seit 1945 geltenden Prinzipien widerspricht der Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder. Damit wurde das Völkerrecht gebrochen und zugleich ein Bruch mit dem Nachkriegskonsens in unserem Land vollzogen, der als wichtigste Lehre aus der jüngeren deutschen Geschichte lautete „Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen“.

In vielen Ländern der Welt, im Irak, in Syrien, in der Ukraine und in weiten Teilen Afrikas toben Kriege. Wieder sind deutsche Waffen - und oft auch deutsches Militär - überall beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche Interessen“ erneut mit militärischen Mitteln durchzusetzen, ist gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung in Regierung und Bundestag wieder politische Praxis geworden.

Wesentliche Teile der deutschen Eliten setzen nach dem Motto „Neue Macht – neue Verantwortung“ auf noch mehr militärische Abenteuer und arbeiten darauf hin. Der Rüstungshaushalt soll in den nächsten Jahren ständig wachsen – für 2016 bereits um 1,7 Mrd. Euro und bis 2019 auf 35 Mrd. Euro.  

In vielen Bereichen sehen wir Bemühungen der Herrschenden und Regierenden, an der „Heimatfront“ Unterstützung für ihren Kriegskurs zu erreichen. So an Schulen und Hochschulen, in der Berufsberatung, bei Ausbildungs- und Jobmessen oder mit einem „Tag der Bundeswehr“; ferner durch Vorschriften und Verträge zur zivil-militärischer Zusammenarbeit, bei der zivile Institutionen zu Dienstleistungen für das Militär verpflichtet werden.

Die Rechte des Parlaments, über Fragen von Krieg oder Frieden zu entscheiden, werden immer wieder in Frage gestellt. Auch bei der Entscheidung über Waffenexporte wird das Parlament außen vorgelassen, was angesichts der zunehmenden politischen Bedeutung der einzelnen Entscheidungen überaus bedenklich ist.

BRD - NATO - USA

Die neuen deutschen Weltmacht-Ambitionen werden bestärkt, indem USA und NATO verlangen, dass Deutschland die USA in der Rolle als Weltordnungsmacht unterstützt, um im Gegenzug eine stärkere Berücksichtigung „deutscher und europäischer Interessen“ zu erlangen. Deutschland fungiert heute schon als Flugzeugträger der USA mit Stützpunkten (Stuttgart, Ramstein) für den Drohnen-Krieg der USA. Zugleich schafft die Bundesregierung mit dem NATO-Luftkommando in Kalkar/Uedem die Basis für einen eventuellen  Krieg gegen Russland, unterstützt  von der Bundesmarine und von Bodentruppen der unter deutschem Befehl stehenden  „Speerspitze“ in Münster.

Hiroshima mahnt

In Büchel befinden sich US-amerikanische Atomwaffen, die von deutschen Flugzeugen ins Ziel getragen werden sollen. Sowohl die USA als auch Russland modernisieren ihre Atomwaffen-Arsenale. Die Warnungen der Wissenschaftler im Russel-Einstein-Manifest vom Juli 1955 werden wieder aktuell, „dass in einem künftigen Weltkrieg Kernwaffen bestimmt benutzt werden würden und dass derartige Waffen das Fortbestehen der Menschheit bedrohen.“ Hiroshima und Nagasaki, wo vor 70 Jahren die ersten Atombombenabwürfe hunderttausende Menschen hinwegrafften, mahnen uns alle.

Das bedrohliche Beispiel der Ukraine-Krise

Die Ukraine gilt als „Testfall“ für die neue Strategie der deutschen Außenpolitik. Sollte die militärische Lage dort weiter eskalieren, ist der Frieden in großer Gefahr und es droht ein weiterer Krieg von deutschem Boden. Schon bisher hat sich auch die Bundesregierung mit der Unterstützung einer auch von neofaschistischen Kräften getragenen Regierung in Kiew daran beteiligt, die Lage zuzuspitzen.

Wir erleben eine antirussische Kriegshetze, wie wir sie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr für möglich hielten. Deutsche Truppen werden im Rahmen der NATO an russischen Grenzen zusammengezogen. Mit dem Verweis auf  "Bündnisverpflichtun- gen" oder auf niederschwellige Einsätze wird der Bundestag bewusst und gezielt umgangen. Die permanenten Manöver der NATO in Osteuropa mit deutscher Beteiligung tragen zur weiteren Konfrontation bei.

Die Ukraine birgt zudem  eine hohe Zahl von Atomkraftwerken, die wie Tschernobil als äußerst unsicher gelten. Das Übergreifen der Bürgerkriegskämpfe auf Atomkraftwerksstandorte kann eine atomare Katastrophe auslösen – ganz ohne A-Bombeneinsatz.

Flüchtlingselend als Folgen der militärischen „Konfliktlösungen“

Weltweit sind heute mehr als 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Kriegen, Dürre und anderen ökologischen Katastrophen, Unterdrückung aufgrund ihrer politischen Anschauungen, ihres Glaubens, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität und Orientierung; sie fliehen vor Armut, Hunger und Krankheit. Nur ein Bruchteil dieser Menschen hat die Möglichkeit, weiter als über die nächste Grenze zu fliehen. Den wenigsten gelingt es, die Regionen der Welt zur erreichen, in denen der Reichtum des Planeten konzentriert ist und von wo aus die Entscheidungen über Leben oder Tod getroffen werden.

Seit 1990 sind ganze Staaten zusammen-  oder auseinandergebrochen, ganze Regionen versinken in Kriegen, in denen es immer auch um die Verfügung über die natürlichen Ressourcen geht. Europäische und US-Konzerne sind an diesen Prozessen stets im Hintergrund beteiligt. Bereits 1992 und 2011 wurde in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ programmatisch festgeschrieben, dass zu den Aufgaben der Bundeswehr auch die Sicherung des Zugangs zu strategischen Rohstoffen gehört. Die Opfer dieser kriegerischen Aktivitäten sind unzählige Menschen, die sich auf die Flucht begeben.

Deutschland und Europa sind also für einen großen Teil der Fluchtursachen mitverantwortlich. Jedoch: Europa ist zur Festung geworden, das Mittelmeer zum Grab für tausende Flüchtlinge – Jahr für Jahr. Flüchtlinge werden von Innenministern aller deutschen Regierungskoalitionen nur als „Problem“ definiert, dessen man sich durch eine rigorose Abschottungs- und Abschiebepolitik möglichst entledigen muss. Stichwort: Der Kampf gegen die „Schleuser“ geht vor. Der Aufenthalt in Deutschland wird verweigert, weil die Flüchtlinge meist nicht auf direktem Weg hierher kommen und ihr Antrag nach den Dublin-Verträgen im ersten Land der EU behandelt werden muss, das sie erreichen.

In diesem Sinne sind wir solidarisch mit allen Initiativen, die Menschen in den Herkunftsländern von Flüchtlingen und Migranten ergreifen, um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern und die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben für sich und ihre Kinder zu schaffen. Die Solidarität mit Geflüchteten ist uns ein wichtiges Anliegen. Die neue Welt des Friedens und der Freiheit entsteht dort, wo Menschen für sie eintreten.

Ein Aktionsplan für den Frieden muss von breiten Bündnissen gemeinsam angepackt werden:

+ Die derzeitige Kriegspolitik steht im Widerspruch zur Verfassung. Die Bundeswehr darf nicht länger der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen dienen und soll aufgelöst werden, ebenso die NATO.

+ Schluss mit den weltweiten Kriegseinsätzen der Bundeswehr. Gegen den weiteren Umbau der Bundeswehr zu einer weltweiten Interventionsarme.

+ Rückzug der deutschen Patriot-Raketen von der Grenze zu Syrien, keine Hilfe Deutschlands für den Krieg der Türkei gegen die Kurden.

+ Schluss mit den Rüstungsexporten. Wir brauchen Rüstungskonversion: zivile Produktion statt Rüstungsproduktion. Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod.

+ Die Mittel für die Rüstungsausgaben sollen für soziale, ökologische, bildungs- und gesundheitspolitische Ziele und Aufgaben verwendet werden.

+ Die Beschaffung von waffenfähigen Drohnen wird gestoppt. Der Einsatz von Spionagedrohnen zur Überwachung der Bevölkerung wird untersagt.

+ ABC-Waffen sollen verboten, geächtet und vernichtet werden. Wir fordern den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel.

+ Keine Einsätze der Bundeswehr im Innern. Stopp des Aufbaus der Heimatschutz-Reservisten-Armee.

+ Stopp der Durchdringung von Schulen und Hochschulen und Berufsberatung mit dem Ungeist des Militärs. Kein Werben fürs Töten und Sterben.

+ Wir fordern ein Ende der „Festung Europa“. Dazu gehören die Abkehr von den Bestimmungen der Dublin-Verträge und die Beendigung von Militäreinsätzen gegen Flüchtlinge.

+ Wir fordern offene Grenzen insbesondere für Menschen auf der Flucht vor Verfolgung und Not und die Wiederherstellung des Asylrechts in der ursprünglichen Fassung des Artikels 16 im Grundgesetz.

Nein zum Krieg! NATO und Bundeswehr stoppen!